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Ganz dicht dran an dröhnenden Motoren

»Wir sind Rennfahrer, die kein Geld haben, um Rennen zu fahren, aber trotzdem direkt an der Strecke sind«, erklärt Horst Ludl schmunzelnd. Ähnlich ist es bei Andreas Kirschner: »Mein Traum war Rennfahrer. Aber das konnte ich mir finanziell nicht leisten.«

Dennoch sind die beiden bei sämtlichen Motorsportveranstaltungen am Nürburgring mittendrin. Sie gehören dem Marshals Club Nürburgring im ADAC (MCN) an. »Wir sind mehr oder weniger die Hausstreckensicherung des Nürburgrings«, führt Horst Ludl aus Bonn, Schatzmeister des Vereins, aus. Als solche nehmen sie vielfältige Aufgaben rund um die Motorsportveranstaltungen am Ring wahr. »Wir sind genauso wichtig wie die Fahrer. Ohne uns fährt der Fahrer nicht«, sagt Ludl. Näher an die Rennstrecke als die Marshals kann man kaum kommen. Sie geben beispielsweise die Flaggenzeichen für die Rennfahrer, reinigen die Fahrbahn, bergen Fahrzeuge und löschen sie bei Bedarf. Auch sind sie als Sportrichter tätig und überwachen dabei, ob die Regeln – etwa in der Boxengasse und bei ihrem Verlassen oder in der Safetycar-Phase – eingehalten werden. Ob direkt an der Rennstrecke, im Fahrerlager oder in der Boxengasse: »Wir machen alles, was im Motorsport gemacht wird«, fasst Kirschner, der als Chiefmarshal für die Organisation der Gruppe verantwortlich ist, zusammen.
Gefragt Die Marshals verfügen sogar über ein eigenes, bestens ausgestattetes Servicefahrzeug. Und die Marshals vom Nürburgring sind auch an anderen Strecken gefragt. Es gab sogar Anfragen, Formel-1-Rennen in Baku und Abu Dhabi zu unterstützen. Rund 600 aktive und passive Mitglieder aus ganz Deutschland und darüber hinaus gehören dem Verein an. Der Bedarf ist sogar noch größer. Beim 24-Stunden-Rennen werden fast 1000 aktive Sportwarte benötigt, bei der FIA-Langstrecken-WM immerhin 370 bis 400. Gerade junge Mitglieder sind Mangelware. »Wir haben ein Durchschnittsalter von über 50 Jahren«, so Andreas Kirschner. Zwar gebe es auch 18-Jährige Aktive. Wenn junge Paare Interesse daran haben, kommen oft beide. Wenn dann eine neue Freundin aber kein Interesse daran hat, bleiben die jungen Männer meist auch weg, so die Erfahrung des Vereins. Und: »Drei Tage Regen beim 24-Stunden-Rennen sind dann nicht der wahre Jakob«, weiß Peter Schneider aus Roetgen, der schon seit 36 Jahren an der Strecke steht. Zumal es ein rein ehrenamtliches Hobby ist. Für drei Tage Veranstaltung gibt es 125 Euro. »Dabei sind wir hier sogar privilegiert, dass es eine Aufwandsentschädigung gibt«, berichtet Ludl. Woanders gebe es das nicht. Unterwegs mit Moss Trotzdem: Die Männer lieben ihr Hobby. »Alleine der Sound der Autos«, schwärmt Horst Ludl. »Ich war schon immer fasziniert vom Sound eines V8-Motors«, pflichtet Kirschner ihm bei: »Und die Renn-action erlebt man an der Strecke viel mehr als der Zuschauer.« Und an der Strecke erleben die Marshals Begebenheiten, die in Erinnerung bleiben. »Mein letzter Orgasmus war 1994, als ich mit Stirling Moss über die Nordschleife gefahren bin«, erzählt Schneider augenzwinkernd von seiner Begegnung mit der Rennfahrerlegende.
Räikkönen Auch mit Formel-1-Weltmeister Kimi Räikkönen ging Schneider bereits auf Tuchfühlung, als der Bolide des Rennfahrers in Höhe von Schneiders Streckenposten ausfiel: »Wir mussten das Auto dann von der Strecke schieben. Aber dazu brauchten wir das Lenkrad. Das müssen die Fahrer ja abziehen, wenn sie aus dem Auto steigen.« Also ging Schneider zu Räikkönen, um das Lenkrad zu nehmen. Der Finne war jedoch über seinen Ausfall verärgert und wusste im ersten Moment nicht, was Schneider von ihm wollte. Er reagierte mit einem Schlag auf Schneiders Brust. Heute kann Schneider über die Geschichte lachen. Erlebnisse, die einem niemand nimmt. »Wenn der Fahrer nach einem Ausfall dann zum Streckenposten kommt und nach Wasser fragt, kann man wieder mit ihm reden«, so Ludl schmunzelnd.
Nachwuchs gesucht Der Marshals Club Nürburgring im ADAC sucht dringend Nachwuchs. Es gebe nur »eine Handvoll« 18-Jähriger, so Andreas Kirschner. Wer Interesse hat mitzumachen, kann zunächst einen Schnupperkurs absolvieren. Dabei begleitet er ein Rennen lang einen erfahrenen Marshal aus dem Nürburgring-Club. Wer in diesem Ehrenamt tätig werden will, muss dazu eine Ausbildung absolvieren. »Die dauert einen Tag«, berichtet Kirschner. Vom Deutschen Motor Sport Bund anerkannte Schulungen führt der Marshals Club Nürburgring in Eigenregie durch. Dabei lernen die Marshals Flaggenkunde, Erste Hilfe, Bergung, Funkwesen, Brandbekämpfung und mehr. Zudem stellt der Verein seinen Marshals einen feuerhemmenden Overall nebst Handschuhen und Regenbekleidung. Mit der Sportlizenz, die die Marshals mit der Ausbildung erhalten, können sie sich auch international für Rennveranstaltungen bewerben. »Einige unserer Leute sind bei Rennen in Spa und bei den 24 Stunden von Le Mans dabei«, berichtet Kirschner. Wer Interesse hat, als Marshal an der Rennstrecke zu helfen, kann sich bei der Geschäftsstelle des Marshal Clubs Nürburgring im ADAC unter Tel. 02691-931974 oder per E-Mail unter geschaeftsstelle@mcn-nuerburgring.de melden.
www.mcn-nuerburgring.de


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