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Miteinander leben und einander verstehen

Klatschende Menschen am Hauptbahnhof in München empfangen Flüchtlinge - Plakate mit der Aufschrift »Refugees welcome« werden in die Luft gereckt: Die sogenannte "Willkommenkultur" ist auf dem Höhepunkt. Ein Jahr danach hat sich vieles geändert: Aus dem Phänomen dabeisein zu müssen, ist bei nicht wenigen Zurückhaltung und Ablehnung geworden. Aber es geht auch anders: ein Beispiel gibt es in und um Kaisersesch.

Das Netzwerk "Chancen für Flüchtlinge - Von Mensch zu Mensch", das von der Pfarreiengemeinschaft Kaisersesch getragen wird, hat, so Hiltrud Weiler, zwar auch ein bewegtes Jahr hinter sich, aber die Bilanz fällt insgesamt positiv aus. "Es wird unglaublich viel Gutes getan - vieles auch im Verborgenen", sagt die Netzwerkerin. Behördengänge und Anträge ausfüllen gehört zu den am häufigsten nachgefragten Hilfsangeboten. Das hat sich nicht geändert, wenngleich die Balkanflüchtlinge, die 2015 das Gros der Asylsuchenden Menschen stellten, mittlerweile in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Rund 140 Flüchtlinge - vornehmlich aus Afghanistan, Eritrea, Syrien und Somalia - haben zurzeit in der VG Kaisersesch ein zu Hause. "Gut ist, dass viele mittlerweile Sprach- beziehungsweise Integrationskurse machen können", stellt Weiler zufrieden fest. Das gelte auch für die Unterbringung in den Gemeinden. In den Dörfern sei das Engagement weiterhin hoch. Viele Helferinnen und Helfer sind auch seit einem Jahr mit dabei. Diese Kontinuität mache sich bemerkbar. Wenn die Flüchtlinge die Sprache besser beherrschen, stärke das auch die persönliche Beziehung. Die Bereitschaft zu helfen sei nach wie vor sehr groß. Mit dem "Café International" und dem Fahrrad-Reparaturservice in Kaisersesch gebe es zwei gute Beispiele für das Zusammenleben. Dabei werden die Flüchtlinge zwar an die Hand genommen, um erste Schritte zu ermöglichen, aber sie werden auch gefordert. Ein Beispiel ist die Mobilität: "Wir können sie nicht überall hinfahren. Sie müssen selbst aktiv werden und sich um die Busverbindungen kümmern", so Diakon Michael Przesang. Wenn allerdings Meldungen, wie die Festnahme eines Flüchtlings nach einem Mord in Freiburg, die Runde machen, sind die vornehmlich jungen Männer "durch den Wind und sie haben Angst", wie es Hiltrud Weiler formuliert. Wie reagieren die Menschen in der Region auf solche Meldungen? Das ist die entscheidende Frage für die asylsuchenden Menschen. Asylanträge von Afghanen würden seit einiger Zeit verstärkt abgelehnt, was für die Betroffenen eh‘ schon sehr belastend sei. "Meistens wird versucht über Widerspruch und Klage dagegen anzugehen, aber ich befürchte, dass viele wohl in den kommenden Wochen und Monaten werden ausreisen müssen. Für die Betroffenen selbst tragisch und für die deutschen Unterstützer ebenfalls eine sehr belastende Situation, da oft freundschaftliche Beziehungen und Vertrauensverhältnisse entstanden sind", erzählen der Diakon und Hiltrud Weiler. Fotos: Pauly


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