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Nachtschicht: "Ein Kind hat hier noch keiner gekriegt ..."

Sie sind im Dienst, wenn andere schlafen oder sich den Strapazen des Nachtlebens hingeben, sie haben schon so manchen vor dem Führerscheinverlust bewahrt: Die Busfahrer der Stadtwerke Trier (SWT). Einer von ihnen ist Michael K. Seine Spezialität: Der Spätdienst.

Rund 130 Fahrer sind bei den Trierer Stadtwerken angestellt. Pro Jahr befördern sie mit ihren Fahrzeugen circa 16 Millionen Fahrgäste und legen damit im gleichen Zeitraum fast fünf Millionen Kilometer zurück. Unter den Fahrern gibt es wahre Nachtarbeiter, so wie Michael K., der ausschließlich die Spätdienste übernimmt. Aus freien Stücken: "Ich bin ein Nachtmensch", erklärt der 46-jährige Familienvater. Trotz hoher Beanspruchung: Konzentrationsprobleme habe er keine. "Man muss ja alle zehn Meter anhalten", sagt er. "Es gibt aber auch Kollegen, die lieber morgens fahren. Die sind dann schon um 15 Uhr zuhause." Seine Familie habe sich mit den Arbeitszeiten arrangiert. Wochenenddienste stehen für ihn ohnehin nur einmal im Monat auf dem Plan. Michael ist seit 24 Jahren Busfahrer bei der SWT. Der gebürtige Trierer machte dort zunächst eine Ausbildung zum KFZ-Elektriker. "Der Bus war dann eine Gefühlsentscheidung", erklärt er. Denn: Eine Straßenbahn gab es zum damaligen Zeitpunkt schon nicht mehr.

Nicht provozieren lassen

Aber was sind die Vorteile, dann zu arbeiten, wenn andere ihre Freizeit genießen? "Abends herrscht weniger Verkehr", sagt Michael. "Und wenn die Geschäfte geschlossen sind, wird es noch weniger." Außer am Wochenende habe er so einen vergleichsweise ruhigen Dienst. Zu den verschiedenen Trierer Festen herrscht dann aber auch nachts mehr Betrieb. Harte Vorfälle habe es bei ihm noch nicht gegeben. Zumindest nichts, was mit körperlichen Auseinandersetzungen verbunden gewesen wäre. "Manchmal hört man das eine oder andere Schimpfwort. Das geht ins eine Ohr rein und durch das andere wieder raus." In solchen Situationen kommt seine Erfahrung in Spiel. Gelassenheit ist Trumpf: "Manche Gäste sind betrunken und singen im Bus, ein Kind hat hier aber noch nie einer gekriegt", erklärt er schmunzelnd.

Es geht um Verständnis

Natürlich hat Michael auch die jüngste Diskussion über das wohlmöglich unangemessene Verhalten einiger Busfahrer mitbekommen (der WochenSpiegel berichtete). Bei dem angesprochenen Ereignis stürzte eine Frau, als sie versuchte, die sich schließende Tür mit Hilfe eines Schirmes offen zu halten. "Der Kollege hat mir den Fall etwas anders geschildert", kommentiert Michael ohne Näheres zu nennen. Ihm geht es um Verständnis: "Im Semester fährt aller fünf Minuten ein Bus. Irgendwann müssen wir losfahren. Wenn ich zu lange stehen bleibe, vergrößert sich die Verspätung und die Leute an der nächsten Haltestelle schauen auf die Uhr."

Der Bus als Hindernis

Wenn der Bus nicht gerade auf den speziell für ihn vorgesehenen Fahrstreifen unterwegs ist, muss er sich die Straße mit dem übrigen Verkehr teilen. Michael muss es gelassen nehmen: "Für Viele ist der Bus ein Hindernis. Oft werden wir vom fließenden Verkehr nicht aus den Haltebuchten heraus gelassen. Die Autofahrer wären eigentlich dazu gesetzlich verpflichtet. Aber da kann man nichts machen."

Beobachtungen

Michael fährt die Nachtbuslinie 83. Das Fahrgastaufkommen hält sich am Abend in Grenzen. Seit dem Start in Feyen sind nur wenige Fahrgäste zugestiegen. Erst in der Saarstraße wird es voller. Der Bus durchquert die Innenstadt und passiert die Treveris-Passage sowie den Hauptbahnhof. Weiter geht’s über die Domänenstraße hinauf durch das Avelertal, vorbei an der Universität. Die Route endet nach einer knappen Stunde im Neubaugebiet in Tarforst. Auf dem Rückweg steigt eine Gruppe junger Studenten ein. Es wird lauter. Einige spielen Pokémon Go. "Isch fang die ned", ruft einer von ihnen durch den Bus. Hinter ihnen sitzt eine Gruppe älterer Menschen. Sie haben große Tüten dabei, offensichtlich sind es Flaschensammler. An der Porta Nigra steigen die Pokémonjäger aus – immer noch sind sie konzentriert hinter den kleinen Monstern her. Es wird wieder ruhiger, nur die Flaschensammler und eine Hand voll weiterer Fahrgäste sind noch an Bord. Nach der letzten Haltestelle in Feyen geht es gegen 1 Uhr zum SWT-Betriebshof in der Gottbillstraße. Jeden Abend wird der Bus dort gewaschen und betankt. Rund 175 Liter Diesel hat der 13 Meter lange Bus mit seinem 300 PS starken Motor an diesem Tag verbraucht.

Gefunden

Nun kommt der letzte Akt des Tages: Ein ehrlicher Finder hatte bei Michael am frühen Abend (3. August) ein im Bus liegen gelassenes Smartphone (schwarzes iPhone 6/6S) abgegeben. "Das muss ich jetzt noch abgeben. Morgen geht das zum Fundbüro in die Treveris-Passage", sagt Michael. Dann hat auch er "Feierabend". Das Fundbüro befindet sich im Stadtbus-Center, Treveris-Passage, und ist unter Telefon 0651/717273 zu erreichen. JK


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