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Eifel wird von Aachen adoptiert

»Es sind drei Männer, die gemeinsam in Aachen das notwendige Gewicht haben, wenn es um unsere Probleme geht.« So warben Peter Heinen (Simmerath), Willi Schmitz (Roetgen, Lammersdorf) und Hans Georg Weiss (Monschau) um Wählerstimmen beim ersten Urnengang des neuen Kreises Aachen im Frühjahr 1972.

»Die gesteckten Ziele können nur mit vereinten Kräften erreicht werden: Der Ausbau unserer Kindergärten, die Erweiterung und Modernisierung der Schulen stehen gleichrangig mit dem Bau und der Erweiterung von Altersheimen und Krankenhäusern. Bessere Straßen sind Voraussetzung für eine erfolgversprechende Fremdenverkehrspolitik sowie für die Schaffung und Erhaltung krisenfester, ortsnaher Arbeitsplätze. Dazu ist unserer wertvollen Vereinsarbeit ein wichtiger Platz einzuräumen...« Forderungen und Versprechen, die ein halbes Jahrhundert alt sind und doch auch heute noch im Wahlkampf offenes Gehör finden würden.

Traum vom Eifelkreis geplatzt

Am 1. Januar 1972 trat das »Aachen Gesetz« in Kraft, das die kommunale Neugliederung im Raum Aachen regelte. Der Kreis hatte sich mit seinen Vorstellungen zur Bildung eines »Regionalkreises« nicht durchsetzen können. Auch der Kreis Monschau, dem bevölkerungsmäßig kleinsten Kreis des Landes NRW, der sich gemeinsam mit dem Kreis Schleiden und den Gemeinden Veytal, Bad Münstereifel, Nideggen und Abenden zu einem »Eifelkreis« zusammenschließen wollte, fand in Düsseldorf kein offenes Ohr.
Die Einwohnerzahl des neuen Kreises vergrößerte sich nur um ca. 5000 Personen auf 286.000 Einwohner, aber die Fläche nahm von 335 auf 560 Quadratkilometer zu.  Verwundert war man über den eigenartigen Zuschnitt des neuen Kreises, der laut Landesregierung vor allem deshalb entstanden war, da man den wirtschaftsstarken Norden mit dem wirtschaftsschwachen Süden verbinden wollte und damit die Gewähr für einen Ausgleich der Interessen und die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse bestand.
Die Gebietsreform traf die Bürger im Monschauer Land in ihrem Selbstverständnis am schwersten. so sprach Landrat Hans Georg Weiss vom Monschauer Kreis als einem »liebgewordenen Kind, das sozusagen als Adoptivkind im Kreis Aachen aufgenommen werde,« Monschau erhoffte sich Fördermittel zur Strukltuverbesserung aus dem Kreishaushalt, wies einen jährlichen Fehlbetrag von 5 Millionen DM aus und war bis 1990 auf den kommunalen Ausgleichsstock des Landes angewiesen.

Gebiets- und Verwaltungsreform

Das »Aachen-Gesetz« leitet das Neugliederungsverfahren in Nordrhein-Westfalen ein. Die Zahl der kreisangehörigen Gemeinden verringerte sich von 2335 auf 373, der kreisfreien Städte von 38 auf 23 und der Kreise von 57 auf 31.
Der erste Kreistag des neugebildeten Kreises Aachen trat am 9. Mai 1972 zusammen. Ihm gehörten 24 Christdemokraten und 23 Sozialdemokraten an. Erster Landrat wurde Prof. Dr. Edmund Tersluisen (CDU), sein Stellvertreter Hans Georg Weiss. In den über 200 Jahren seit der Einteilung des Rheinlandes in Kreise als Verwaltungseinheiten hat sich viel verändert. Neben den Aufgaben haben sich auch der Gebietszuschnitt und die Anzahl der Städte und Gemeinden stark verändert. Als wichtigste Zäsuren seit 1816 sind die beiden Weltkriege zu nennen, aber ebenso die kommunale Neugliederung zum 1. Januar 1972 und die Gründung der StädteRegion Aachen am 21. Oktober 2009.

