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Klaus Desinger

Stadtrat will junge Ärzte locken

Resolution verabschiedet: Gute Infrastruktur und Erleichterungen sollen Mediziner in die Region ziehen.

Einstimmiges Votum im Stadtrat: Die von der FDP eingebrachte Resolution »Junge Ärzte für den Landkreis Birkenfeld und die Stadt Idar-Oberstein« wurde verabschiedet. »Arztpraxen haben Probleme Nachfolger zu finden. Was können wir tun zur Ansiedelung von Medizinern im ländlichen Raum?« fragte FDP-Fraktionsvorsitzender Bernhard Zwetsch in die Runde der Delegierten und forderte diese auf, seine Resolution an Landesregierung und Kassenärztliche Vereinigung (KV) zu senden. Sein Kollege Armin Korpus (CDU) unterstützt die Forderung und verleiht ihr Nachdruck: »Dieses Begehren darf nicht verzögert werden«. Thomas Engel von der Freien Liste hofft, dass »dieser Aufruf fruchtet.« Die Linken forderten, kostenlos Immobilien für junge Ärzte bereitzustellen, damit diese sich nicht verschulden. Eduard Erken (Grüne), selbst Mediziner: »Diesen Zahn muss ich euch ziehen, die KV Rheinland-Pfalz ist die sturste und härteste im Land.« Stadt sucht Arzt OB Frank Frühauf (CDU) betonte, dass die Stadt sich der Aktion »Stadt sucht Arzt«, einer Initiative der KV, anschließen will. Die Vorteile der Ansiedlung von jungen Ärzten müssten klar herausgestellt werden. Die Resolution wurde schließlich unisono angenommen. Zwetsch hatte in dem Begehren an die Ratsmitglieder die Dringlichkeit des Vorhabens formuliert. Derzeit sei der Landkreis zwar noch gut ärztlich versorgt, der aktuelle Trend aber, wonach immer mehr Praxen keine Nachfolge mehr fänden und der Umstand, dass immer weniger junge Mediziner Behandlungsräume in ländlichen Regionen suchten oder übernehmen wollten, sollte für die Verantwortlichen schon heute ein Warnsignal sein. Hätten viel früher handeln müssen »Bundesweit ist eine Überalterung der Ärzte festzustellen und es fehlen immer mehr Allgemeinmediziner, insbesondere auf dem Land. Dabei wird es aufgrund der demografischen Entwicklung, der vorhandenen Landflucht und der mangelhaften Mobilität gerade auf dem Land wichtig sein, dass insbesondere die Landarztpraxen breit gestreut sind, um den Menschen den oft weiten und beschwerlichen Weg in sogenannte Ärztehäuser zu ersparen«, meint Zwetsch. Vor diesem Hintergrund fordert der Unternehmer das Land auf zu prüfen, inwieweit die Anzahl der Studienplätze für Medizin kurzfristig erhöht und ob und unter welchen Umständen der Zugang zum Medizinstudium erleichtert werden kann. Dabei solle das Land Rheinland-Pfalz auch prüfen, inwieweit es durch finanzielle Anreize Medizinstudenten oder jungen Ärzten die Übernahme einer Landarztpraxis erleichtern kann. »Des Weiteren fordern wir die KV Rheinland-Pfalz auf, die Verwaltungen von Kreis und Stadt rechtzeitig, also mindestens fünf Jahre vor dem regulären Ruhestand eines Arztes, über sein Ausscheiden zu informieren, damit gemeinsam mit den jeweiligen Verwaltungen notwendige Nachfolger/innen gesucht werden können. Ebenso sollten die Verwaltungen an der Festlegung von Mindeststandards (wie viele und welche Ärzte) für die ärztliche Versorgung in der Region beteiligt werden«, führ Zwetsch weiter aus. Resolution einstimmig verabschiedet
Landkreis und Stadt seien gefordert, die notwendige Infrastruktur, wie diverse Schulen, Kino, Theater, Einkaufsmöglichkeiten und anderes zu erhalten, zu verändern oder zu schaffen, damit junge Ärzte und Ärztinnen sich und ihre Familien die ländliche Region als Alternative mit Zukunft sehen. Sie sollten ihre Vorteile in Programmen und Aktionen zusammenfassen, damit für die Attraktivität ihrer Region werben und sich so aktiv an der Suche nach medizinischem Personal beteiligen.
Die vom Stadtrat verabschiedete Resolution wird nun an die Kassenärztliche Vereinigung weitergeleitet, nachdem sie inhaltlich wasserdicht formuliert wird. Vorausgegangen war, dass immer weniger Mediziner Nachfolger für ihre Praxen fanden, zuletzt etwa bei Dr. Rudolf Schwarz (Foto). Er suchte vier Monate lang erfolglos  einen Arzt für seine Praxis  in Idar, die er nach Eintritt ins Rentenalter im Frühjahr aufgab. Er  schickte Flyer an Kliniken, schaltete Ärztekammer und KV ein, warb auf Kongressen und bei heimischen Kollegen - ohne Ergebnis. Nicht eine Anfrage ging ein. "Kein Interesse an Selbstständigkeit"
»Der Nachwuchs hat kein Interesse mehr an einer Selbstständigkeit«, vermutet der 66-Jährige. Der Trend gehe zu Laboratoriumstätigkeiten oder zu Ärztehäusern, wo sie wie jeder normale Angestellte eine geregelte Arbeitszeit hätten. »Wir müssen uns verabschieden vom traditionellen Hausarzt. Allein die Honorarsitutaion stimmt nicht. Ein Klempner berechnet für einen kleinen Auftrag das doppelte, als das wir für einen Kassenpatient im Quartal bekommen«, ärgert sich Schwarz.
Der Ärztemangel liege auch nicht speziell an dieser Region. »Wenn wir Arztstellen im Angestelltenverhältnis hätten für die ambulante Medizin, würde das auch funktionieren. Dazu müssten Träger her, zum Beispiel Kliniken oder Kommunen, wie beispielsweise in Bad Kreuznach, die die Sache finanziell übernehmen«. Wenn dieses Modell nicht zügig aus dem Boden gestampft würde, gebe es ein hausärztliches Vakuum für die nächsten zehn bis 15 Jahre. Die politische Seite hätte dem Problem längst Rechnung tragen müssen. Schließlich dauerten Studium und Facharztzeit viele Jahre. Schwarz, der mittlerweile noch tageweise Privatpatienten behandelt, würde sich heute nicht mehr niederlassen. »Ich würde Oberarzt im Krankenhaus bleiben«.


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