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Sybille Schönhofen bil

Erstwähler fragen nach

Oberstufenschüler des Willibrord Gymnasiums fühlen Parteien live auf den Zahn

Bildung, soziale Gerechtigkeit, innere Sicherheit und Außenpolitik - zu diesen Themen wollten die Oberstufenschüler des Willibrord Gymnasiums die Standpunkte der Parteien kennen lernen. Sie luden ein und Vertreter von CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/ Grüne, Die Linke und AfD kamen. Klar, gerne. Schließlich ist Wahlkampf. Luisa Schauster (18) darf am 24. September zum ersten Mal wählen. Für Jugendliche wie sie hat Sozialkundelehrerin Katharina Coniglio im Namen des Willibrord Gymnasiums Vertreter von sechs Parteien zu einem Polittalk eingeladen. Luisa Schauster hat das Zusammentreffen mit den Parteienvertreter dabei geholfen, sich klarer zu werden, bei wem sie ihr Kreuz machen wird, erzählt sie nach der Befragung der Politiker im Haus der Jugend. Zwei Stunden lang war sie selbst eine der fünf Schüler, die als Moderatoren am vergangenen Mittwoch ihre Fragen direkt an ihre Gäste richten konnten. 250 Schüler der Jahrgangsstufen 12 und 13 des Willibrord Gymnasiums lauschten den Direktkandidaten für den Wahlkreis Bitburg Patrick Schnieder (CDU), Jan Pauls (SPD), Jürgen Krämer (FDP), Katharina Penkert (Die Linke), Beate Härig-Dickersbach (AfD) und der Bundestagsabgeordneten Tabea Rößner, Direktkandidatin der Grünen im Wahlkreis Mainz. Der Schule geht es darum, die Oberstufenschüler für Politik zu interessieren und sie zu motivieren, zur Wahl zu gehen. Politik nicht anderen zu überlassen, sondern Zukunftsfragen mitzugestalten. Das erklärt Schulleiter Andreas Merzhäuser während auf der Bühne die Redner Platz nehmen. Dann wollen die Schüler wissen: "Was ist für Sie soziale Gerechtigkeit?" Hier sind sich alle einig, es geht um Chancengleichheit durch faire Löhne, sichere Arbeitsplätze und Bildung. Schnieder will, dass kleinere und mittlere Einkommen steuerlich entlastet werden, Krämer plädiert für eine Zentralisierung der Bildung, Pauls ist für kostenfreie Bildung von der Kita bis zur Uni, und Härig-Dickersbach will ein allgemeines Grundeinkommen für jedermann.

Herausforderung Rentenkonzept

Leon Schmitz (17) fragt konkreter: Wie die Politik Gerechtigkeit in der Rente herbeiführen wolle. Schnieder verweist auf eine Expertenkommission, die sich Gedanken machen werde, wie das Problem nach 2030 lösbar sei. Bis dahin sei das gesetzliche Rentensystem gesichert. Er sieht die Lösung in einem Mix: Rentenniveau anpassen, Steuerlast erhöhen und Lebensarbeitszeit noch bis jenseits der 67 verlängern. Zusätzlich müsse die private Vorsorge und die betriebliche Rente gestärkt werden. Härig-Dickersbach schlägt eine Grundrente von 1000 Euro vor. Das Geld dafür sei da, wenn nicht so viele Steuern verschwendet würden. Krämer hält das für "abstrus" und plädiert für ein flexibles Renteneintrittsalter und eine Erhöhung des Zinssatzes, ansonsten sei private Altersvorsorge gar nicht denkbar. Pauls wiederholt den Vorschlag der SPD, das Rentenniveau bei 48 Prozent und den Beitragssatz bei 22 Prozent einzufrieren. Die daraus resultierende Lücke bei der Finanzierung müsse mit Steuergeldern, beispielsweise über eine Managersteuer, aufgefüllt werden. Rößner kritisiert die Finanzierung der Mütterrente und der Rente ab 63 aus den Beiträgen und fordert, das Geld aus Steuermitteln bereit zu stellen. Zudem seien die Grünen für eine Garantierente oberhalb des Existenzminimums und plädierten wie die SPD für eine Bürgerversicherung, wo alle in einen Topf zahlen. Dafür ist auch Penkert und ergänzt: "Das Lohnniveau muss erhöht werden."

