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Klaus Desinger

Wollen einen Pfahl in die Erde hauen

Um der Stadt und der Region Flügel zu verleihen und für weiteren Aufwind zu sorgen, haben einige Macher die Genossenschaft »Konsumgut« ins Leben gerufen. Wer und was dahintersteckt, darüber sprachen wir mit dem Vorstand und Unternehmer Sascha Spindler.
Sascha Spindler (li.) und Peter Wenzel bilden den Vorstand der neu gegründeten Genossenschaft Konsumgut.

Sascha Spindler (li.) und Peter Wenzel bilden den Vorstand der neu gegründeten Genossenschaft Konsumgut.

Sie sind derzeit dabei, in der ehemaligen Weltbild-Filiale einen „Genussladen“ einzurichten. Was wird dort angeboten?

Ja genau, einen Style- und Genussladen. Wir haben einerseits heimatnahe Lieferanten für Koch- und Tischkultur, Schmuck, Feinkost-Spezialitäten und edle Weine gewonnen, wollen dort aber auch weitere Geschenkartikel und viele andere Dinge anbieten, die man in unserem Geschäft neu entdecken kann. Mittelpunkt wird ein Bistro sein, in dem man gemütlich seinen Kaffee genießen kann oder sich morgens auch einmal zu einem Glas Sekt mit Freundinnen trifft. Natürlich werden wir dort auch Croissants oder Kuchen anbieten.

Was können wir uns genau unter der neu gegründeten Genossenschaft Konsumgut vorstellen?

Wir wissen alle, wie schwer es ist, ein Konzept für ein komplett neu zu etablierendes Einzelhandelsgeschäft in einer Fußgängerzone – egal wo – zu finden. Richtig schwer wird die Sache, wenn es an die Beschaffung von Kapital geht. Banken scheuen in der jetzigen Situation jegliches Risiko oder die Zinsen sind so hoch, dass die Finanzierung nicht zu bewältigen ist. Daher ist die Genossenschaft genau das richtige Instrument, um ein solches Projekt zu stemmen, denn wir sammeln Kapital von möglichst vielen Gleichgesinnten ein, verteilen die Last und das Risiko somit auf viele Schultern. Dieses Genossenschaftsmodell erspart sich hohe Zinsen. Es kann gedeihen und wenn die Sache dann richtig gut läuft, bekommt jedes Mitglied eine Dividende – die dann hoffentlich höher ausfällt, als die derzeitigen Zinsen auf dem Kapitalmarkt. Eine Win-Win Situation für beide Seiten.

Sie legen Wert auf hochwertige und regionale Produkte, wie etwa von Villeroy & Boch sowie Fissler. Glauben Sie an eine breite Käuferschaft für solche Waren in der Obersteiner Fußgängerzone?

Genau diese Frage habe ich leider erwartet. Mal zur Gegenfrage: Warum denn nicht in der Obersteiner Fußgängerzone? Meinen Sie denn, die Idar-Obersteiner könnten sich diese Marken nicht leisten? Die Einwohner im Einzugsgebiet Idar-Oberstein sind doch finanziell nicht schlechter gestellt als die Menschen in Berlin, Hamburg, Mainz oder Saarbrücken? Genau das ist Dreh- und Angelpunkt, warum hier alles schlecht geredet wird. Solche Fragen zeigen doch, dass unserer Region nichts mehr zugetraut wird. Wenn wir keine interessanten Geschäfte in der Fußgängerzone etablieren – dann wird auch sicher niemand kommen. Deshalb müssen wir genau das jetzt anpacken. Zusammen mit Modepark Röther wollen wir hier einen Pfahl in die Erde hauen. Immer wenn es öffentliche Fördertöpfe gibt, kommen externe Berater und Stadtplaner um die Ecke, die unseren Räten und Ausschüssen dann das 25. Konzept vorschlagen. Die Mittel sind dann weg, was bleibt sind tolle Pläne, die aber niemand umsetzen will. Jetzt werden wir es versuchen – trotz aller Schlechtredner und Querulanten. Idar-Oberstein ist eine hervorragende Stadt mit touristisch einmaligen Attraktionen – und auf Basis dieser Werte müssen wir nun endlich einmal handeln. Und glauben Sie mir, um noch einmal zurück auf Ihre Frage zu kommen, im Einzugsgebiet der Obersteiner Fußgängerzone leben genügend Menschen, die sich Fissler, Villeroy & Boch und Co. leisten können.

Der Vorstand besteht aus dem Unternehmer Sascha Spindler und dem Verwaltungsmann Peter Wenzel. Hört sich nach einer guten Ergänzung an?

