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Bibelgeschichten in Klausen

Es war ein Experiment mit offenem Ausgang. Über 50 Menschen haben ein ganzes Jahr lang jeden Sonntag in der Wallfahrtskirche Klausen ihre Lieblingsgeschichte aus der Bibel vorgelesen.
Experiment geglückt. Rainer Laupichler (li.) und Pater Albert Seul (re.) ziehen eine positive Bilanz der Klausener Bibel-Bürgerlesungen. Foto: Franz-Peter Wasser

Experiment geglückt. Rainer Laupichler (li.) und Pater Albert Seul (re.) ziehen eine positive Bilanz der Klausener Bibel-Bürgerlesungen. Foto: Franz-Peter Wasser

Die Kontrolle abgeben, einfach Raum bieten und gleichberechtigter Partner in der Sache sein: Auf dieses Experiment haben sich die Aktiven in der Wallfahrtskirche Klausen bei den Bürger-Bibellesungen eingelassen, die gerade zu Ende gegangen sind. Von der Hausfrau bis zum Pädagogen, vom Arzt bis zum Bürgermeister, vom Journalisten zum Bürgerbeauftragten, vom Bankkaufmann bis zum Atheisten. Auch Prominente wie Ministerpräsidentin Malu Dreyer oder die frühere deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl, Annette Schawan machten mit.

Das ganze Spektrum der Gesellschaft

Unabhängig vom Klausener Projekt hat Schawan gerade generell eine stärkere Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift gefordert. »Wir werden uns fremd, wenn wir die Bibel vergessen. . .« Am Klausener Ambo jedenfalls war ein Jahr lang das ganze Spektrum der Gesellschaft zu Gast. Jeden Sonntag. Bei heißen Sommertemperaturen, während der Fußball-WM und im Winter in einem eiskalten Gotteshaus, wofür eigens wärmende Wolldecken angeschafft wurden. Zwei, die fast jeden Sonntag dabei waren: Albert Seul, Dominikanerpater in Klausen und Initiator Rainer Laupichler, Geschäftsführer der Eifelkulturtage. Ihre gemeinsame Bilanz:
Die Grundidee der Veranstaltungs-Reihe war ja, dass Menschen miteinander ins Gespräch kommen. Wie sieht Ihr Fazit aus?
Pater Albert Seul: »Ich habe die Gespräche als durchweg bereichernd erlebt. Menschen kamen miteinander ins Gespräch, die Bibel kam ins Gespräch und Menschen kamen über die Bibel ins Gespräch. Oft erfuhr ich das was gesagt wurde als Gespräch und meine Perspektive hat sich erweitert. Sowohl die Leserinnen und Leser als auch die Gäste trugen immer wieder neu dazu bei, die Veranstaltungsserie bunt und erfrischend zu halten.«
Rainer Laupichler: «Immer dann, wenn Glauben mit positiven Gefühlen kombiniert war, entstand eine interessante Nähe zwischen allen Beteiligten. Immer dann, wenn Glaube mit Dogma und Deutungshoheit verbunden war, entstand eine engherzige, dunkle  Atmosphäre, die sich wie eine Belastung auf die Anwesenden legte. Ich war froh, dass von 53 Lesern lediglich zwei Ultrakonservative die Veranstaltung instrumentalisieren wollten.«
Waren Sie jeden Sonntag dabei? Gab es ganz besondere Momente?
Pater Albert Seul: »Von 53 Lesungen habe ich an 49 teilgenommen. Es gab viele schöne und besondere Momente. Eine Leserin, die ein selbstgeschriebenes Lied zum Besten gab, Eltern die von der besonderen Bedeutung der Texte für ihre Kinder sprachen oder eine Lesung, die als Bibliolog gestaltet wurde. Eine besondere Herausforderung für mich war die Begegnung mit Menschen, die mir mit einem geschlossenen und fundamentalistischen Weltbild im Gespräch begegneten. Als besonders gelungen empfand ich das Format, das sich schnell herausstellte. Zwei Moderatoren, die versucht haben das Gespräch in Gang zu bringen oder am Laufen zu halten. Auf das sonntägliche Zusammentreffen mit Rainer Laupichler habe ich mich immer sehr gefreut. Seine Sichtweise der Dinge und seine spritzige, aber auch tiefsinnige  Art das Gespräch zu moderieren empfand ich als sehr gut.«
Rainer Laupichler: «Auch ich war bei 49 Lesungen anwesend. Es waren überwiegend schöne Momente. Die Moderation mit Pater Seul war stets sehr erfrischend und angenehm. Im Besonderen fallen mir zwei Momente ein, die ich hervorheben möchte: Ein Polier schilderte – er war ein Zuhörer und gar kein Leser – sein Verhältnis zu Schafen und wie sie ihm in seiner Jugend halfen, seine seelischen Probleme zu lösen. Heute hütet er in seiner Freizeit eine Schafherde. Ein Muslim widmete sich den Stellen im Koran, die von Jesus handeln. Es entstand ein reger Austausch in einer offenherzigen Atmosphäre. Ein gelebtes Miteinander im Mikrokosmos der Religionen.«
Was nehmen Sie persönlich aus der Veranstaltungs-Reihe mit?
Pater Albert Seul: »Zum einen eine neue Begegnung mit der Bibel. Texte, die ich meinte zu kennen, haben sich neu erschlossen. Texte, die ich bisher nicht kannte, zeigten sich mir neu. Andere Übersetzungen oder mir fremde Zugangsweisen haben mein Bild von der Heiligen Schrift erweitert. Zum anderen haben sich mir auch neue Zugangsweisen zum Glauben eröffnet. Was mir schon vorher theoretisch klar war, habe ich in diesem Jahr am Beispiel unserer fantastischen Leserinnen und Leser persönlich erfahren. Es gibt so viele Zugangswege zu Gott wie es Menschen gibt!«
Rainer Laupichler: »Das Jahr verging sehr schnell und die Idee, sich diesem Thema zu widmen, war sehr bereichernd. Auffallend war für mich die Diskrepanz zwischen dem Glaubensverständnis der Menschen  und wie sie die gegenwärtigen Kirche als Institution wahrnehmen ...«

