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"Die Hemmschwelle auf den Fußballplätzen sinkt"

Wenn die Schiedsrichter auf den Fußballplätzen in der Region mal wieder wegen eines Foulspiels, einer Tätlichkeit oder einem anderen Fehlverhalten die Rote Karte zücken, sich ein Trainer oder gar ein Zuschauer danebenbenimmt, kommt er mit seiner Mannschaft ins Spiel: Günter Kimmling ist Vorsitzender der Bezirksspruchkammer im Westen des Fußballverbands Rheinland.

Sonntagabends, gegen 18 Uhr: Während sich viele gemütlich auf der Wohnzimmercouch räkeln und vor dem Fernseher dem »Tatort« entgegenfiebern, läutet bei Günter Kimmling häufig das Telefon: Schiedsrichter, die am Nachmittag irgendwo auf den Plätzen der Eifel-Mosel-Hunsrück-Region in einer der Jugend-, Frauen- oder Männer-Bezirksligen im Einsatz waren, kontaktieren pflichtgemäß den Spruchkammervorsitzenden, um ihm ihre Entscheidung näher zu erläutern, wenn es zum Beispiel irgendwo einen Platzverweis gab. »Es geht um eine erste Information. Die schriftliche Stellungnahme folgt dann bis zur Wochenmitte«, berichtet Kimmling. Aus diesen Schilderungen und den Aussagen des oder der involvierten Vereine und deren Spielern muss er sich dann ein Bild machen und gemäß der Strafordnung des Fußballverbands Rheinland ein Urteil fällen. In umfangreicheren Fällen – dazu können auch solche aus den jeweiligen Fußballkreisen gehören, gegen die Berufung eingelegt wurde – kommt es zu mündlichen Verhandlungen.

Vierköpfiges Beisitzerteam

Unterstützung findet Kimmling bei seinem insgesamt vierköpfigen Beisitzerteam, das aus Bernhard Henter (Konz), Werner Schmitz (Rommersheim), Alfons Alt (Morbach) und Ingo Zwank (Prüm) besteht. Je nach »rohem Spiel«, »Tätlichkeit« oder sonstigen Straftatbeständen verhängt die Kammer dann Sperren von mindestens einer bis zu mehreren Wochen, Wiederholungstäter erhalten in  aller Regel noch einen »Zuschlag«; eine Ausnahme bilden Vergehen im Rahmen der sogenannten "Notbremse". Spielabbrüche seien in der Region »Gott sei Dank noch die Ausnahme«, so Kimmling. Und auch ein Fall vom Herbst sei bestimmt nicht alltäglich, betont er: Bei einem Schulfußballspiel attackierte ein Teenager einen Unparteiischen, wurde dafür mit einer mehrmonatigen Sperre belegt. Möglich ist auch, dass zum Beispiel Opfer von brutalen Fouls vor ein Zivilgericht gehen, um etwas Schadensersatz oder Schmerzensgeld einzuklagen. »Das«, berichtet Kimmling, »ist aber die absolute Ausnahme.« Pro Saison behandelt die Bezirksspruchkammer West zwischen 150 und 160 Verfahren (Senioren und Junioren). Rund fünf Stunden pro Woche, so Kimmling, sei er durchschnittlich für dieses Ehrenamt aktiv.

"Sitten sind rauer geworden"

Von zunehmender Aggressivität auf den heimischen Plätzen will er (noch) nicht reden, zumal in den von ihm begleiteten, über den jeweiligen Kreisklassen angesiedelten Bezirksligen der Fußball an sich doch meist im Fokus stehe. Eines hat aber auch Kimmling ausmachen können: »Die Sitten werden rauer, die ‚Qualität‘ der Vergehen nimmt insgesamt zu, die Hemmschwelle sinkt.« Der Fußball als Spiegelbild der Gesellschaft und gerade das, was sich beim »großen« Kick im Fernsehen abspielt, sind für den Ralinger Gründe dafür. Rudelbildungen und Schubsereien von Spielern, Trainer, die in völlig übertriebener Art und Weise an der Außenlinie den Hampelmann machen oder, wie vor einigen Wochen, Kölns Sportdirektor Jörg Schmadtke, der mit seinem Kaugummi nach dem Hoffenheimer Trainer Julian Nagelsmann warf: Das alles sind Aktionen, die nicht selten ihren Nachhall auf den Dorfsportplätzen finden. »Gewisse Herren müssten sich mal ihrer Vorbildfunktion bewusst werden«, sagt Kimmling, stellt aber auch klar: »Fußball ist ein Spiel der Emotionen. Dass da nicht alles geräuschlos über die Bühne gehen kann, ist auch mir vollkommen klar.« Der 62-Jährige weiß, wovon er spricht: Noch heute spielt er für die Alten Herren seines Stammvereins, der SG Sauertal. Früher führte er hier auch als Präsident die Geschicke.

Schon lange dabei

Im Jahre 2010 wurde Kimmling Vorsitzender der Bezirksspruchkammer. Zuvor war er schon 16 Jahre lang in der Rechtsinstanz des Fußballkreises Trier-Saarburg aktiv (»Der damalige  Kreisvorsitzende Hermann  Schmitt animierte mich dazu; er wollte jemanden aus dem Spielerlager mit engem Bezug zur Praxis dabeihaben.«). Als Finanzbeamter bringt Kimmling zudem das Verständnis für Gesetzestexte und deren Auslegung mit. Dem Fußball auch über das  rein aktive Geschehen hinaus verbunden zu bleiben, ist seine Hauptmotivation. Der Ralinger gilt als jemand, der zuhören kann und sorgsam seine Entscheidungen fällt. Wichtig ist ihm deshalb auch, »gut und konstruktiv mit den Schiedsrichtern, aber auch mit den Vereinsvertretern zusammenzuarbeiten«. aa  Extra:
An oberster Stelle des Fußballverbands Rheinland ist das Verbandsgericht angesiedelt, das aktuell unter dem Vorsitz von Achim Kroth aus Boppard steht. Darunter gibt es die Verbandsspruchkammer. Sie wird von Willibald Hannappel (Ransbach-Baumbach) geleitet. Die Instanz darunter wiederum sind die Bezirksspruchkammern, die sich im Gebiet des Fußballverbands in West, Mitte und Ost aufteilen. Es schließen sich die Kreisspruchkammern an. Weitere Infos im Netz unter www.fv-rheinland.de. 


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