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Die Antwort ist "Never again!"

Julius und Ida Harf haben in Bullay gelebt, gearbeitet und getanzt. Das sind die Worte ihres Sohnes Walter, die an diesem Tag von ihrem Enkel David Gerhard bei der Verlegung von Stolpersteinen vor dem ehemaligen Wohnhaus in der Bahnhofstraße in Bullay verlesen werden.

Das Schicksal der Familie Harf bewegt. Einzig der durch die Bahnhofstraße fließende Verkehr durchbricht die andächtige Ruhe als Gunter Demnig sieben Stolpersteine verlegt. Fünf Schüler des Technischen Gymnasiums Wittlich hatten bereits vor Monaten den Kontakt zu Walter Harf (Jahrgang 1928) gesucht. Ihnen hatte der Senior seine Kindheitserlebnisse geschildert, die Judith Esser und eine Klassenkameradin bei der Stolperstein-Verlegung vortrugen. Berührend, als sie schilderten, dass der junge Walter plötzlich nicht mehr mit seinen Freunden spielen durfte... Für den Bullayer Ortsbürgermeister Matthias Müller ist es der Tag, um um Entschuldigung zu bitten. "Wir sind schuldig, weil wir unseren jüdischen Nachbarn nicht geholfen haben, als sie unsere Hilfe gebraucht haben", so Müller. "Mir fehlen die Worte, um auszudrücken, wie dankbar ich denen bin, die das ermöglicht haben", zitiert David Gerhard Harf seinen Vater, der die Frage nach dem warum das alles geschehen ist mit einem eindrucksvollen "Never again!" beantwortete. Bewegende Momente, im Besonderen auch für die Nachfahren der Bullayer Harfs, die eigens aus den USA angereist waren. Gustav (*1872) und Karolina Harf (*1884), Arthur Harf (*1905) Gustav war in dritter Ehe mit Karolina Harf, geborene Bermann, verheiratet. Aus seiner zweiten Ehe mit Julie Harf, geborene Weissmann, gingen die Kinder Erna, Julius und Arthur hervor. Gustav Harf betrieb eine Metzgerei in Bullay, die sein Sohn Julius später übernahm. Im Ersten Weltkrieg war er Unteroffizier. Gustav Harf, und an dieser Stelle schließt sich der Kreis der Geschichte, war der letzte Vorsteher der Synagogengemeinde Zell. Nach der Reichspogromnacht 1938 musste er die Synagoge zwangsweise verkaufen. Harf, so berichtete es sein Enkel Walter vor kurzem Schülern aus Zell und Umgebung, hielt Hitler und die Nazis offenbar lange nur für eine "vorübergehende Erscheinung" - eine tödliche Falle. Zusammen mit weiteren Juden aus dem Umkreis, denen die Flucht nicht gelungen war, wurden Gustav und Karolina Harf 1942 nach Theresienstadt deportiert. Beide wurden in Treblinka ermordet. Tochter Erna wandert bereits vor Kriegsbeginn mit ihrem Mann in die USA aus, ebenso wie Sohn Julius mit seiner Familie. Der jüngste Sohn Arthur verlässt Bullay um die Jahreswende 1935/36 und lebt später mit seiner Frau in Brasilien, wo er 1995 stirbt. Julius (*1899) und Ida Harf (*1900), Inge (*1926) und Walter Harf (*1928) Julius Harf trat als Metzger und als Händler von Fellen und Häuten in die Fußstapfen seines Vaters Gustav und betrieb mit seiner Frau Ida einen Betrieb in Bullay. Das Ehepaar bekam zwei Kinder, Inge und Walter. Mit der Machtergreifung der Nazis werden aus einstigen Kunden Feinde. Dem Aufruf - "Kauft nicht bei Juden" - folgen auch viele Bullayer. Das Ziel der Nazis ist klar: Die jüdische Familie soll in den Ruin getrieben werden. Propaganda und Anzeigen gegen den Metzger setzen der Familie immer mehr zu. 1937 wird sogar ein Gerichtsverfahren gegen Julius Harf eingeleitet. Noch im gleichen Jahr flieht er mit seiner Familie in die USA, muss seine Eltern und seine Heimat zurücklassen, um Frau und Kinder zu retten. Fotos: Pauly


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