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Barbara Kemmer

Praxisschwund und Nachbesetzungssorgen

Auf dem Land stehen immer mehr Arztpraxen leer und es fehlt an potentiellen Nachfolgern. Es droht eine medizinische Unterversorgung.
Bei den meisten medizinischen Problemen ist der Hausarzt der erste Ansprechpartner für Patienten. In Zukunft werden jedoch viele Hausarztpraxen in der Region wegfallen, da potentielle Nachfolger fehlen. Foto: imago/blickwinkel

Bei den meisten medizinischen Problemen ist der Hausarzt der erste Ansprechpartner für Patienten. In Zukunft werden jedoch viele Hausarztpraxen in der Region wegfallen, da potentielle Nachfolger fehlen. Foto: imago/blickwinkel

Die künftige Sicherstellung der medizinischen Versorgung auf dem Land gilt als enorme Herausforderung. Nach Einschätzung der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz ist die Lage in den Landkreisen Bitburg-Prüm und Bernkastel-Wittlich im haus- wie fachärztlichen Bereich aktuell ausreichend. Aber der Blick auf die Altersstruktur der tätigen Mediziner lässt Schlimmes ahnen: In den kommenden Jahren scheidet ein Großteil aus und die Aussichten in Sachen Nachbesetzung sind schlecht. »Nach den bisherigen Erkenntnissen wird es nicht gelingen, alle frei werdenden Arztsitze wieder zu besetzen«, konstatiert Landrat Joachim Streit mit Blick auf die Lage im Eifelkreis Bitburg-Prüm. Der Landarzt mit eigener Praxis ist quasi vom Aussterben bedroht. Daher sei es von besonderer Wichtigkeit, »neben der Einzelpraxis frühzeitig andere Versorgungsmaßnahmen zu etablieren«, sagt Manuel Follmann, Öffentlichkeitsbeauftragter der Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich.
Junge Mediziner zieht es heute verstärkt in die Städte und die meisten wollen keine eigene Praxis mehr führen, sondern viel lieber im Angestelltenverhältnis arbeiten. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf spielt eine immer wichtigere Rolle und damit der Ruf nach flexibleren Arbeitszeiten. Die Anstellung in Gemeinschaftspraxen und Gesundheitszentren ist daher mittlerweile äußerst angesagt. Laut Einschätzung von Experten sind ärztliche Gesundheitszentren die Zukunft der medizinischen Versorgung – auch im ländlichen Raum. »Es wird zu Konzentrationen kommen und es wird neue Versorgungs- und Kooperationsmodelle in der ambulanten Grundversorgung geben müssen«, betont Streit. Dies bedeutet hinsichtlich der lokalen Verortung »eine stärkere Zentralisierung der Hausärzte in den Mittelzentren und vereinzelten Grundzentren«, so Moritz Petry, Bürgermeister der VG Südeifel. Das Ärztehaus im alten Rathaus in Manderscheid sowie das Hausärztliche Versorgungszentrum in Daun, die der Eigeninitiative engagierter Ärzte zu verdanken sind, gelten als beispielhaft.
Grundsätzlich liegt der gesetzliche Auftrag zur Sicherstellung einer ambulanten medizinischen Versorgung bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Diese muss sich darum kümmern, dass einer Unterversorgung entgegengewirkt wird. »Die KV hat ein umfangreiches Maßnahmenmündel erarbeitet, um die Förderung der vertragsärztlichen Versorgung weiter voranzutreiben«, erklärt Dr. Rainer Saurwein, Leiter der Stabsstelle Kommunikation der KV RLP in Mainz. Beispielsweise gewähren das Land Rheinland-Pfalz und die KV bei Neugründung oder Übernahme einer Praxis unter bestimmten Umständen finanzielle Unterstützung. Wichtig sei es, so der allgemeine Tenor, besondere Anreize für junge Ärzte zu setzen, die sich grundsätzlich eine Tätigkeit auf dem Land vorstellen können – seien diese Anreize nun finanzieller, struktureller oder organisatorischer Art.
Auch die Kommunen können Hilfestellung geben, indem sie beispielsweise günstig Immobilien zur Verfügung stellen oder beim Aufbau von Gesundheitszentren zur Seite stehen. Ganz aktuell ist etwa die Übertragung der Immobilie des ehemaligen Neuerburger Krankenhauses von der Marienhaus GmbH auf eine gGmbH der Stadt Neuerburg: Diese gemeinnützige Gesellschaft soll nun die lange vorliegenden Planungen für ein Gesundheitszentrum realisieren.
Aber die politischen Entscheidungsträger in Bund und Ländern sind ebenso gefordert, wenn es um die medizinische Ausbildung an sich geht: »Das Angebot an Studienplätzen sollte unbedingt ausgebaut werden«, sagt Landrat Streit. Auch die Anpassung der bis dato als unantastbar geltenden strengen Zugangsbeschränkungen (Numerus Clausus: 1,0) für das Studienfach der Medizin ist lange überfällig. Sagt doch eine solche Benotung mitnichten etwas über die Sozialkompetenzen – wie Einfühlungsvermögen oder Kommunikationsfähigkeiten – eines Schülers und möglichen Medizinanwärters aus. Wie Streit betont, ist jedoch »die erfolgreiche Gewinnung von Ärzten auch eine Frage der Standortentwicklung und des Standortmarketings.« Ein betontes Augenmerk muss dabei der Erhaltung und Stärkung der lokalen Infrastrukturen im Generellen gelten. Die Gewährleistung einer guten Verkehrsanbindung (auch im ÖPNV) und der flächendeckende Ausbau des Breitbandnetzes, der für die fortschreitende Digitalisierung in allen Bereichen unabdingbar ist, sind u.a. sicherzustellen. Nur wenn das Landleben insgesamt als »machbar« und lebenswert definiert werden kann, werden sich gut ausgebildete Fachkräfte angezogen fühlen und dauerhaft bleiben.


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