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Vom »Stift« zum Museumsleiter

»Wenn es aufwendiger Handsatz war, dann hat man Stunden für eine einzige Seite gebraucht.« Unvorstellbar klingen die Worte von Bernhard Roder, wenn er an die Arbeiten der Setzerei im Druckhaus Weiss Anfang der 1970er Jahre erinnert. Der 63-Jährige war der erste Auszubildende, der seine Lehre zum Schriftsetzer am neuen Standort des Familienunternehmens im Imgenbroicher Gewerbegebiet antrat. Das war am 1. August 1972.
Bernhard Roder hat vor fast 50 Jahren als erster Auszubildender seine Lehre am neuen Imgenbroicher Standort des Medienhauses Weiss begonnen. Seit kurzem ist er Rentner und führt Interessierte im Druckereimuseum in die Geheimnisse der »Schwarzen Kunst« ein. Foto: WI

Bernhard Roder hat vor fast 50 Jahren als erster Auszubildender seine Lehre am neuen Imgenbroicher Standort des Medienhauses Weiss begonnen. Seit kurzem ist er Rentner und führt Interessierte im Druckereimuseum in die Geheimnisse der »Schwarzen Kunst« ein. Foto: WI

»Ich wollte ins Handwerk oder in die Industrie, habe mich mit meinem Vater vorgestellt und hatte den Job«, erinnert sich Bernhard Roder. »Damals gab es noch keine Einstellungstests, wir waren doch noch Kinder«, lacht er. Mit Winkelhaken und Setzkasten ausgestattet erlernte Roder das Schriftsetzer-Handwerk. »Ich brauchte einen Hocker, um an alle Buchstaben im Bleisatz-Kasten dran zu kommen«, war Roder doch zu Beginn seiner Lehre nicht mal 1,50 Meter groß. Mit Hand- und Maschinensatz wurden die Teile zusammengebaut, die später zu einer Zeitungsseite zusammen gefügt wurden oder aber kleine Druckerzeugnisse wie Plakate oder Trauerkarten ergaben. »Die Fahrt zur Berufsschule war ein reines Abenteuer«, so Roder. Als er am Schulgebäude am Blücherplatz in Aachen ankam, das noch Spuren des Zweiten Weltkriegs zeigte, wurde es dem 14-Jährigen, der behütet in Höfen aufgewachsen war, mulmig. »Ein Höfener, der bei der Post in Aachen arbeitete, hat mich mitgenommen, in der ersten Stunde wurde ein Diktat geschrieben. Das war damals noch genauso wichtig wie Raumaufteilung oder Typografie«, kann Roder im Nachhinein schmunzeln.

Kleinakzidenz und Digitaldruck

In den 1980er und 1990er Jahren waren in der Setzerei teilweise bis zu 80 Personen beschäftigt, damals waren Skalpell und Typomaß die wichtigsten Werkzeuge, um die Vorlage für eine Druckseite zu erstellen. Roder selbst hatte zwischenzeitlich seinen Meister gemacht und baute die Kleinakzidenz im stetig wachsenden Druckhaus auf. Hergestellt wurden dort Gelegenheitsdrucksachen in kleiner Auflage wie Prospekte, Broschüren, Flugblätter, Visitenkarten, Speisekarten, Trauer- und andere Familiendrucksachen.
Später wurde Roder Leiter der Werbeabteilung, in den 2000er Jahren baute er parallel den Digitaldruck auf. Dieser macht Stückzahlen ab einem Exemplar möglich, eignet sich dafür perfekt aufgrund seiner Geschwindigkeit und kostengünstigen Umsetzung. Außerdem ist mit ihm praktisch jedes Format möglich, angefangen bei der Visitenkarte, über Flyer, Broschüren, Fotobücher und Plakate bis hin zu großformatigen Postern, Rollups oder Backlits. Roder hat in seiner beruflichen Laufbahn als Ausbildungsbeauftragter für die technischen Berufe im Hause Weiss mehr als 50 junge Schriftsetzer und Mediengestalter durch ihre Lehre begleitet. »Es hat sich vieles verändert und doch ist die Arbeit in der Medienbranche genauso spannend, vielfältig und abwechslungsreich wie vor 50 Jahren«, versichert Bernhard Roder, der seit Anfang November seinen Ruhestand genießt. Verbunden bleibt er dem Hause Weiss jedoch auch weiterhin, wird er doch das Druckereimuseum Weiss ab dem nächsten Frühjahr leiten und mit Fachkompetenz und Engagement die Gäste in die Geheimnisse der »Schwarzen Kunst« einführen.


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