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Von Michael Nielen

Glühende Leidenschaft ist erkaltet

Es war über 36 Jahre lang eine glühende Leidenschaft. Sie war mein ständiger Begleiter - im Urlaub, bei Festen, beim Fernsehen, während der langen Autofahrten. Die intensive Beziehung ist erkaltet und existiert nicht mehr - seit einem Monat und 24 Tagen. Mit anderen Worten: Ich rauche nicht mehr.
Was viele in meinem Umfeld nicht für möglich hielten, ist mittlerweile eine Tatsache: Ich rauche nicht mehr! Foto: ab

Was viele in meinem Umfeld nicht für möglich hielten, ist mittlerweile eine Tatsache: Ich rauche nicht mehr! Foto: ab

»Soll ich oder soll ich nicht?« Diese Frage habe ich im Vorfeld in der Familie und Kollegenkreis diskutiert. Und die meisten waren der Meinung: »Das schaffst du nie!« Kannten sie mich doch als sehr starken Raucher, der am Tag auch mal an die 60 selbst gedrehte Fluppen qualmen konnte. Letztlich war es die persönliche Neugier, die mich dazu veranlasste, meinen allerersten Versuch zu starten, Nichtraucher zu werden. Kann ich nach 36 Jahren tatsächlich auf die Zigarette verzichten? Und ist die Methode auf dem Weg dorthin tatsächlich tauglich? Das waren Fragen, denen ich auf den Grund gehen wollte.

Hypnose

Der Weg ins Nichtraucherleben sollte mit einer Hypnose beginnen - eine Methode, die ich vorher nicht kannte und für die ich mich, ehrlich gesagt, auch nie interessiert hatte. Eines war mir von Anfang klar: Ohne einen Impuls von außen würde ich dem blauen Dunst nur sehr schwer entsagen können. Und so fand ich mich Anfang Januar auf der Couch von Ilona Scheer in Buir wieder, die eine solche medizinische Hypnose anbietet. Die Sitzung war im Grunde unspektakulär. Ich befand mich nicht in den unbekannten Tiefen meines Unterbewusstseins, sondern im Zustand einer angenehmen, tiefen Entspannung. Nach einer Stunde war dann alles vorbei, ich stieg in mein Auto und fuhr nach Hause - kein besonderer Aha-Moment und es hat kein Klick gemacht. Nur am Abend des gleichen Tages habe ich dann verwundert zur Kenntnis genommen: »Mensch, du hast noch keine Zigarette geraucht.«

Kalter Rauch

Und dabei ist es bis heute geblieben. Für mich selbst höchst erstaunlich: Ich habe auch gar kein Verlangen mehr verspürt, mir eine anzuzünden, selbst als obligatorische Begleitung zum leckeren Bier. Dafür aber haben sich die Sinne und ihre Wahrnehmung verändert - und das sehr schnell. Am zweiten Tag meines rauchfreien Lebens stieg ich in meinen kleinen Fiat 500 und ekelte mich vor mir selbst. Der Geruch nach kaltem Rauch in dem Wagen stieg mir derart unangenehm in die Nase, dass ich unmittelbar die nächste Tankstelle ansteuerte und mir als erste Hilfe einen Duftbaum an den Rückspiegel hängte. Die Abscheu gegen kalten Rauch ist eine sehr markante Veränderung. Dabei macht es mir überhaupt nichts aus, gemeinsam mit Rauchern zusammen zu stehen. Der Geruch ist dann angenehm, übt aber keinen Reiz mehr aus. Prägnant bei mir war ebenfalls, wie schnell meine Hände im kalten Winter wieder ordentlich durchblutet wurden. Die hatte ich zu Raucherzeiten immer ruckzuck eiskalt. Und ja, es stimmt: Mit dem Nichtrauchen kam auch eine Gewichtszunahme. Rund sechs Kilo waren es, von denen zwei allerdings schon wieder runter trainiert sind. Die Zunahme hat zum einen etwas mit der Umstellung des Stoffwechsels, zum anderen aber auch mit banalen Veränderungen zu tun.

Mehr Zeit

Denn als Nichtraucher hat man doch tatsächlich plötzlich mehr Zeit. Das Vakuum, in dem früher eine Zigarette geraucht wurde, muss gefüllt werden. Und das geschah zu Beginn zu oft mit dem Griff zur Kamelle. Witzig sind vertraute Rituale, die mit dem Rauchen verbunden waren. Hin und wieder greift die Hand während der Autofahrt nach rechts unten, weil dort früher der Aschenbecher stand. Oder das geflügelte Wort »Ich rauche mir noch eine und dann gehen wir schlafen« entbehrt zwar seiner Grundlage, entfleucht jedoch wie selbstverständlich immer noch meinen Lippen. Fazit: Das Leben als Nichtraucher bleibt spannend, das Raucherleben ist uninteressant, weil bekannt...


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