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Individuelle Geschichten im Einband aus Holz

Bei der dreitägigen Lit.Eifel-Schreib- und Illustrationswerkstatt hatten 45 Schüler des Thomas-Eßer-Berufskollegs große Freude am Erfinden von Charakteren und der erzählerischen Ausgestaltung ihrer Ideen.
Dank des schier unerschöpflichen Ideenreichtums von Antonio Nunez liefen die Schüler des Thomas-Eßer-Berufskollegs auch bei der optischen Gestaltung ihrer Bücher zu Höchstform auf. Foto: Claudia Hoffmann/pp/Agentur ProfiPress

Dank des schier unerschöpflichen Ideenreichtums von Antonio Nunez liefen die Schüler des Thomas-Eßer-Berufskollegs auch bei der optischen Gestaltung ihrer Bücher zu Höchstform auf. Foto: Claudia Hoffmann/pp/Agentur ProfiPress

Eines war schon nach wenigen Minuten klar: Es würde ein ganz besonderer Workshop werden, der die Erwartungen der jungen Teilnehmer völlig auf den Kopf stellen sollte. Das galt zum einen für die Geschichten, die an drei Tagen unter der Anleitung der Münstereifeler Journalistin Claudia Hoffmann entstehen würden, zum anderen für die Gestaltungsform, die der in Aachen lebende Künstler Antonio Nunez den Schülern des Thomas-Eßer-Berufskollegs vorschlug: ein Einband aus Holz im mit zwei seitlich wegklappenden „Türen“. Wie ein Haus, das den Leser einlädt, die hier innewohnenden Geschichten zu entdecken. Die Idee, die dahinter stand, reicht zurück in die Anfänge des Buches und erinnert an den Kodex: mit Riemen oder Scharnieren verbundene Holz- oder Wachstäfelchen, in die mit einem Griffel Schrift eingeritzt wurde. Im antiken Rom wurden sie vor rund 2.000 Jahren als Notizblock verwendet. „Später wurde dann Papyrus oder Pergament zwischen die Holztafeln gebunden. So entstand um etwa 400 n. Chr. in den Klöstern aus dem Kodex die heutige Form der Bücher“, erklärte Nunez. Im Laufe des Schuljahres hatten sich die 45 Teilnehmer aus zwei Klassen der Höheren Fachschule für Sozial- und Gesundheitswesen bereits mit verschiedenen Textformen und -genres auseinandergesetzt. Doch Deutschunterricht ist die eine Seite, das eigene Schreiben etwas ganz anderes, stellten die Schüler bald fest. Um ihnen die „Angst vor dem weißen Blatt“ zu nehmen, gab Hoffmann in der ersten Schreibübung ein kleines Szenario vor: ein Streitgespräch mit einem sprechenden Elektro-Mixer, der kurz vor der Cocktailparty in den Streik tritt. Nach einem ersten Moment der Verblüffung flogen die Kugelschreiber nur so über die Seiten. Es entstanden eine Fülle herrlich schräger Dialoge mit dem aufmüpfigen Küchengerät. Das Eis war gebrochen und so ging es an die eigene Kurzgeschichte. An welchem Ort und zu welcher Tageszeit könnte sie spielen? Welche Figuren könnten in ihr auftreten und welche Charaktereigenschaften könnte sie haben? Was wäre der Plot und wie könnte man ihn spannend machen? Das waren die Fragen, mit denen sich die Schüler fortan beschäftigten. „Beziehungen“ war der große Themenbogen, der sich über die Geschichten spannte. Oft wurden eigene Erlebnisse verarbeitet, andere Schüler wiederum hatten große Freude am Erfinden und legten ihre Erzählungen als „Road Movie“ an oder ließen ihren Protagonisten als Detektive in den dunklen Gassen Londons ermittelten. Bei aller Unterschiedlichkeit hatten alle Geschichten doch eines gemein: Sie beschrieben einen Moment, in dem das Leben eine andere Wendung nimmt. Vom zweiten Tag an zog der Geruch von Leim, Sägespänen, Kleister und Farbe durch die Klassenzimmer. Allerorts wurde gesägt, geklebt, ausgeschnitten, gemalt und fotografiert. Dank des schier unerschöpflichen Ideenreichtums von Antonio Nunez liefen die Schüler auch bei der optischen Gestaltung ihrer Bücher zu Höchstform auf. „Wir haben großen Spaß daran gefunden, eigene Geschichten zu schreiben. Es war schön, die Entwicklung zu sehen, wie aus den einfachsten Dingen ein Buch entsteht“, bilanzierten Gina Raths und Lucie Seibel am Ende des Workshops begeistert. Und auch Klassenlehrerin Andrea Kniel war voll des Lobes: „Durch den Workshop wurden neue Zugänge zu literarischen Texten und ein Verständnis für den praktischen Nutzen analytischer Textarbeit gewonnen. Bis zur Vollendung des Projekts waren viele – auch für die spätere berufliche Praxis wichtige – Qualitäten gefordert. Die Schüler lernten, dass ein Buch kein Selbstläufer ist und dass zum Schreiben auch Disziplin, Durchhaltevermögen und ein hohes Maß an Selbstorganisation gehört. Durch die ausgesprochen talentierte, motivierende und einfühlsame Kommunikationsweise der beiden Referenten wurden auch ansonsten eher unsichere Schüler in ihrem Selbstvertrauen gefördert.“ Claudia Hoffmann: „Am Ende sind außergewöhnliche Bücher entstanden, fernab von gängigen Klischees und traditionellen Sehgewohnheiten. So individuell, wie die Geschichten und die Persönlichkeiten, die sie geschrieben haben.“ (pp/Agentur ProfiPress)


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