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»Es gibt keinen Grund, Hurra zu schreien«

Am Montag dürfen Übernachtungsbetriebe wieder öffnen. Mit guten Zahlen rechnet die Branche in diesem Sommer allerdings nicht.

Üblicherweise freuen sich die Übernachtungsbetriebe im Kreis Ahrweiler zur jetzigen Jahreszeit über eine große Auslastung. Doch die vergangenen Wochen haben den Betrieben des heimischen Tourismus schwer zugesetzt. Nachdem am Mittwoch bereits die Gastronomie unter strikten Hygieneauflagen wieder öffnen durfte, darf die Hotellerie ab Montag nachziehen. Ja, es ist das Zeichen, das Christian Lindner sich gewünscht hatte. »Ich hätte mir aber sicher auch gewünscht, dass im gleichen Zug die Regeln vorbereitet worden wären. Die kamen erst freitags und so hingen wir zwei Tage in der Luft«, sagt der Vorsitzende des Ahrtal-Tourismus e.V. und Betreiber des Hotels »Villa Aurora« in Bad Neuenahr: Grundsätzlich habe der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) einen guten Job gemacht und er liefere eine gute Begleitung. Die ganzen Umsetzungsmaßnahmen der Hygienevorschriften seien nämlich vom DEHOGA und nicht vom Land gekommen, so Lindner. Der Zeitpunkt der Öffnungen sei richtig und wichtig. »Es gibt aber noch keine Gründe, Hurra zu schreien«, so Lindner. Bislang zählten die Christi-Himmelfahrt-Wochenenden mit 80 bis 90 Prozent Belegung zu den bestgebuchten Wochenenden des Jahres. »Jetzt sind es nur zehn Prozent Belegung«, berichtet Lindner. Beim älteren Publikum seien es sicher oft Ärzte und die Kinder, die aktuell von Reisen abraten. Auch Geschäftsreisende seien verhalten. »Viele arbeiten vom Homeoffice aus und die Betriebe gucken, dass sie Reisekosten sparen können«, sagt er. Das Aushängen der Regeln, Desinfektionsständer, Mitarbeiterschulungen, Einschränken des Restaurantbesuches und ähnlichem gehen natürlich auch Kosten einher. Höhere Kosten, gleichzeitig geringere Einnahmen: Rentiert sich das? »Das ist die große Frage«, sagt Lindner: »Minimalziel ist, weniger Verluste zu fahren, als wenn wir ganz schließen. Das wird nicht einfach sein. Wir sind weit weg davon, geld zu verdienen.« Zwar habe man die Möglichkeit von Stundungen genutzt, aber die Kosten seien ja nicht weg. Uwe Schindler, Mitgeschäftsführer des »RheinHotel ARTE« und des StadtHotel ARTE« in Remagen freut sich über die ersten Buchungen. Nach der Bekanntgabe der Hotelöffnungen seien sofort die ersten Anfragen eingegangen. Dennoch fahren die Hotels momentan Verluste. Ob sich die Öffnung lohnt, weiß auch er nicht. Auf 50 Prozent der üblichen Belegungen schätzt er die Zahlen für diesen Sommer – bei 120 Prozent der üblichen Ausgaben. »Das wichtigste ist aber, dass man den Gästen jetzt zeigt, dass man für sie da ist«, findet Schindler. Wichtig sei das Mentale, dann folge das Wirtschaftliche. Die Vorgaben für die Wiedereröffnung seien sowohl vom DEHOGA als auch von der Stadt Remagen sehr gut und klar gewesen. »Aus meiner Sicht ist der Zeitpunkt der Öffnungen der richtige«, sagt er: »Mir stellt sich aber die Frage, warum überhaupt geschlossen wurde. Im Hotel können wir die Abstandsregeln viel besser umsetzen als im Supermarkt. Und ob man ein Hotelzimmer bucht oder zuhause bleibt, ist jedem selbst überlassen.« »Auf jeden Fall«, sagt auch Kevin Ohm, Hotelmanager des Hotels »Blaue Ecke« in Adenau, auf die Frage, ob der Zeitpunkt der Öffnungen der richtige sei. Sonst werde es die komplette Branche in zwei Monaten nicht mehr geben. Denn richtige finanzielle Hilfen habe es nicht gegeben. Die Summen seien »ein Tropfen auf den heißen Stein« gewesen. Außerdem findet er: »Die Leute gehen einkaufen und stehen bei Ikea dicht an dicht. Das sehe ich kritischer als Besuche bei uns, wo einfacher auf Mindestabstände geachtet werden kann.