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Christian Thielen

Tragisches Unglück beim Dampfspektakel: Angeklagte schuldig gesprochen

Er war ein begeisterter Fan von historischen Eisenbahnen. Dieses Hobby bezahlte der 17-Jährige aus dem Westerwald mit seinem Leben, als er beim Dampfspektakel in Ulmen von einer Lok erfasst wurde. Jetzt standen die Verantwortlichen vor Gericht.

Monatelang hatte sich Sven (Name geändert) auf das Dampfspektakel in Ulmen gefreut. Jeden Abend wälzte er Schulungsmaterial über die historischen Kolosse. "Er hat andauernd davon gesprochen", erinnern sich seine Eltern, "das war für ihn wie für andere vier Wochen Karibikurlaub". Sie wissen nicht, in welche Gefahr sich ihr 17-jähriger Sohn damals begibt. Niemand ahnt es. Heute ist es schreckliche Gewissheit. Am Ostersamstag 2010 kam Sven bei einem tragischen Unfall in Ulmen ums Leben. Zweieinhalb Jahre später vor GerichtZweieinhalb Jahre später sitzen die Eltern im Amtsgericht Cochem drei Männern gegenüber, bei denen die Staatsanwaltschaft die Schuld für das Unglück sieht. Die 36, 44 und 56 Jahre alten Angeklagten aus Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sind allesamt "Hobbybahner", die an diesem Tag für verschiedene Bahnvereine ehrenamtlich im Einsatz sind. Sven war zwei von ihnen als Heizer-Azubi zugeteilt. Den Eltern geht es nicht um die Höhe der Strafe. Doch sie möchten, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Dass sie wachgerüttelt werden und erkennen, "was für Ungetüme sie bewegen", so der Vater. "Sowas darf nicht nochmal passieren", sagt Svens Mutter. Richter Wilfried Johann zieht die Verantwortlichen zur Rechenschaft. Am Montag fiel das Urteil: Geldstrafen für den Lokführer, der den Unfallzug lenkte (150 Tagessätze à 50 Euro). Ebenfalls zu Geldstrafen verurteilte Johann den Heizer und einen weiteren Lokführer (60 Tagessätze à 40 Euro), in dessen Obhut sich Sven an diesem Tag befand. In einer aufwendigen Beweisaufnahme hatte das Gericht vergangene Woche Zeugen und Sachverständige befragt. Und dennoch bleiben viele Ungereimtheiten. Bei der Wartung eines Zuges wird der 17-Jährige überrolltRückblick: Am 3. April 2010 bemerkt der Lokführer von Dampfzug "N 11" einen technischen Defekt an der Zugmaschine. Offenbar ist ein Druckventil abgerissen, das im Ulmener Bahnhof ersetzt werden soll. Auf einem Abstellgleis wird die Reparatur ausgeführt. Mit dabei sind neben dem Lokführer auch der Heizer von "N 11", die nun auf der Anklagebank sitzen, und Sven. "Wir haben uns in trügerischer Sicherheit gefühlt", berichtet der 44-Jährige Heizer vor Gericht. Denn der örtliche Betriebsbeamte habe ihnen versichert, dass ein entgegenkommender Zug Verspätung habe.    Gemeint ist Dampfzug "N 16", der sich in Daun mit einiger Verspätung  in Richtung Ulmen in Bewegung setzt. Seine geplante Ankunftszeit ist 13.52 Uhr. Auf der Strecke kann der Lokführer jedoch einiges an Zeit gutmachen. Kurz vor Ulmen bemerkt er zwei Personen auf dem Gleisbett. "Ich habe Signal gegeben", berichtet er. Als die beiden Personen keine Reaktion zeigen, betätigt er die Pfeife dauerhaft. Das fatale daran: Der 44-jährige Heizer und Sven können das Signal offenbar nicht hören, denn sie sind gerade mit der Dichtigkeitsprobe des ersetzten Ventils beschäftigt. Jede Menge Dampf steigt aus dem Kessel. Sven tritt einen Schritt zurück. Fast zur gleichen Zeit leitet der Lokführer von "N 16" eine Schnellbremsung ein. Zu spät. Der tonnenschwere Zug erfasst den 17-Jährigen wenige Meter später. Sven erliegt später im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. Zeuge beschreibt SicherheitsmängelEiner, der das Unglück miterlebt, ist Richard M. (Name geändert). Der Westerwälder ist als Schaffner beim Dampfspektakel mit dabei. Als Zeuge schildert er vor Gericht seine Eindrücke, die deutlich machen, dass es bei der Veranstaltung Sicherheitsmängel gab. Er sieht, dass einige Besucher sich im Gleisbett befinden. "Ich habe ihnen gesagt, dass gleich ein Zug einfährt", erinnert er sich. Auch Kinder hätten sich zwischen den Gleisen befunden. "Da klingeln bei mir sämtliche Alarmglocken", erzählt der Zeuge. Mit seinem Handy macht er einige Aufnahmen. Eine davon zeigt Lokführer, Heizer und Sven "bei der Arbeit". Es ist das letzte Bild, das den 17-Jährigen lebend zeigt. Mangelnde Sorgfaltspflicht: Das ist, was Staatsanwältin Melanie Stühn den "Ausbildern" von Sven zum Vorwurf macht. Sie hätten die Arbeiten nicht genügend gesichert. "Sie hätten ihn niemals in die Gleise schicken dürfen", gibt sie zu bedenken. Beim Lokführer des Unglückzuges sieht sie ebenfalls den Vorwurf der fahrlässigen Tötung bestätigt. Er sei zu schnell in den Ulmener Bahnhof eingefahren und habe die Bremsung zu spät eingeleitet. Für alle Angeklagten forderte sie Haftstrafen zur Bewährung.  Fehler in der Organisation und Sicherung des Ulmener Bahnhofs machten die Verteidiger der Angeklagten als Grund für das Unglück aus und forderten deshalb Freisprüche.


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