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Abschied nach 55 Jahren in die Freiheit

Wenn man mit 62 Jahren noch einmal um das Amt des Städteregionsrates kandidiert, vertagt man den Schritt in den Ruhestand ein wenig freiwillig. Und doch freut sich Helmut Etschenberg neun Jahre später besonders auf eines: Freiheit.

Nach 55 Dienstjahren – beginnend mit der Ausbildung beim Kreis Aachen, 15 Jahren als Stadtdirektor von Monschau, fast 20 Jahren als Kreisdirektor beim Kreis Aachen und seit 2009 als Städteregionsrat – wurde Helmut Etschenberg nun aus seinem Amt verabschiedet. »Mein bisheriges Leben war von vielen Pflichten und Verpflichtungen geprägt - künftig geht es mir ums Leben und Erleben«, stellt der 71-Jährige in seiner Abschiedsrede fest. Er sei dankbar für das viele Glück, das ihm in seinem beruflichen Leben beschieden sei. »Selbstbestimmt abtreten zu können erfüllt mich mit Freude, und lässt Wehmut außen vor.« »Wir Aachener schenken Ihnen für diesen Tag unseren Krönungssaal. Ein größeres Zeichen der Wertschätzung können wir Ihnen nicht geben.« Dankbare und versöhnliche Worte des Aachener Oberbürgermeisters Marcel Philipp zum Auftakt der Abschiedszeremonie für Städteregionsrat Helmut Etschenberg. Verlässlich und partnerschaftlich habe Stadt und Städteregion Aachen in den letzten neun Jahren unter Etschenbergs Führung zusammen gearbeitet. »Das Erreichte dürfen wir zurecht als zufriedenstellend bezeichnen«, so Philipp aus Sicht der Kaiserstädter. »Sie haben wie kein Zweiter für diese einmamlige Form der kommunalen Organisation gekämpft«, zollt Ministerpräsident Armin Laschet dem scheidenden Städteregionsrat unterdessen seinen Respekt. »Keiner gibt gerne etwas ab«, weiß der Christdemokrat an der Spitze Nordrhein-Westfalens, dass es schwierig sei, Zusammenarbeit einzufordern und Synergien zu nutzen, wenn dafür jemand anders Kompetenzen abgeben müsse. Doch nicht nur zwischen den zehn Kommunen in der Städteregion Aachen, oder aber mit den Nachbarkreisen habe er gute Kontakte gepflegt, sondern auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit gefördert. Dies bestätigte auch Jos Som, Bürgermeister von Kerkrade. Als Dank brachte Som, der ebenfalls Ende des Jahres in Ruhestand tritt, die Verdienstmedaille der niederländischen Grenzstadt mit, die er Etschenberg verlieh. In einer mitreißenden, zweisprachigen Rede stellte Som die wichtigste Frage Europas in den Mittelpunkt: »Was ist es uns wert?« Man könne nicht stets Aufwand und Nutzen gegeneinander aufwiegen, sondern müsse überlegen, was wichtig sei für ein gutes Zusammenleben in Europa - gerade in einer Grenzregion wie der hiesigen.

Analytisch und wertschätzend

Von großem Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung sei auch die Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung Köln als »Aufsicht« geprägt gewesen, unterstrich schließlich Gisela Walsken, die gemeinsam mit Armin Laschet die »Entlassurkunde« an Etschenberg überreichte. Diplomatie, Eleganz, Beharrlichkeit, Souveränität, Toleranz und Kreativität seien auf Etschenberg zu vereinen, versicherte Georg K. Helg, Alterspräsident im Städtreregionstag. »Ihr analytischer Blick auf das Ganze, aber auch die Gabe, jedem Gesprächspartner das Gefühl zu geben, besonders wichtig sein, hat Ihnen viele Türen geöffnet«, so der FDPler, der zu Beginn der politischen Arbeit Etschenberg nicht gerade wohlgesonnen gegenüberstand. »Als das neue Gebilde Städteregion, das viele Menschen bis heute nicht verstanden haben, vor dem Aus stand, haben Sie den gordischen Knoten durchschlagen«, zeigte sich Helg dankbar. »Wir haben viel über den Weg gestritten, waren uns im Ziel aber immer einig«, versicherte Helg. Und der neue Weg Etschenbergs ist der hin zu mehr Freiheit und Freizeit, wie nicht zuletzt Jupp Eberts Interpretation von Marius Müller-Westernhagens Kulthit »Freiheit« erkennen ließ.


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