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Zoff vor Gericht wegen Facebook-Post

»Ich lasse mir keinen Maulkorb anlegen«, sagt Jürgen Schneider. Wegen eines Facebook-Posts über »menschenverachtende Zustände« in einer Flüchtlingsunterkunft klagt die Gemeinde Weilerswist gegen den Bürger.
Bürgermeisterin der Gemeinde Weilerswist Anna-Katharina Horst hält an ihrer Klage gegen den Groß-Vernicher Jürgen Schneider fest.  Fotomontage: Breuer

Bürgermeisterin der Gemeinde Weilerswist Anna-Katharina Horst hält an ihrer Klage gegen den Groß-Vernicher Jürgen Schneider fest. Fotomontage: Breuer

Jürgen Schneider hatte sich bereits im Mai vergangenen Jahres per Mail an die Gemeindeverwaltung Weilerswist gewandt und dargelegt, dass in der Flüchtlingsunterkunft Weilerswist Süd aus seiner Sicht »menschenunwürdige Verhältnisse« herrschten. »Unter den Waschbecken und in den Duschen war Schimmel und Rost«, erzählt er - und als gelernter Fliesenleger wüsste er, wovon er redet. Einige Tage später erhielt er dann eine für ihn unbefriedigende Antwort. Also stellte er die Bilder, die er von einem Flüchtling aus der Unterkunft erhalten habe, auf Facebook und schrieb auch dort über »menschenverachtende Zustände«. Das wiederum rief die Verwaltungsspitze auf den Plan, die Schneider per Anwalt eine Unterlassungserklärung zukommen ließ. Schneider solle die Posts samt Fotos aus dem Facebook-Portal entfernen und Posts dieser Art nicht weiter tätigen. Schneider reagierte darauf eben so wenig wie auf die Erinnerung des Anwalts. Also ging es für den Groß-Vernicher am vergangenen Freitag nach Bonn zum Landgericht.

Fraktionen stärken Bürger den Rücken

Dort reiste er mit rund 20 Bürgern und Ratsmitglieder an, die ihm alle den Rücken stärken wollten. Ein Urteil erfolgte an diesem Tag jedoch nicht. Die Fraktionsvorsitzenden von CDU, SPD und FDP forderten zwischenzeitlich sogar die Bürgermeisterin auf, die Klage mit sofortiger Wirkung zurückzunehmen bzw. das Verfahren einzustellen, »damit Ruhe in der Bürgerschaft einkehrt und weitere Kosten von der Gemeinde ferngehalten werden«. »Es kann in diesem Gerichtsverfahren keinen Gewinner geben. Uns als Verwaltung geht es darum, die Respektlosigkeit und Diskreditierung gegenüber den Personen, die sich mit aller Kraft für die geflüchteten Menschen einsetzen, aufzuzeigen und hierfür die Öffentlichkeit zu sensibilisieren - falsche Behauptungen, Halbwahrheiten und das Aufputschen von Banalitäten zu Pseudokatastrophen müssen als solche benannt und dargestellt werden«, meldet sich Bürgermeisterin Anna-Katharina Horst in einer Pressemitteilung zu Wort. Wegen Krankheit musste sie den Ersten Beigeordneten René Strotkötter zum Gericht schicken.

Urteil im März

Es ist wahrscheinlich, dass Jürgen Schneider als Sieger des Prozesses hervorgeht und die Gemeinde die Kosten tragen muss. »Mein Mandant hat zulässig seine Meinung geäußert und damit von seinem Grundrecht aus Art. 5 GG Gebrauch gemacht. Das will ihm die Gemeinde ohne Grund abschneiden«, so Anwalt Dr. Marcel Leeser. Das Gericht zeigte laut Schneiders Anwalt die Tendenz, die Klage abzuweisen. Am 23. März wird das Urteil verkündet.


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