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Das ist ein Tunnel voller Geheimnisse

Für Guido Pringnitz ist das Gelände am ehemaligen Portal des Treis-Bruttiger Tunnels ein großer Abenteuerspielplatz gewesen. Er ist mit den Trümmern des nach dem 2. Weltkrieg gesprengten Bauwerks »groß geworden«, so der heute 51-jährige Treis-Kardener, den der Tunnel und seine Geschichte seit seiner Kindheit nicht losgelassen hat. Mit der Renaturierung des Geländes und dem Beseitigem der Trümmer wuchs in ihm der Drang alles zusammenzutragen, was er über den Tunnel in Erfahrung bringen konnte.

Auf mehr als 400 Seiten hat Guido Pringnitz die bewegte Geschichte des Treis-Bruttiger Tunnels unter dem Titel »Deckname: ,Zeisig‘« dokumentiert. Gebaut, um auch auf der rechten Moselseite eine Eisenbahn zu etablieren, wurde das Vorhaben nach dem 1. Weltkrieg nicht weiter verfolgt. Was blieb war ein Tunnel, der zur Champignonzucht diente und der erst im 2. Weltkrieg einer neuen Nutzung zugeführt werden sollte. Die dunkelste Geschichte des Bauwerks stand bevor: Im Tunnel sollte die Rüstungsindustrie einen sicheren Produktionsort haben. »Bosch« sollte hier Zündkerzen für Flugzeuge herstellen. Dafür musste das Bauwerk hergerichtet werden: eine Aufgabe für Häftlinge des elsässischen Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof. Mehr als 2.000 waren es von März bis September 1944 im »Außenlager Kochem-Bruttig-Treis«, das in der Dokumentation von Guido Pringnitz einen großen Raum einnimmt (im Buch ist eine Liste von 1.527 Häftlingen aus 17 Nationen hinterlegt). Pringnitz schildert mit der Hilfe von zahlreichen Quellen, die er in den vergangenen zehn Jahren zusammengetragen hat, das Leid und das Schicksal der Zwangsarbeiter von denen viele an Entkräftung oder Auszehrung starben, aber wohl auch gewaltsam zu Tode kamen, denn es gab auch Tote, die von der SS zur Einäscherung nach Mainz gebracht wurden. Durch das Vorrücken der Alliierten wurde das Vorhaben einen Rüstungsbetrieb anzusiedeln, letztlich nicht umgesetzt. Den Verantwortlichen der SS wurde in Rastatt der Prozess gemacht. Sie kamen jedoch mit glimpflichen Strafen davon. Auch das hat Pringnitz dokumentiert. Die Portale und Teile des Tunnels wurden 1947 gesprengt, um den Zugang zu verhindern, den es für Ortskundige aber trotzdem noch gab. »Das Lager auf der Treiser Kipp« war zwar verschwunden, aber es blieb den Menschen in der Erinnerung, auch wenn nicht viel darüber gesprochen wurde.
In Pringnitz rumorte es. Er wollte das seit der Kindheit Erlebte in Worte fassen. Der Impuls für das Buch war gesetzt. »Man hat ja nichts mehr von dem Tunnel gesehen und dementsprechend stieg bei mir die Neugier.   Als der Tunnel zu war, wurde er Ort für viele Gerüchte und mein Wissensdurst wurde immer größer. Ich habe Dokumente und Fotos mit Aussagen von Zeitzeugen verglichen, wollte aber auch kein Hörensagen niederschreiben, sondern habe nach Quellen gesucht«, erzählt Pringnitz, der unter anderem Einsicht in das Archiv der Deutschen Bahn, der Firma Bosch und des United States Holocaust Memorial Museum bekam. Bei letzerem half ihm sein Neffe, der bei einem USA-Besuch für ihn Kopien von Originalen anfertigen durfte. Darüber hinaus konnte Pringnitz auch die Aufzeichnungen von Bruder Erhard Anderer aus dem Kloster Ebernach nutzen, der »Cochems schwerste Stunden« von Dezember 1943 bis zum Mai 1945 in einem Tagebuch niedergeschrieben hat. Für den Autor auch ein wichtiger Aspekt, um die Geschichte rund um den Tunnel einzuordnen. Dass die Landeszentrale für politische Bildung sich mit seinem Buch beschäftigt und die Rechercheergebnisse bereits gelobt hat, macht Guido Pringnitz auch ein bisschen stolz.
»Das Buch ist jetzt gedruckt und es gibt schon eine ganze Reihe an Vorbestellungen«,   erzählt der Treiser, der es in den nächsten Wochen auch in seinem Geschäft - »Castorlädchen« - anbieten will. Das Buch kostet 24,80 Euro.
Weitere Informationen gibt es im Internet:
www.treiser-tunnel.de Fotos: Pauly / privat


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