Von Tersluisen bis Meulenbergh

Mit der Wahl von Dr. Edmund Tersluisen zum neuen Landrat hatte ein Generationswechsel eingesetzt, er war über 20 Jahre jünger als sein Vorgänger Leonhard Lennartz (SPD) - das war schon 1969 geschehen, den Tersluisen stand zunächst dem Landkreis Aachen vor. Das bestimmende Thema der Jahre 1969, 1970 und 1971 war die bevorstehende Neugliederung.  Der Kreistag plädierte in der Gesetzgebungsphase 1970 für die Bildung eines »Regionalkreises«.
Die Landesregierung konnte von den Vorteilen eines »Regionalkreises« nicht überzeugt werden. Am 15. Juni 1971 unterbreitete die Landesregierung einen Vorschlag, der bis auf einige kleinere Änderungen bereits die Gestalt der neuen administrativen Einheiten im Aachener Raum zeigte. Anfang Dezember 1971 herrschte Klarheit über die strittigen Bereiche des Neugliederungsraumes im Kreis Aachen. Kohlscheid und Roetgen blieben im Kreis Aachen und Kornelimünster und Walheim kamen zur Stadt Aachen. Zwischenzeitlich war darüber diskutiert worden, Roetgen, Walheim und Kornelimünster zu einer Gemeinde zusammen zu fassen. Doch das scheiterte am »Kirchturmdenken« und Interessen der Stadt Aachen. Der neue Kreis Aachen setzt sich 1972 aus folgenden Gebietsteilen des »alten« Kreises Aachen zusammen: Städte Alsdorf, Eschweiler, Herzogenrath, Stolberg und Würselen sowie die bisher selbständigen Gemeinden Bardenberg, Broichweiden, Gressenich, Hoengen, Kinzweiler, Kohlscheid, Merkstein, außerdem die Orte Breinig und Venwegen der ehemaligen Gemeinde Kornelimünster und der Ort Bank der ehemaligen Gemeinde Richterich. Das Gebiet des ehemaligen Kreises Monschau wurde bis auf die Orte Schmidt und Vossenack, die ehemalige Gemeinde Laurenzberg komplett in den neuen Kreis Aachen eingegliedert. Aus dem ehemaligen Kreis Jülich wurden die ehemaligen Gemeinden Bettendorf, Dürwiß und Lohn in den neuen Kreis Aachen eingebunden. Aus dem ehemaligen Kreis Düren kam das Gebiet der ehemaligen Gemeinde Weisweiler zum Kreis Aachen.
Aus dem ehemaligen Kreis Schleiden wurde der Ort Einruhr dem Kreis Aachen zugeordnet.
Die ehemaligen Gemeinden Oidtweiler, Puffendorf und Setterich des ehemaligen Selfkantkreises Geilenkirchen-Heinsberg wurden in den Kreis Aachen eingegliedert, wobei die Gemeinde Baesweiler zur Stadt erhoben wurde und ebenfalls zum Kreis Aachen kam. Zum 1. Januar 1972 wurde das Gesetz zur kommunalen Neugliederung des Aachener Raumes, das »Aachen Gesetz«  wirksam. Der bisherige Landrat Dr. Edmund Tersluisen wurde von der Landesregierung als Beauftragter für die Wahrnehmung der Aufgaben des Kreistages, des Kreisausschusses und des Landrates eingesetzt. Zusätzlich wurde ein Beirat gebildet, der je aus sieben Mandatsträgern von SPD und CDU bestand. Der ehemalige Oberkreisdirektor des Kreises Monschau, Georg Stieler, nahm kommissarisch die Geschäfte des Oberkreisdirektors des »neuen« Kreises Aachen wahr. Die ehemalige Kreisverwaltung des Kreises Monschau wurde in eine Nebenstelle des Kreises Aachen umgewandelt. Die politischen Verhältnisse veränderten sich nach der ersten Kommunalwahl des »neuen« Kreises Aachen nur geringfügig. Der Wahl zum ersten Landrat der neuen Körperschaft Kreis Aachen stellten sich Dr. Tersluisen für die CDU und der SPD-Kreistagsabgeordnete Hans Ferner. Mit nur einer Stimme Mehrheit gewann Dr. Tersluisen die Abstimmung. Zum stellvertretenden Landrat wurde der bisherige Landrat des Kreises Monschau, Hans Georg Weiss gewählt.  Am 2. Oktober 1972 beschloss der Kreistag einstimmig Wappen, Siegel und Flagge des alten Kreises Aachen weiterzuführen. Ebenfalls 1972 konnte ein Erweiterungsbau am Aachener Kreishaus (heute Gebäudeteil D) fertiggestellt werden. Die Neugliederung hatte auch für die regionale Sparkassenlandschaft einige Folgen. Ende 1972 stimmte der Kreistag zu, dass die Kreissparkasse Monschau in der Kreissparkasse Aachen aufging. Außerdem wurden die Geschäftsstellen den veränderten Gebietszugehörigkeiten angepasst.
Nach Inkrafttreten des Rettungsgesetztes 1975 richtete der Kreis im gesamten Kreisgebiet Rettungswachen ein und schaffte ein flächendeckendes Rettungssystem, das es ermöglichte jeden Notfallpatienten in fünf bis acht Minuten zu erreichen. Da die Neugliederung die Zuständigkeit des Kreises im Bereich des Berufsschulwesens bestätigt hatte und der Kreis 1974 auch zum Träger der Sonderschulen für Geistigbehinderte ernannt worden war, wurde der Ausbau des Berufs- und Sonderschulwesens zum Schwerpunkt der Arbeit des Kreises für die nächsten Jahre. Zunächst wurde ein umfangreicher Schulentwicklungsplan erarbeitet, der die Grundlage für ein umfangreiches Investitionsprogramm bildete.


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