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Klaus Desinger

Sterbehilfe wird nicht kriminalisiert

Für Zündstoff sorgte das Verbot der organisierten Sterbehilfe, das der Bundestag beschloss. Während einige Palliativmediziner und Todkranke dem neuen Gesetz sehr kritisch gegenüberstehen, unterstützt die Kirche das Ansinnen aus Berlin.

Evangelische und katholische Kleriker werten das Gesetz als »Entscheidung für das Leben und ein Sterben in Würde«. So zumindest lautet ein Satz der gemeinsamen Erklärung der Evangelischen Kirche in Deutschland und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken. Dass die Frage, was ein Sterben in Würde bedeutet nicht so einfach ist, wurde auch den Teilnehmern einer Veranstaltung des Kirchenkreises an Nahe und Glan klar. Tenor: Über dieses Thema wird nur ungern geredet. Pfarrer Christian Schucht, Krankenhausseelsorger und Mitglied des Ethik-Ausschusses der Kreuznacher Diakonie: »Das Parlament entschied sich mit großer Mehrheit für das Verbot geschäftsmäßiger Suizidbeihilfe. Das bedeutet in der Praxis kaum eine Veränderung der bisherigen Situation, nur wird verhindert, dass Vereine oder Firmen entstehen, die an der Sterbehilfe Geld verdienen.« Medikamente müssen reichen Gegenüber dem WochenSpiegel erklärt der Pfarrer: »Natürlich erhalten Patienten Medikamente für akute Fälle, aber ob es sich dabei um Medikamente zum Suizid handelt, lässt sich sicher nicht pauschalisieren. Mag sein, dass es das im Einzelfall gibt. Ich persönlich halte das beschlossene Gesetz für den richtigen Weg. Ich halte es zunächst für wichtig, die Palliativ- und Hospizarbeit weiter auszubauen, wie wir es in der Stiftung Kreuznacher Diakonie tun. Die Frage des ärztlich assistierten Suizids muss eine Einzelfallentscheidung bleiben und darf meines Erachtens nicht zur normalen Option werden«, unterstreicht der Geistliche.
Strafbar machten sich Ärzte nur dann, wenn sie Suizidbeihilfe in organisierter Form und geschäftsmäßig leisteten, also das auf Wiederholung angelegte, organisierte Handeln von Vereinen oder Einzelpersonen. Während der Kirchensynode begrüßte Superintendent Matthias Harke, dass mit dem neuen Gesetz die organisierte Suizidbeihilfe verboten wurde. Zu groß sei die Gefahr, dass alte und kranke Menschen unter gesellschaftlichen und familiären Druck gerieten, die Selbsttötung als eine Alternative zur kostenintensiven Pflege in Erwägung zu ziehen. Helfer sollten straffrei bleiben Zu Recht sollten jedoch Menschen, die im Einzelfall die Gewissensentscheidung träfen, bei einem Suizid zu helfen, straffrei bleiben. »Gerade bei einem so sensiblen Thema, bei dem es um todkranke Menschen und unerträgliche Schmerzen geht, darf die Kirche ihre Sicht niemals so rigoros vertreten, dass sie sich damit als Begleitung der Menschen disqualifiziert«. Pfarrerin Angelika Röske von der evangelischen Kirchengemeinde Idar kommentiert den Gesetzentwurf (deutscher Bundestag, Drucksache 18/5573) zum assistierten Suizid so: »Dieses Anliegen halte ich für ein wichtiges Signal in unserer Zeit. Er stellt sicher, gerade auch weil sich jeder Arzt jedes Mal neu verantworten muss, dass assistierter Suizid das letzte Mittel der Wahl bleibt. Im Einzelfall nicht kriminalisiert Im Einzelfall wird Sterbehilfe nicht kriminalisiert. Auch das halte ich für angemessen. Moderne Medizin ist Fluch und Segen zugleich. Der Prozess des Sterbens ist in meinen Augen ein wichtiger Lebensabschnitt, ein sich Lösen aus dieser Welt. Ich bin mir sicher, dass im Vertrauen auf Gottes Kraft und Beistand, Sterbende, ihre Begleiter, darunter auch die Ärzteschaft diesen Weg gemeinsam in Würde gehen und auch erkennen, ob überhaupt und wann es notwendig ist, beim Suizid zu helfen. Ein Gesetz kann nur eine Richtung vorgeben.« Der Kommentar

WochenSpiegel-Redakteur Klaus D. Desinger zum Umgang der Kirche mit dem Thema Sterbehilfe auf Verlangen.

Das Thema ist so alt wie die Menschheit selbst. Selten demonstrierten Kirche und Staat Seit an Seit Einigkeit bei der Fürsprechung für das Verbot aktiver Sterbehilfe. Dennoch bleiben einige Aussagen nebulös und im Ungefähren. Superintendent Matthias Harke vom Kirchenkreis an Nahe und Glan ist wahrscheinlich Superintendent, weil er klare Kante zeigt und einen starken Satz in der Diskussion sagte: »Zu Recht sollten Menschen, die im Einzelfall die Gewissensentscheidung träfen, bei einem Suizid zu helfen, straffrei bleiben. Klare Kante Bei so einem sensiblen Thema, bei dem es um todkranke Menschen und unerträgliche Schmerzen geht, darf die Kirche ihre Sicht niemals so rigoros vertreten, dass sie sich damit als Begleitung der Menschen disqualifiziert«. Chapeau! Viele seiner oft konservativen Schäfchen und auch angesehene Palliativmediziner lehnen assistierte Sterbehilfe kategorisch ab. Warum eigentlich? Nun, Angehörige könnten den Tod beschleunigen, um etwa zeitiger ans Erbe zu gelangen, ist eine Haltung. Tod auf Verlangen nicht nötig?
Neulich habe ich eine Reportage über einen Arzt im Fernsehen gesehen, der sterbenden Menschen im Einzelfall auf deren Wunsch tödliche Medikamente bereitstellte. Die dem Tode Geweihten nahmen sie oft gar nicht, weil sie die Sicherheit hatten, im Notfall könnten sie mit ihrem Leben abschließen. Besagter Arzt fährt nun nicht mehr seine Runden zu den Sterbenden, denn er darf es qua Gesetz nicht mehr. Er will sich natürlich nicht strafbar machen. Wenn man Kirchenvertretern und Robert Gosenheimer, dem Oberarzt der Kreuznacher Palliativstation im Krankenhaus St. Marienwörth Glauben schenken darf, ist der Tod auf Verlangen nicht nötig. Schmerzlindernde Mittel würden meist ausreichen. Doch was will der Patient mit schmerzlindernden Mitteln, wenn er nicht mehr kann, nicht mehr will? Diese Diskussion wird wohl noch andauern . . .


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