« Nun gilt es, diese Hygiene- und Abstandsvorschriften umzusetzen. Im Restaurant wird auf Mindestabstände und Mundschutz geachtet, Desinfektionsständer sind aufgestellt. Die Speisekarten nehmen Gäste nicht mehr in die Hände, denn sie gibt es zur Zeit nur online. Nach jedem abgeräumten Geschirr desinfizieren die Mitarbeiter ihre Hände. Frühstück gibt es nicht mehr am Büfett, sondern nur noch »a la carte«. Den Kontakt der Gäste untereinander versucht das Hotel somit zu verhindern. Dies sind nur einige Maßnahmen, die Ohm aufzählt. Die Ausgaben steigen durch die Maßnahmen, die Einnahmen sinken. 48 Zimmer in zwei Häusern gehören zur »Blauen Ecke« und zum Schwesterhotel »Wildes Schwein«. Üblicherweise seien die Zimmer zu dieser Jahreszeit am Wochenende ausgebucht, unter der Woche sei durchschnittlich ein Haus voll belegt. Nun hofft Ohm, dass in den kommenden Monaten 20 Prozent der üblichen Belegungen gebucht werden. »Wir wären glücklich, wenn es so viele werden«, sagt er. Aber rentiert sich das noch? Kevin Ohm weiß es nicht. »Dass man da mit einem Plus rausgeht, erwartet niemand«, sagt er. Die Perspektive, die die Branche habe, seien die Reisebeschränkungen ins Ausland. So wollen die Deutschen Urlaub im Inland machen. Der größte Anziehungspunkt für die Touristen ist der Nürburgring. Deshalb trifft es die Übernachtungsbetriebe rund um den Ring besonders hart, dass die Großveranstaltungen auf der Rennstrecke abgesagt oder verschoben werden mussten. Nach aktuellem Stand sind Großveranstaltungen in Rheinland-Pfalz bis zum 31. August untersagt. Doch auch danach sei bislang nicht klar, wie viele Besucher zum Ring kommen dürfen, sagt Ohm. Das schlägt sich auf die Zimmerpreise nieder. »Wenn 50.000 bis 60.000 Gäste an den Nürburgring kommen, kann ich andere Preise verlangen als bei 10.000 Gästen«, erklärt der Hotelmanager. Preisabsprachen zwischen den Betrieben gebe es zwar nicht. »Aber ich beobachte den Markt und positioniere mich dementsprechend«, sagt er »Ich sehe positiv nach vorne. Wir haben jetzt die Perspektive, dass wir weiterarbeiten können«, sagt Günther Uhl, Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) Kreisverband Ahrweiler und Betreiber des »Hotels Krupp« in Bad Neuenahr. Mit den Vorgaben ist er allerdings nicht einverstanden. Zum Beispiel müssen Gäste bis zum Tisch eine Maske tragen, dürfen sie dort abnehmen und müssen sie wieder aufziehen, wenn sie den Tisch verlassen. In Innenräumen sei das ja verständlich, nicht aber im Freien. »Wir wissen auch noch nicht, wie wir kontrolliert werden«, sagt Uhl. Wegen der Hygienemaßnahmen könne es sein, dass es nur blanke Holztisch geben dürfe. Keine Blumen, keine Arrangements. »Wo bleibt denn da das Erlebnis? Der Wohlfühlfaktor bleibt auf der Strecke«, moniert Uhl.
Er findet, dass Hotels und Gastronomie schon früher hätten öffnen müssen: »Es war klar, dass jetzt was passieren muss. Denn auf den Peak der Erkrankten zu Ostern warten wir heute immer noch. Der wird auch nicht mehr kommen.« Problematisch sieht er, dass es in jedem Bundesland andere Öffnungstermine gibt. Ob es wirtschaftlich funktioniert, weiß auch er nicht. Aktuell seien alle in der Lernphase.  So kaufe er etwa das Material für die Küche, wisse aber nicht, ob er loswerde. Auch die Umsetzung der Maßnahmen gehen ins Geld. Schon vor der Corona-Krise habe er sich einen Bodenständer für Desinfektionsmittel gekauft. »Der hat 200 Euro gekostet. Im Internet habe ich gesehen, dass der jetzt 550 Euro kostet«, berichtet Uhl: »Aber wir müssen aufmachen, um den Gästen etwas zu bieten, denn sonst werden wir als Tourismusregion verlieren,« sagt der Kreis-DEHOGA-Chef. Allerdings werde es noch viele Insolvenzen geben. Aktuell kenne er noch keinen Fall.


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