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Auf der Spur eines literarischen Schatzes

Nikolaus Rätz war Landwirt, Ortsbürgermeister, Gerichtsschöffe... und hat nun die Gedichte seines Vaters Johann Rätz herausgebracht: Lyrik mit Tiefgang.
Nikolaus Rätz ist selbst auch als Autor aktiv - die Gedichte und Erzählungen seines Vaters inspirierten ihn. Foto: A. Koch

Nikolaus Rätz ist selbst auch als Autor aktiv - die Gedichte und Erzählungen seines Vaters inspirierten ihn. Foto: A. Koch

In neunzig Lebensjahren kann viel passieren. Und das ist es auch, bei Nikolaus Rätz. Er gehört zu jener Generation, die in ihrer Jugend Nazizeit und Krieg miterleben musste. Rätz geriet in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Nachdem er als 19-Jähriger heim auf den elterlichen Hof nach Leudersdorf kam, machte er eine Entdeckung, die bis heute nachwirkt: die von seinem Vater Johann verfassten Gedichte und Schriftstücke, von denen viele in den Jahren zuvor gefährlich gewesen wären. Denn immer wieder kommt in ihnen zum Ausdruck, wie kritisch der katholisch geprägte Landwirt die Nazis sah. »Ich habe ihn immer als überzeugten Antifaschisten erlebt, aber ich wusste nicht, dass er seine Ablehnung zu Papier gebracht hatte«, erinnert sich Nikolaus Rätz, der seit seiner Heirat 1951 in Loogh lebt. »Meine Geschwister interessierten sich nicht dafür, aber ich, und so holte mein Vater die Hefte, die nur oberflächlich versteckt gewesen waren, hervor und sprach mit mir darüber.« Neu war für den damals jungen Mann nicht nur die Dichtkunst seines Vaters, sondern auch, dass der anfangs durchaus Sympathien für die Nazis gehegt hatte. »Aber deren Politik und den Krieg in der Praxis zu erleben, das hat sein Urteil vollkommen gewandelt.« Schon unmittelbar nach dem Krieg, als noch kaum jemand über die zurückliegenden Jahre sprechen wollte, war für Nikolaus Rätz klar: »Wer behauptet, er habe von nichts gewusst, sagt nicht die Wahrheit. Man wollte höchstens von nichts wissen, aber merken, was geschieht, konnte jeder.« Die aufrechte Haltung gegen die Nazis übernahm er von seinem Vater – und gab sie an seine Kinder und Enkel weiter. »Dass solche demokratiefeindlichen Ansichten noch einmal die Regie übernehmen, glaube ich nicht«, hofft er angesichts der aktuellen Entwicklungen. Gerade jetzt die Gedichte seines Vaters – mit Hilfe des Kulturwissenschaftlers Tim Becker – herauszugeben macht für ihn umso mehr Sinn.

Melancholie und Sinn für Schönheit

Doch nicht nur Gesellschaftliches kommt in der Lyrik von Johann Rätz zum Ausdruck. Genauso stark ist die Liebe zur Eifel, zur Natur, zur Religiosität und Mentalität der Eifeler. Und es sind sehr viele Schriftstücke: »Aufbereitet habe ich jetzt nur rund die Hälfte des Nachlasses«, sagt Nikolaus Rätz zu dem neuen Buch »Lass nie die Eifel dir verpönen« mit rund 300 Texten.
Das schriftstellerische Talent erbte er von seinem Vater. »Aber meine Eltern haben sehr darauf geachtet, dass ich mich ganz auf die Landwirtschaft konzentriere«, meint er lächelnd. So legte er zum Beispiel den Grundstein für die hofeigene Direktvermarktung von Milch und Käse, die er an seine Tochter Ursula und den Schwiegersohn Michael Gröner übergab. »Den Mut, als Bauer größer zu denken, habe ich bei den Amerikanern von Mitgefangenen gelernt«, meint Rätz und zugleich doch auch, dass der ungebrochene Wachstumszwang für die Höfe, der die letzten Jahrzehnte prägt, übertrieben sei. Auch Platz für Literatur war da: Er war Autor für das Heimatjahrbuch und die Dorfchronik, er verarbeitete seine Lebenserfahrung in einem 2010 erschienenen Buch mit dem Titel »Eine andere Sicht der Dinge« und er wirkte am 2015 erschienenen Bildband »He jet ett nix se knipse« mit, seine erste Zusammenarbeit mit dem Eifelbildverlag.


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