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Johannes Mager

Danach lechzte die Musik-Seele

Nach zwei Jahren Pause spürt man die pure Beisterung bei "Rock am Ring" mit jeder Faser. Alle Bilder gibt es hiner dem roten Button "Zur Bildergalerie".

Nürburg. Mit Superlativen sollte man generell vorsichtig sein. Aber "Rock am Ring" 2022 zeigte schon am Eröffnungstag Potenzial, in die Geschichte des Festivals einzugehen. Klar, es war das erste "Rock am Ring" nach zweijähriger viraler Pause - das zweite Mal, dass die Festivallegende zwei Jahre pausierte. Auch 1989 und 1990 fand das Festival nicht statt. Damals lag es allerdings an den geringen Zuschauerzahlen. Davon kann in diesem Jahr keine Rede sind. Laut Veranstalter sind diesmal 90.000 Besucher rund um den Ring versammelt. Auf den Bannern und Plakaten pappen groß Aufkleber, die "Sold out" verkünden. Und sie sind heiß wie Frittenfett, diese "Rock am Ring"-Jünger. Ebenso die Crew, für die es in den vergangenen zwei Jahren kaum Arbeitsmöglichkeiten gab. Und nicht zuletzt natürlich die Künstler. Letztere treffen auf ein extrem begeisterungsfähiges und äußerst aufmerksames Publikum vor den Bühnen. Wer nicht glauben mag, dass sich Rockkonzertenergie zwei Jahre lang aufstauen kann, dem sei gesagt: Doch, kann sie! Und die muss jetzt einfach raus.

Überraschung: Campino auf zwei Bühnen

Schon die erste Band des Tages - eine eher undankbare Aufgabe für Künstler - hauten den Festival-Pegel gegen die nicht vorhandene Open Air-Decke. Die Donots lieferten nicht nur selbst eine kraftvolle Show ab, sondern hatten Überraschungsgäste geladen: Die Toten Hosen aus Düsseldorf. Beide Bands intonierten gemeinsam "Hier kommt Alex" und "Schrei nach Liebe". Moment, stammt letzterer nicht aus der Feder einer anderen bekannten Band? Stimmt - dass Donots und Hosen die Ärzte-Legende raushauten, kam beim Publikum natürlich bestens an. Campinon schaute später moch beim Konzert von Marteria vorbei, um gemeinsam den Song "Scheiss Ossis" zu performen. "Gefeiert wurde einfach alles, was Töne rausbrachte. Bei den Texten von The Offspring, die mittlerweile eher zu gesetzteren Herren gereift sind und auf atemintensive Bühnenshows verzichten, zeigten sich sämtliche Publikums-Generationen sicher. Im Gegensatz zu ihrer letzten Verpflichtung bei "Rock am Ring" 2017 konnten die Broilers ihr Konzert diesmal zu Ende spielen. 2017 wurde es wegen einer Terrorwarnung frühzeitig abgebrochen. Schwer zu sagen, wer nun mehr strahlte - die Fans oder Sänger Sammy Amara. Die Songzeile "Wir bleiben die, die wir waren - Jugendliche von 40 Jahren" passte auf jeden Fall auf einen Großteil des Publikums, das eine große Altersspanne umfasst. Ungewöhnlich bei den Konzerten in diesem Jahr: Das Fahrerlager vor der "Utopia Stage" - einst "Centerstage" - war schon relativ früh richtig voll. Und die Fans feierten bis ganz hinten mit. Auch wenn das in den hintersten Reihen zur Musik nicht wirklich optimal klappte, denn der Sound war relativ leise. Bei Green Day, Headliner des ersten Abends, fiel er hinten zeitweise sogar komplett aus. Bei Ticketpreisen von zuletzt 229 Euro für das gesamte Wochenende - ohne Campen und Parken - enttäuschend.

Deutsche Acts kommen besonders gut an

Dabei lieferte Green Day ab. Die Show zwar schon zig Mal gespielt, doch wandelte sich die enorme Bühnenpräsenz von Frontmann Billie Joe Armstrong in pure Energie um. Purer Bass donnerte nachts von der Mandora Stage über das Publikum hinaus. Was bei den Songtexten von Scooter um den Lyriker H.P. Baxxter fehlte, machten die Kult-Raver mit tiefen Frequenzen wett. Da schwappte das Bier im Becher. "Was kostet denn dieses Jahr ein Bier bei ‚Rock am Ring'?", wollte denn auch Alligatoah am zweiten Festivaltag von den Fans vor der Utopia Stage wissen: "Oder besser gefragt: Hält euch der Preis davon ab, Bier zu trinken?" Bei einem Preis von sechs Euro für den 0,5-Liter-Becher musste sicher manch ein Fan schlucken - oder eben nicht. Zumal etliche Fans Probleme hatten, das kühle Nass zu bezahlen. Erstmals setzte "Rock am Ring" - seit diesem Jahr veranstaltet von der DreamHaus GmbH - auf bargeldloses Bezahlen mittels eines Armbands mit Chip. Das aber funktionierte nicht immer reibungslos. Einige Fans berichteten darüber, dass trotz Aufladung kein Geld auf dem Chip gutgeschrieben worden sei. "Wisst ihr was das Bier im Backstage kostet? Nichts", verkündete Alligatoah, der wie gewohnt (nicht nur) mit einem kreativen Bühnenbild punktete. "Ich habe euch versprochen, ich bringe die kleinen Bühnen auf die großen Bühnen zurück", rief er. Und tatsächlich stand auf der großen Festivalbühne eine kleine Festivalbühne. Das Publikum feierte das Konzert bis in die letzte Reihe. Alligatoah, Marteria, Casper, Jan Delay - überhaupt sind es die deutschen Acts, die in diesem Jahr beim Publikum besonders gut ankommen. Am Sonntag sind es vor allem englischsprachige Bands, die auf der Bühne stehen, darunter die Headliner Volbeat.

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