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Zwischen Boom und leeren Betten

Corona beflügelt den Tourismus in der Region. Doch längst nicht alle profitieren vom Trend, Urlaub im eigenen Land zu machen. Im Kreis Ahrweiler gibt es Unterschiede.

"Im Rahmen der momentanen Möglichkeiten können wir zufrieden sein", lautet ein erstes vorsichtig-positives Fazit von Eva Flügge vom Weinort Altenahr e.V., was die Zahl der Touristen in der Verbandsgemeinde angeht. Besonders erfreulich sei, dass das Besucher-Klientel in diesem Jahr sehr durchmischt sei - von Familien über junge Paare bis hin zu älteren Reisenden. "Möchte man der Pandemie wenigstens ein Gutes abgewinnen, dann ist es die Tatsache, dass man in der Krise merkt, wo die eigenen Stärken und Schwächen liegen. Unsere Stärken sind ganz klar die Themen Wandern und Natur und auf die müssen wir auch in Zukunft setzen und das Angebot - wo es geht - noch weiter ausbauen", sagt die Tourismus-Expertin. Ein gestiegenes Interesse an Wandern und Radfahren, überhaupt an Outdoor-Aktivitäten, zieht sich durch den gesamten Kreis Ahrweiler. "Die Fahrradindustrie muss in diesem Jahr sehr gut verdienen", sagt Hans-Ulrich Kreuter von der Touristinformation. Für Corona-Zeiten sei am Rhein sehr viel los - erst recht seitdem die Ausflugsschiffe wieder fahren. Wander- und Radkarten seien in der Touristinformation äußerst gefragt. Das Gästeklientel im Alter "50 plus" habe sich aber nicht geändert. "In den Tourist-Informationen des Ahrtal-Tourismus in Bad Neuenahr und Ahrweiler fragt zum Beispiel jeder zweite Gast nach Informationsmaterial zu den Themen Radfahren und Wandern", bestätigt auch Dorothee Dickmanns von der Ahrtal und Bad Neuenahr-Ahrweiler Marketing GmbH. Gleiches berichten Daniela Scheffold und Marion Wamig von der Tourist-Information Hocheifel-Nürburgring: "Der Trend, dass Wander- und Radgäste die Region besuchen, hat sich verstärkt." Vor allem bei den Pauschalangeboten in diesem Bereich verzeichne das Adenauer Land eine stark gestiegene Nachfrage. Es seien sehr viele Urlaubsgäste unterwegs, besonders auch in Zeiten, die in den Vorjahren durch Veranstaltungen am Nürburgring belegt gewesen seien. Veranstaltungsflaute ist kein Grund zu stornieren Die Gäste, die durch die Absage von Veranstaltungen auf der Rennstrecke wegbleiben, fehlten der Region. Positiv sei aber, dass Gäste, die in den vergangenen Jahren zu Veranstaltungen am Nürburgring in die Region gereist seien und für dieses Jahr auch schon gebucht hatten, den Aufenthalt nicht storniert, sondern ihre Buchung für einen kurzen Urlaub genutzt hätten. Nicht nur auf dem Nürburging können Veranstaltungen in diesem Jahr aus Hygieneschutzgründen nicht in ihrer gewohnten Form stattfinden, so Dorothee Dickmanns von der Ahrtal und Bad Neuenahr-Ahrweiler Marketing GmbH. Viele Veranstalter im Ahrtal bemühten sich aber, im Rahmen des Möglichen, alternative Angebote zu entwickeln - zum Beispiel die "WeinLounges" und "Genuss am Fluss" im Kurpark Bad Neuenahr in einer angepassten Variante. In Remagen kann der "Lebendige Marktplatz" nicht stattfinden, stattdessen veranstaltet die Kulturwerkstatt jeden Samstag im August den "Musiksommer" im "Historischen Dreieck". Die Absage der Remagener Apollinaris-Wallfahrt hielt die Gläubigen nicht von einem Besuch der Kirche ab und setzte sogar neue Ideen frei. So war eine Pilgergruppe aus Lahnstein in Ruderbooten auf dem Rhein nach Remagen gekommen. Ferienwohnungen sind gefragt Bei den Übernachtungsbetrieben verzeichneten laut Dickmanns die Ferienwohnungen in den vergangenen Wochen eine sehr gute Auslastung. Das erfährt auch Ingrid Näkel-Surges, Vorsitzende des Altenahrer Verkehrsvereins: "Ich könnte aktuell jede Ferienwohnung drei Mal vermieten, so groß ist die Nachfrage und auch die jeweilige Aufenthaltsdauer hat sich deutlich verlängert. Dennoch kann