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Sybille Schönhofen (bil)

»Prüm, Zentrum meiner Erinnerung«

Die Kritiker haben ihn als einen der besten deutschsprachigen Schriftsteller erkannt: Norbert Scheuer, 1951 in Prüm geboren. Er dürfte der aktuell berühmteste Prümer sein.
Norbert Scheuer bei einer Lesung im November in der Synagoge in Wittlich. Für den Autor spielen Prüm und die Eifel eine bedeutende Rolle. Foto: S. Schönhofen

Norbert Scheuer bei einer Lesung im November in der Synagoge in Wittlich. Für den Autor spielen Prüm und die Eifel eine bedeutende Rolle. Foto: S. Schönhofen

Norbert Scheuer ist Lyriker und Romancier. Er lebt im kleinen Örtchen Kall in der Eifel und sein Name schwirrt durch die größten deutschen Presseorgane. Erst kürzlich war er mit seinem jüngsten Roman "Winterbienen" für den Deutschen Buchpreis nominiert, stand auf der Shortlist desselben, auf die es nur die sechs besten Bücher schaffen, und erhielt den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis 2019. Seine Romane spielen in der Eifel, so auch "Winterbienen". Der Roman schildert das Kriegsgeschehen, das 1944 die Eifel erreicht. Während über der Eifel Bomber kreisen, bringt der Epileptiker Egidius Arimond als Fluchthelfer jüdische Flüchtlinge in präparierten Bienenstöcken über die Grenze. Auf diese Weise kommt er an Geld für seine benötigten Medikamente. Der Stoff des Romans basiere auf historischen Tatsachen, erzählt Norbert Scheuer bei seiner Lesung im November in Wittlich. "Viele Eifeler Bauern brachten Juden nach Belgien." Ein Merkmal des Autors Norbert Scheuer ist die Verbindung seiner Lyrik und Romane mit der Provinz. So hat er aus Kall, das etwa 50 Kilometer nördlich von Prüm gelegen ist, einen literarischen Ort gemacht. Auf die Bitte, für den WochenSpiegel seine Sicht auf seine Geburtsstadt Prüm zu schildern, hat der Schriftsteller mit diesen Worten geantwortet: "Ich bin in Prüm in der Spiegelstraße, damals 'Café Arimond' aufgewachsen, ging in Prüm in den Kindergarten und bin später immer wieder gerne zurückgekehrt, um meinen Onkel Jakob Arimond und meine Oma Gertrud in der Gaststätte an der Spiegelstraße zu besuchen. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass meine Mutter sich aus ihrem Elternhaus und der Stadt, die sie sehr liebte, vertrieben fühlte, durch seltsame Konstellationen des Schicksals. Welche Bedeutung der Ort für mich hat, sehen Sie daran, dass in allen meinen Romanen die Familie Arimond eine Rolle spielt. Ich erinnere mich an ein Gemälde: eine kleine Kapelle auf dem Kalvarienberg mit einem Einsiedler, von dem es in einem meiner Romane heißt, dass er der Stammvater der Familie Arimond sei, erinnere mich an Markttage, die Besuche mit meiner Großmutter in der Basilika, die Sandalen von Jesus, die amerikanischen Soldaten, das Trockeneis, das wir für den Bierkeller bei Caspary holten, an Bauern in unserer Gaststätte, an die Gerberei, den Philosophenpfad, erinnere mich an die mäandernde Prüm mit schroff am Ufer aufragenden roten Sandsteinfelsen. Ich glaube in allen meinen Büchern spielt die Eifellandschaft und Prüm eine bedeutende Rolle; es ist der Ort, von dem aus für mich alles in die Welt hinausgreift. Daher ist für mich Prüm kein kleines unbedeutendes Städtchen, sondern vielmehr das Zentrum meiner Erinnerung." Sybille Schönhofen Zur Person Vita Norbert Scheuer wurde 1951 in Prüm geboren. Nach einer Lehre zum Elektriker studierte er physikalische Technik und Philosophie. Bis 2017 arbeitete Scheuer als Systemprogrammierer bei der Telekom. Der Autor lebt in Kall in der Eifel. Romane: "Winterbienen" (2019), "Am Grund des Universums" (2017), "Die Sprache der Vögel" (2015), "Peehs Liebe" (2012), "Überm Rauschen" (2009), "Kall, Eifel" (2006), Flußabwärts (2002), "Der Steinesammler" (1999) Jüngste Auszeichnungen: 2019 erhielt Scheuer für den Roman Winterbienen den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis und gelangte erneut auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises.


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