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Sybille Schönhofen

»Und wo bist Du geboren?« – »Auf einem Parkplatz...«

Eine Geburt ist kein Kinderspiel. Schon gar nicht, wenn sie auf einem Autositz auf einem öffentlichen Parkplatz passiert. Eine Bäckerei-Angestellte wurde in Zemmer unfreiwillig zur Geburtshelferin.
Auf diesem Parkplatz in Zemmer hat eine Amerikanerin am 31. März in den frühen Morgenstunden einen Jungen geboren.                                                                   Foto: S. Schönhofen

Auf diesem Parkplatz in Zemmer hat eine Amerikanerin am 31. März in den frühen Morgenstunden einen Jungen geboren. Foto: S. Schönhofen

Es ist der 31. März, als Tanja H. (Name von der Redaktion geändert) wie gewohnt um 4.30 Uhr zur Frühschicht die Tür zum Café Flesch in Zemmer aufsperrt. Sie ist gerade dabei, die Kaffeemaschine anzustellen, als es gegen die Fensterscheibe trommelt. Ein großer schwarzer Mann steht davor.
Die Bäckereifachverkäuferin ist zu dem frühen Zeitpunkt alleine in dem Discounter mit angeschlossener Bäckerei. »Es war stockdunkel, ich hab erstmal Panik gekriegt und die Tür zugemacht«, erzählt sie. Noch ahnt sie nicht, was sich gerade auf dem Parkplatz abspielt. Sie schaut hinaus und beobachtet, wie der Mann gestikulierend mit dem Handy am Ohr neben einem Auto steht. »Er sah so aufgelöst aus, da bin ich doch rausgegangen«, erzählt  die Verkäuferin weiter. Als sie zu ihm tritt, versteht sie nur »My wife, my wife, my baby, my baby«.  Sie schaut in das Auto: Auf dem Beifahrersitz kommt in dem Moment ein Kind zur Welt. Die Bäckereifachverkäuferin kann nicht mehr viel tun. »Das Kind war ruck zuck da.« Nach wenigen Minuten lag es auf der Brust der Mutter. »Ein Junge mit schwarzen Krussellocken, richtig süß«, strahlt Tanja H.

Baby in Handtücher gewickelt

Der Vater versuchte über Handy einen Krankenwagen zu rufen, sprach aber kein Deutsch und hatte offensichtlich Verständigungsprobleme. »Er war so aufgeregt, deshalb hab ich das Handy genommen. Die Feuerwehr sagte, ich soll Mutter und Kind warmhalten und fragte, ob es abgenabelt sei.« Damit warteten die drei aber lieber auf den Krankenwagen, der zehn Minuten später mit einem Notarzt vor Ort war. »Ich hab der Frau Wasser gebracht und sie beruhigt«, berichtet Tanja H., was bis dahin geschah.  
Sie habe das Neugeborene in Handtücher gewickelt, die der Vater aus einer Reisetasche genommen hatte. Offenbar war das Paar in der Nacht von der Geburt überrascht worden, die dann so schnell verlief, dass die Zeit nicht mehr bis ins Krankenhaus reichte. Die Mutter trug trotz der niedrigen Temperaturen in dieser Nacht nur ein knielanges T-Shirt. »Sie wirkte geschafft, aber ruhig«, erinnert sich Tanja H., die selbst zwei Kinder hat. Und was ein Zufall: einer ihrer Söhne hat am gleichen Tag Geburtstag.

Mutter und Kind wohlauf

Seitdem hat sie die amerikanische Familie nicht mehr gesehen. Dass sie in Zemmer wohnt, kann sie nur vermuten. Wenn sie zurückblickt, muss sie tief durchatmen. »Das war echt ein Erlebnis. ... Ein schönes Erlebnis«, schickt sie gleich lächelnd hinterher. Später seien die Sanitäter nochmal ins Café zurückgekommen. »Sie sagten, Mutter und Kind seien wohlauf und ich hätte alles richtig gemacht«, die Erleichterung ist ihr noch anzumerken.
»Ich hoffe, dass es dem Jungen gut geht. Es wäre schön, wenn sie mal reinkämen mit dem Kleinen«, wünscht sich die unfreiwillige Geburtshelferin. bil


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