man mit dem Aufwind jetzt das Minus aus den Monaten März, April und Mai nicht wieder aufholen." Aber auch im Hinblick auf die nächsten Jahre sieht Näkel-Surges die Verbandsgemeinde und das Ahrtal gut aufgestellt. "Mit dem Projekt 'Tourismus für Alle' und der Ahrtal und Bad Neuenahr-Ahrweiler Marketing GmbH sind wir in der Region bereits gut aufgestellt und es wird viel, auch im Bereich Social Media, getan. Meiner Meinung nach müssten wir den Fokus aber noch stärker auf Familien legen und uns diesem Feld in den nächsten Jahren stärker widmen." "An Geldverdienen ist noch nicht zu denken" Anders stellt sich die Lage bei den Hotels dar, wie Günther Uhl, Kreisvorsitzender des DEHOGA-Kreiverbandes Ahrweiler und Inhaber des Hotels Krupp in Bad Neuenahr-Ahrweiler, schildert: "Trotzdessen, dass sich die Lage nach der coronabedingten Schließung langsam verbessert, ist an Geldverdienen noch lange nicht zu denken." Das Buchungsvolumen liege bei gerade einmal 50 Prozent des Vorjahres, die meisten Hotels im Kreis seien weit davon entfernt, ausgebucht zu sein. "Wir und auch viele meiner Kollegen haben noch Kapazitäten frei. Von dem Boom, von dem aktuell vor allem die Küsten Deutschlands profitieren, spüren wir nichts." Besonders unter der Woche würden Übernachtungsgäste fehlen, auch weil Tagungen ausfielen und Geschäftsreisen abgesagt würden. Mit Preiserhöhungen müssten Gäste zwar nicht rechnen, die Mehrwertsteuersenkung werde allerdings nicht weitergegeben. "Wir nutzen das Geld zur Deckung unserer Kosten. Aus meinem Verständnis heraus war die Maßnahme auch zu diesem Zweck gedacht. Und ich denke, dass das Gros meiner Kollegen auch so agiert", erklärt Uhl. Viele Betriebe müssten ihre Mitarbeiter zudem immer noch in der Kurzarbeit lassen. "Die Verluste, die ich und meine Kollegen aufgrund des Shutdowns in der Corona-Zeit gemacht haben, können wir aktuell nicht wieder ausgleichen. Die Menschen sehen aber leider nicht, vor welchen Problemen wir stehen", macht der Hotleier auf die teils dramatische Lage aufmerksam. Touristiker sind schnell aktiv geworden Über schlechte Zahlen sowohl von Tages- als auch von Übernachtungsgästen kann sich die Tourismusbranche in der Eifel insgesamt hingegen nicht beschweren. "Wir hatten und haben eine starke Nachfrage nach Urlaub in der Eifel. Das kann man auch an den Zugriffszahlen auf unsere Homepage sehen: Wir hatten im vergangenen Monat 1,5 Millionen Zugriffe, das ist der höchste Wert seit es die Seite gibt", sagt Uschi Regh, Pressereferentin der "Eifel Tourismus GmbH", der Zusammenschluss der regionalen Tourismusorganisationen aus der Eifel in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Ein mögliches Minus durch den Wegfall ausländischer Touristen könne man zudem mit dem Zuwachs an deutschen Urlaubern ausgleichen, so Regh. Um die Situation zu nutzen und Touristen jetzt und in Zukunft in die Region zu locken, sind die Touristiker schnell aktiv geworden - zum Beispiel unter dem Slogan "Wieder auf Tour in der Eifel - Raus in die Natur!". "Das ist eine der direkten Marketingmaßnahmen, die eigens für die Situation an den Start gebracht wurde", erklärt Daniela Scheffold von der Tourist-Information in Adenau: "Hier haben wir direkte buchbare Angebote für Kurzreisen im Wander- und Radbereich erarbeitet sowie Aktivtage gestaltet, die der Gast sehr gut annimmt. Neue Marketingmaßnahmen im In- und Ausland in Kooperation mit der Eifel Tourismus GmbH und der Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH haben bereits zu positiven Ergebnissen geführt. Das erfahren wir in der Touristen-Information im direkten Gastgesprächen." Auch die steigenden Zahlen der Anfragen, sei es nach Übernachtungsangeboten oder zu Informationen rund um die Sehenswürdigkeiten, Wander- und Radwegen der Hocheifel, zeigten dies.


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