Ich könnte Ihnen jetzt erzählen, welche strategischen Hintergedanken wir bei der Besetzung des Vorstandes hatten – aber ich darf Ihnen sagen – es war einfach nur purer Zufall. Peter Wenzel ist ein erfahrener Verwaltungsmann mit Verbindungen in die Stadt- und Kreisverwaltung. Das ist sicherlich bei vielen Dingen von Vorteil bei diesem Projekt.
Mich kennt man in der Region durch meine Aral-Tankstellen und die Jochen Laub Autohäuser in Kusel und Idar-Oberstein. Meine Aufgabe besteht darin – auch über Netzwerke in die Wirtschaft und Kontakte zu vielen Menschen der Region – unternehmerische Kompetenz einzubringen, um die Genossenschaft von Beginn an auf gesunde Füße zu stellen. Sie finanzieren Ihr Projekt mit Anteilsscheinen, die die Bürger/innen oder Firmen erwerben können. Ein erfolgreiches Modell?

Ob das Modell erfolgreich ist, fragen Sie uns bitte noch einmal in fünf Jahren. Aber das Modell ist erfolgreich,  wenn es um das Einsammeln von Kapital geht. Wir sind auf sehr gutem Weg und hoffen, dass wir das Eigenkapital von 100 000 Euro bis zum 31. Januar zusammengetragen haben.

Wie können interessierte Bürger/innen an Konsumgut teilhaben?

Indem Sie auf unsere Internetseite gehen (www.konsumgut-eg.de, Anm. der Red.), das Mitgliedsformular ausdrucken, ausfüllen, unterschreiben und uns zuschicken. Ab 100 Euro kann man Anteile kaufen.
Genossenschaftsmitglieder werden dann natürlich auch Einkaufsvorteile genießen. Die Zahlung ist einmalig und es entstehen keine zusätzlichen Kosten oder Gebühren. Auch haben wir die Nachschusspflicht in Paragraf 40 auf der Seite 29 der Satzung ausgeschlossen.
Also zusammenfassend  kann man sagen, dass sich jeder Bürger ohne großes Risiko beteiligen kann.

Was war das bisher schwierigste bei der Umsetzung Ihres Projektes?

Den richtigen Zeitpunkt zu finden, um an die breite Öffentlichkeit zu gehen. Wir müssen von einem Projekt erzählen und überzeugen, von dem wir genau genommen noch nicht wissen, ob es überhaupt stattfinden wird. Denn ohne das genannte Eigenkapital werden wir nicht starten.
Aber zwischenzeitlich sind wir sehr, sehr zuversichtlich, dass wir unser Ziel erreichen.

Welche sind Ihre weiteren Pläne nach der Etablierung des Kaufhauses?

Darüber hinaus haben wir vorerst keine weitschweifenden Pläne. Zuerst muss dieses Geschäft rentabel funktionieren, dann kann man über weitere Dinge nachdenken.

Vielen Dank für das nette und aufschlussreiche Interview! (Die Fragen stellte Klaus D. Desinger) Kommentar Vorausschauend agieren! Von WochenSpiegel-Redakteur Klaus D. Desinger Initiativen, Ideen und Initialzündungen sind stets positiv zu bewerten, und zwar immer dann, wenn sich eine Stadt oder Region für die Zukunft aufstellen will und muss. Da sind es oft Einzelne, die sich als Ideengeber und Initiatoren (zunächst) gegen Widerstände stemmen müssen - Visionäre, Macher. Voller Elan und Begeisterung. Wenn sich diese Einzelnen zusammenschließen, wie bei der neu gegründeten Obersteiner Konsumgut-Genossenschaft, dann könnte daraus etwas werden. Aber bei aller Freude und allem Optimismus müssen die Initiatoren auch kritikfähig bleiben.
Gibt es genug Kaufkraft in Idar-Oberstein, wo Kaufhäuser wie Kik, NKD oder Woolworth wie Pilze aus dem Boden schießen? Auf jeden Fall, sagt Konsumgut-Vorstand Sascha Spindler. Wir wünschen es ihm und der Genossenschaft natürlich.
Bis Ende des Monats muss diese 100 000 Euro eingesammelt haben, sonst stirbt das ehrgeizige Projekt. Verzeihung, aber einen Kritikpunkt habe ich noch: Aus meiner Sicht wird das Vorhaben zu wenig beworben, zu wenig bekannt gemacht. Denn wer schaut schon einfach mal so auf der Konsumgut-Facebookseite, geschweige denn auf der Homepage vorbei? Wer weiß von dem Unterfangen?
Ich finde, hier müssten vorausplanend und im großen Stil alle Medien, alle Kanäle eingebunden und nicht erst auf Nachfrage reagiert werden. Wir hoffen, mit unserem Interview auf der Titelseite heute dazu unseren Beitrag geleistet zu haben und drücken zum Gelingen des ehrgeizigen Projektes fest die Daumen. Denn: funktioniert das Vorhaben, dann verschwinden auch weitere Leerstände in den Innenstädten.
Also, Bürger von Idar-Oberstein, denkt mal darüber nach! Vielleicht ist jetzt eine gute Zeit, das Zaudern und Zweifeln zu lassen und mitzumachen.


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