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Der Höchste seiner Art

Jede Woche ein von WochenSpiegel-Redakteuren getesteter Ausflugstipp für die Ferien: Es brodelt, es blubbert, es zischt und plötzlich knallt es! Der höchste Kaltwasser-Geysir der Welt ist ausgebrochen. In Andernach zeigt sich das seltene Naturphänomen.

Ungefähr alle zwei Stunden - beinahe so verlässlich wie ein Uhrwerk - schießt die Wasserfontäne, die an windstillen Tagen bis zu 60 Meter hoch werden kann, auf der Halbinsel Namedyer Werth in den Himmel. Damit ist der Geysir der höchste seiner Art, was ihm 2008 sogar einen Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde einbrachte. Aber nicht nur die Höhe des Wasserstrahls ist einzigartig. Die Anzahl der Kaltwasser-Geysire überhaupt ist überschaubar. Gerade einmal 20 "Ergüsse" - denn das bedeutet das Wort "Geysir" im Isländischen - sind weltweit bekannt. Auch deshalb ist ein Ausbruch ein Erlebnis für die jährlich zahlreichen Besucher, die sich zunächst vor einem unspektakulär aussehenden Steinhaufen versammeln. Doch dann beginnt es zu brodeln und nach einem Zischen zeigt der Geysir den Angereisten sein ganzes Ausmaß. Rund sechs bis acht Minuten schießt das Wasser mit einer Geschwindigkeit von bis zu 100 km/h aus der Erde. Erstaunte Ausrufe, aufgeregte Kinder, die sich von dem austretenden Wasser eine Abkühlung versprechen, und das Klicken zahlreicher Kameras. "Es ist wirklich faszinierend und so etwas Erstaunliches haben wir quasi direkt vor der Haustüre", sagt Saskia Auf der Mauer, die dem Geysir zusammen mit ihrer Familie einen Besuch abstattet. Die Kraft des Wassers Doch warum heißt es immer wieder "Wasser marsch"? Einfach ausgedrückt ist die Funktionsweise des Geysirs mit der einer übersprudelnden Mineralwasserflasche zu vergleichen: In der geschlossenen Flasche herrscht nach dem Schütteln ein erhöhter Druck. Durch diesen Überdruck ist viel Kohlenstoffdioxid (CO2) im Wasser gelöst. Wird die Flasche geöffnet, reduziert sich der Druck schlagartig, das CO2 steigt in Form kleiner Bläschen nach oben. Dabei reißt es das Wasser mit und sprudelt aus der Flasche. Anders als bei Heißwasser-Geysiren, bei denen Magma das Wasser erhitzt, ist der Ursprung des Andernacher Geysirs im Boden befindliches vulkanisches Gas oder genauer gesagt Kohlenstoffdioxid. Und natürlich schüttelt auch niemand den Geysir, damit er ausbricht. In den rund 350 Meter tiefen Bohrbrunnen strömt über Quarzadern kohlendioxidhaltiges Wasser bis er bis zum Rand gefüllt ist. Das Gewicht der Wassersäule erzeugt dabei am Grund einen Druck von etwa 35 bar. Da aber immer mehr Wasser nachströmt, erhöht sich auch der CO2-Gehalt im Brunnen, bis eine Sättigung erreicht ist. Die CO2-Bläschen steige nach oben. Dort können sie sich aufgrund der geringeren Druckverhältnisse ausdehnen, wodurch sie wiederum Wasser verdrängen. Der Geysir läuft über. Dadurch sinkt zunächst auch der Druck, doch immer mehr CO2 entgast aus dem Wasser. Ein Effekt, der immer rasanter wird, bis mehrere Meter lange Gasblasen das Wasser mit sich reißen. Erst wenn der Brunnen geleert ist, beginnt der Zyklus von erneut - etwa alle zwei Stunden. Von Menschenhand erschaffen? Doch so natürlich der Ausbruch des Geysirs auch ist, ganz von alleine ist das Brunnenrohr nicht entstanden. Erst durch gezielte Bohrungen auf der Halbinsel konnten Kohlenstoffdioxid und Wasser explosionsartig austreten. Bereits um 1900 entdeckte man, dass im Altarm des Rheins Gasbläschen aufstiegen. Um Mineralwasser zu gewinnen bohrte man nur wenige Jahre später mehr als 300 Meter in die Tiefe. Das Ergebnis: Neben der Gewinnung von Mineralwasser schoss auf der Namedyer Werth erstmals ein Geysir aus der Erde. Doch Beschädigungen des Brunnens führten dazu, dass der Geysir 1957 vorerst zum letzten Mal sprudelte. "Erst 2001 entschied man sich dazu, den Geysir zu reaktivieren. Da das Namedyer Werth allerdings 1985 zum Naturschutzgebiet erklärt worden war, mussten einige Hürden genommen werden", erklärt Geysir-Experte und Diplom-Geograph Ralf Schunk. 2005 war es dann aber soweit: Der Geysir sprudelt wieder. Unter Verschluss? "Viele Menschen denken, dass wir den Geysir regulieren würden, weil er so zuverlässig ausbricht. Doch an diesen Gerüchten ist nichts dran, es ist alles physikalisch zu erklären", So Schunk. Und auch auf die Frage, warum der Geysir weder nachts noch im Winter ausbricht, gibt es eine einfache Antwort. "Wir haben eine Verschluss-Mechanik, damit niemand etwas in den Geysir hineinschmeißen kann. Schließlich kommt alles, was einmal drin ist, auch wieder raus. Und das könnte gefährlich werden. Außerdem müssen wir darauf achten, dass der Geysir - zum Beispiel bei Hochwasser - und somit auch das Grundwasser nicht verunreinigt wird." Tipps rund um den Besuch: Der frühe Vogel zu sein lohnt sich: Der Knall beim ersten Ausbruch des Tages ist der lauteste. Wasserfeste Schuhe nicht vergessen! Das Wasser bleibt natürlich nicht in der Luft hängen. Sobald es wieder hinabfällt, läuft es auch den Weg hinab, von dem aus sich die Besucher das Naturschauspiel ansehen. www.geysir-andernach.de


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