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Sybille Schönhofen (bil)

Kinderpornografie: Angeklagter erhält milde Strafe

120.000 Aufnahmen von Kinderpornographie im Besitz - Oberstaatsanwalt, Verteidiger und Richter kennen keinen Fall dieser Größenordnung. Am Mittwoch verhandelten sie über einen 56-jährigen Angeklagten aus dem Eifelkreis. Er erhielt Bewährung.
120.000 Aufnahmen von Kinderpornographie hat sich ein Mann aus dem Eifelkreis aus Tauschbörsen im Internet runtergeladen. Foto: Pixelio/ R. Sturm

120.000 Aufnahmen von Kinderpornographie hat sich ein Mann aus dem Eifelkreis aus Tauschbörsen im Internet runtergeladen. Foto: Pixelio/ R. Sturm

Zu einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilte das Bitburger Amtsgericht am Mittwoch einen 56-jährigen Mann aus dem Eifelkreis wegen Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie.
Es erinnert an einen Krimi: Fahnder von Interpol Schweiz nehmen im Internet Kontakt zu einer anonymen Person auf, die sich in einer Tauschbörse für Kinderpornographie bewegt. Sie können die IP-Adresse herausfinden und darüber den Klarnamen desjenigen ermitteln, auf den der PC angemeldet ist. Es ist eine Frau aus der Verbandsgemeine Bitburger-Land. Die Sonderermittler aus Bern informieren die deutschen Behörden. Polizisten klingeln kurz darauf an der betreffenden Tür. Hausdurchsuchung. Das war im Mai 2017. Die Beamten nehmen den Computer, eine externe Festplatte und CD-ROMS mit. Darauf finden sie 120.000 Dateien mit Kinderpornografie. Wie sich herausstellt heruntergeladen von dem 56-jährigen Diplom-Ingenieur, der mit seiner zweiten Ehefrau in diesem Haus lebt.
Am Mittwoch stand er in Bitburg vor Gericht. Der Vorwurf: Besitz und Verbreitung kinderpornografischer Schriften. Keiner der Prozesbeteiligten hatte je einen Fall in dieser Größenordnung. »30.000  Bilder war das Meiste im Bereich des Landgerichts Trier«, so Oberstaatsanwalt Thomas Albrecht.  Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Udo May erzählt der während der dreistündigen Verhandlung sehr wortkarge  Angeklagte mit leiser Stimme, er habe vor einem Jahr damit angefangen, sich für Kinderpornos zu interessieren.  Er selbst hat drei Kinder und auch Enkel. Oberstaatsanwalt Albrecht macht klar: »Diejenigen, die Bilder runterladen, schaffen einen Markt, um Kinder zu missbrauchen.« Der Prozess stößt aufgrund des »hochemotionalen Themas«, wie Richter Udo May es nennt, auf  großes öffentliches Interesse. Trotzdem  verläuft die  Verhandlung sachlich und ruhig. Einzige Gefühlsäußerung, als einer der Schöffen laut hörbar und tief durchatmet, während er mit Richter May und einer zweiten ehrenamtlichen Richterin eine Dokumentation mit Aufnahmen aus dem Bestand des Angeklagten durchsieht.

»Ich kann mir nicht erklären, warum ich das gemacht habe. Würde aber gerne wissen, warum.« Der Angeklagte


Letztlich werden nicht alle Bilder der unüberschaubar großen Menge als strafrechtlich relevant eingestuft. Richter May schätzt, dass 20 Prozent ins Gewicht fallen. Kein Ermittler und kein Richter haben sie alle durchgesehen. Das erledigten spezielle Softwareprogramme.
Der Angeklagte überlässt das Reden seinem Anwalt aus Essen, spezialisiert auf »Sex and Drugs«, wie dieser seine Tätigkeit beschreibt. Nach seiner Darstellung der Lage fasst Richter May zusammen: »Sie haben in einem Parforce-Ritt die Anklage bestätigt.« Tatsächlich ist der Angeklagte voll geständig. Sein  Anwalt spricht von einem »Bereich unerklärlicher Sexualität«. Sein Mandant  habe bereits einen Termin bei der Psychotherapeutischen Ambulanz der Justiz (PAJu) in Trier vereinbart. Er wolle herausfinden, warum er  die Grenze von der Pornografie zur Kinderpornografie überschritten habe.  »Ich kann mir nicht erklären, warum ich das gemacht habe. Würde aber gerne wissen, warum«, sagt er selber.
Sein Anwalt berichtet aus seiner Praxis, dass es häufig Männer seien, denen das niemand zutraue. In der Regel zwischen 40 und 60 Jahre alt, aus allen sozialen Schichten.  Die Konsumenten hätten leichtes Spiel an riesige  kostenlose Datenmengen  heranzukommnen, von denen die meisten aus Russland kämen. »Über Tauschbörsen verbreitet es sich wie die Pest im Mittelalter«, so Richter May.
Den Urhebern müsse das Handwerk gelegt werden, fordert der Essener Verteidiger Clemens Louis. Darauf ging auch der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung ein. »Es ist ein Unding, dass man sich außerhalb des Darknet hier im offiziellen World Wide Web illegales Material beschaffen kann.« Mit Blick auf den  Angeklagten fügt er hinzu: »Die gute Nachricht ist, dass man nicht anonym und unentdeckt bleibt.«
Im vorliegenden Fall ließe der Strafrahmen drei Jahre zu und zudem werden Freiheitsstrafen von über einem Jahr nur selten auf Bewährung ausgesetzt. Das Gericht zeigt aber Milde und folgt darin  dem Oberstaatsanwalt. Besonders wohlwollend hat beide gestimmt, dass der Angeklagte bereits einen Therapietermin hat. Zudem attestieren ihm alle eine gute Sozialprognose. »Sexualität mit Kleinkindern oder Babys  habe ich nicht gesehen«, hält May ihm noch zugute. Und: »Ganz schlimme Bilder konnten nicht festgestellt werden.«
Die Anmerkung des Polizisten, der für die elektronische Prüfung der Dateien zuständig war, dass sichergestellte Videos eindeutig sexuellen Missbrauch  zeigten, greift das  Gericht nicht auf.  Für das Strafmaß sei es nicht relevant, erläutern Oberstaatsanwalt und Verteidiger in einer Prozesspause.
Der Angeklagte nahm das Urteil an. Worte des Bedauerns äußerte er keine. Die Strafe ist verbunden mit der Auflage, 3500 Euro  an den Weißen Ring zu zahlen und eine Therapie zu machen. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgelegt.   Sybille Schönhofen


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