Geteilte Meinung zum föderalen Bildungssystem

Die Schüler schwenken zur Bildungspolitik. Einig sind sich alle Parteienvertreter, dass Bildung der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft ist. An der Frage, ob Bildung weiter Ländersache sein sollte, scheiden sich die Geister. Rößner ist eindeutig dafür, dass der Bund mehr Einfluss bekommt. Auch Krämer ist für eine bundespolitische Regelung und auch Penkert ist klar gegen das föderale Bildungssystem. Pauls und Schnieder dagegen wollen daran festhalten. Dass Bildung Ländersache bleiben sollte, findet auch die AfD-Vertreterin. "Sonst sind wir dem ideologischen Wahnsinn ausgeliefert", formuliert Härig-Dickersbach als Begründung.

Anständige Räume vor technischer Hochrüstung

Zur Digitalisierung, die die FDP zu einem ihrer Kernthemen gemacht hat, bemerken die Schüler kritisch: "Wäre es nicht sinnvoller die Räumlichkeiten der Schulen zu verbessern, bevor man über Digitalisierung nachdenkt?" Die Kritik verläuft im Sande, was folgt ist ein allgemeines Polit-Plädoyer über die Wichtigkeit digitaler Kompetenz. Wechsel zur Außenpolitik und die Rolle der Bundeswehr: Luca Zwank will wissen, ob die Parteien für Auf- oder Abrüstung sind. Schnieder erklärt: "Wir müssen unseren internationalen Verpflichtungen nachkommen." Dafür müsse die Bundeswehr besser ausgestattet werden. Das sieht auch Pauls so, der bis vor kurzem Berufssoldat war. "Ich habe unter fehlender Ausrüstung gelitten", so der SPD-Neuzugang. Rößner holt weiter aus. Militärische Einsätze und Entwicklungsarbeit müssten im richtigen Verhältnis stehen, um Krisenländer zu stärken. Penkert ist komplett gegen Auslandseinsätze: "Wir bomben keinen Frieden herbei", so ihr Credo. Der Schüler Luca Zwank setzt dagegen: "Terroristen verstehen die Sprache der Gewalt" und leitet über zu der Frage, wie der Terror effektiv bekämpft werden könne. Penkert schlägt Entwicklungsarbeit vor, "damit wieder funktionierende Systeme herrschen". Rößner weiß, was nicht hilft: "Es gibt keine Sicherheit durch Videoüberwachung und Vorratsdatenspeicherung." Pauls sieht die Dringlichkeit im Schutz der Außengrenzen und fordert mehr Polizisten. Diese verspricht auch der Noch-Koalitionspartner CDU. Krämer will Abschiebungen konsequenter umsetzen und Härig-Dickersbach ist dafür, die Grenzkontrollen verschärfen.

Flüchtlingsthema erhitzt Gemüter

Nur bei einem der Themen steigt das Erregungspotential unter den Kontrahenten merklich: bei der Frage, warum die Parteien das Thema Flüchtlinge im Wahlkampf nicht aufgreifen. "Das Thema steht für die Menschen nicht im Vordergrund", behauptet Schnieder. Daher wolle man es auch nicht "künstlich hochziehen". Pauls findet die Ausklammerung "unverantwortlich". Krämer stützt Schnieder: "Das Thema interessiert nicht so sehr." Rößner behauptet das Gegenteil. Und Härig-Dickersbach bezeichnet die Medien als "manipulativ" in der Flüchtlingsfrage. Am Ende steht die Frage von Nils Köhl (18), der wie viele seiner Mitschüler zum ersten Mal wählen wird: "Warum sollten wir sie wählen?" Darauf folgen Schlagworte: "Weil wir Strukturen aufbrechen", sagt die AfD. "Weil wir die Partei der jungen Leute sind", sagt die FDP. "Weil wir eine gute und solide Politik gemacht haben und das Land voranbringen", sagt die CDU. "Weil wir für Zukunft, Gerechtigkeit und Europa stehen", sagt die SPD. "Weil wir für Nachhaltigkeit und Vielfalt sind und die Lebensgrundlagen erhalten", sagen die Grünen. "Weil wir uns für Frieden und gerechte Steuern einsetzen und man mit uns keine Angst vor Altersarmut haben muss", sagt die Linke. Die Schüler Leon Schmitz und Valentin Issaenko sind mit den Aussagen der Politiker zufrieden. Sie sähen nun klarer, wen sie wählen würden, sagen beide 17-Jährige. Und auch die Schule hat ihr Ziel erreicht. Ihr ging es darum, "Schüler zum Engagement zu bewegen", äußert sich Schulleiter Andreas Merzhäuser. Dass das gelungen ist, hat die Veranstaltung gezeigt. bil


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