Fest für Alle

Für alle Lesenden der Klausener »Bibelstunden« und Interessierte planen die Veranstalter im Sommer ein großes Fest im Klostergarten. Der genaue Termin wird noch bekanntgegeben.

April bis April: Die Vorleserinnen und Vorleser

  • April: Dieter Burgard (Wittlich), Tobias Marenberg (Klausen), Julie Williams (Dohr)
  • Mai: Johannes Schölch-Mundorf (Trier), Corinne Pepin-Ammeling (Dohr), Carmen Jondral-Schuler (Bausendorf), Helmut Haag (Trier)
  • Juni: Markus Nöhl (Trier), Norbert Werber (Gillenfeld), Anton Grochowski (Klausen), Lu Sanders (Klausen)
  • Juli: Regina Hansen (Sehlem), Walter Feltes (Herforst), Christoph Berger (Trier), Pater Albert Seul (Klausen)
  • August: Mike-D. Winter (Manderscheid), Petra Geisbüsch (Wittlich), Ulrich Junk (Salmtal), Claudia Poitiers (Manderscheid)
  • September: Rainer Laupichler (Manderscheid), Dorothea Kirsch (Gillenbeuren), Dr. Bernhard Ammeling (Dohr), Annette Schavan (Ulm), Barbara und Lotta Klar (Klausen)
  • Oktober: Esther Willems (Manderscheid), Yvonne Mich (Tawern), Marianne Kranz (Sehlem), Prof. Dr. Wolfgang Huber (Berlin)
  • November: Dr. Marco Brösch (Klausen), Liselotte Musseleck (Wittlich), Marco Geller, (Lieser), Stephanie Baumann (Plein)
  • Dezember: Ullrich Papschick (Bitburg), Kurt Berg (Klausen), Ingrid Sanders (Klausen), Samantha Bohatsch (Berlin), Eric Westerheide (Traben-Trarbach)
  • Januar: Dennis Junk (Salmtal), Detlef Backhaus (Gillenbeuren), Brigitte Mai-Hohlbach (Oberbillig), Klaus Weber-Kadner (Wittlich)
  • Februar: Wolfram Viertelhaus (Wittlich), Siegfried Horn (Daun), Peter Klein, (Manderscheid), Ana Gölz und Ronja Lex (Trierweiler, Klüsserath)
  • März: Dr. Karl-Heinz Musseleck (Wittlich), Sandra Karl und Martin Gesthuisen, Tahir Dogan (Wittlich), Patrick Schnieder (Arzfeld), Barbara Philipp (Berlin),
  • April: Daniela Geller (Lieser), Pater Albert Seul, Rainer Laupichler, Christoph Schmitt (Klausen)
(ste).


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