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Kostenlose Jodtabletten gibt es auf Bezugsschein

Der Aachener Beigeordnete Dr. Markus Kremer erläutert die Pläne
Die Jodtabletten werden nach den Sommerferien ausgegeben.

Die Jodtabletten werden nach den Sommerferien ausgegeben.

Das Notfallkonzept, das die Region Aachen für den Fall eines GAU im belgischen Atomkraftwerk in Tihange erstellt hat, ist inzwischen die Zustimmung des NRW-Innenministeriums erhalten. Zur Region Aachen zählen Stadt sowie Städteregion Aachen und die Kreise Düren, Euskirchen und Heinsberg. Der Aacherner Beigeordnete Dr. Markus Kremer hat nun erklärt, wie die Vorverteilung der Jodtabletten erfolgt. Demnach sollen Bezugsscheine ausgestellt werden, in denen die Menge der Tabletten, die der jeweilige Bürger kostenlos erhält, aufgeführt ist. »Da die Zielgruppe jung ist, soll das online-basiert geschehen«, so Kremer. Die Bezugsscheine können ausgedruckt und Apotheken eingelöst werden. »Die allermeisten Apotheken machen mit«, erklärt der Beigeordnete: »Die Vorverteilung soll in einem Drei-Monats-Korridor nach den Sommerferien erfolgen.« Der Erfahrung nach werde sie von etwa 20 Prozent der Bevölkerung wahrgenommen, so Kremer: »Weil in Aachen aufgrund der Studenten viele junge Leute leben und das Thema viel Öffentlichkeit erfährt, kalkulieren wir mit bis zu 50 Prozent.« Finanziert werden die Tabletten vom Land NRW. Das sieht eine Vorverteilung von Jodtabletten üblicherweise nicht vor, hat aber dem Ansinnen der Region Aachen aufgrund der Nähe zum AKW Tihange stattgegeben. Wahllokale Dazu mussten die Verantwortlichen im Konzept darlegen, dass es zu Schwierigkeiten kommen könnte, wenn die Jodtabletten erst im Schadensfall ausgegeben werden. Kremer nennt als Beispiel Glatteis. Dennoch wird es zusätzlich auch im Ernstfall eine Verteilung geben. Dies soll in den Wahllokalen geschehen. »Bei der Vorverteilung handelt es sich
um eine einmalige Aktion«, erklärt Markus Kremer. Die Tabletten haben ein Mindesthaltbarkeitsdatum bis Ende 2021. Was danach
passiert, ist noch ungewiss. Dass die ganze Aktion eine Gratwanderung zwischen Information, Vorsorge und dem Schüren von Ängsten
und Panik ist, ist Kremer bewusst: »Dieser Spagat hat uns die ganze Zeit begleitet. Es ist gut und wichtig, sich damit zu beschäftigen. Wichtig ist aber auch Besonnenheit.« Er betonte, dass den Menschen in der Region selbst bei ganz extremen Wetterverläufen nach einer Explosion noch zehn bis zwölf Stunden Zeit blieben. Vorausgesetzt, es komme überhaupt zur Katastrophe. Derzeit laufen noch die letzten Abstimmungen zwischen den beteiligten Kommunen. Wenn diese etwa Anfang April abgeschlossen sind, sollen auch die Informationsbroschüren verteilt werden.
Broschüren »Die sind bis auf wenige Sätze zur Vorverteilung fertig geschrieben«, so Kremer. Das rund 25-seitige Heft soll zum Beispiel darüber aufklären, wie man nach einem GAU richtig duscht und welche Lebensmittel man nicht verzehren sollte. Sie soll vor allem im Internet, aber auch in Behörden verbreitet werden. Im Notfallkonzept ist auch festgehalten, wie die Bevölkerung informiert wird. »In erster Linie soll das über Sirenen geschehen«, schildert Markus Kremer: »Begleitet wird das durch Radio, Fernsehen und soziale Medien. Außerdem fahren Lautsprecherwagen bis in die kleinsten Eifeldörfer.«
Schnelle Infos Von einem atomaren Unfall sollen die Verantwortlichen in der Region schnell erfahren. »Im Idealfall dauert es nur ein paar Minuten«, weiß Kremer. Die offizielle Informationskette laufe über die belgische sowie die deutsche Regierung. »Es gibt offizielle und es gibt inoffizielle Wege«, gibt Kremer preis. Allerdings müsse mit jedem Hinweis seriös umgegangen werden. Eine Überprüfung sei nötig. Vor kurzem habe man einen Probealarm durchgespielt. Der habe gut funktio-niert. ABC-Unfälle habe man auch mit schon mit belgischen Rettungskräften gemeinsam geübt. »Aber eine richtige Zusammenarbeit macht wenig Sinn, weil es da ganz andere Regelungen und bundes- und landesrechtliche Strukturen  und Rahmenbedingungen gibt«, erklärt Kremer. Eifelklinik Auch die Eifelklinik St. Brigida in Simmerath ist für das Thema sensibilisiert, wie Geschäftsführer Peter Berlin erklärt: »Unsere leitenden Notärzte werden bereits entsprechend geschult und wir arbeiten daran, den betreffenden Teil des Krankenhausalarm- und Einsatzplans, der bei einer internen oder externen Großschadenslage greift, noch weiter auszufeilen.« In erster Linie gehe es um den Schutz des Personals, um den normalen Krankenhausbetrieb aufrecht erhalten zu können. Weniger gehe es um die Versorgung von akut betroffenen Patienten im Falle eines Atomunfalls, sondern eher um die Behandlung chronischer Erkrankungen, die mit einer Strahlenbelastung einhergehen. Jodtabletten Bei einem Reaktorunfall kann radioaktives Jod freigesetzt werden. Dieses gelingt schnell in den Körper und wird von der Schilddrüse aufgenommen. Die rechtzeitige Einnahme der Jodtabletten bewirkt, dass die Schilddrüse gesättigt ist und das radioaktive Jod nicht aufnehmen kann. Sie sollten erst nach behördlicher Aufforderung eingenommen werden. Eine vorherige Einnahme ist wirkungslos und kann sogar zu Nebenwirkungen führen. Menschen über 45 Jahren wird die Einnahme nicht empfohlen, da die Gefahr einer Schilddrüsenüberfunktion schwerer wiegt als das Risiko einer möglichen Krebserkrankung. Die Jodtabletten sind aber kein Allheilmittel gegen die anderen Auswirkungen der Strahlung.


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