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sybille schönhofen (bil)

Die digitale Lawine rollt auf uns zu

Chatten, posten, Serien und Videos schauen, spielen. Fast alle sind täglich online. Was anfangs cool ist, kann im Extremfall auch zu einer Sucht werden.
Chatten, posten, Fotos tauschen, Videos schauen oder vernetzt spielen wie hier bei der Games Convention in Leipzig. Die Cyberwelt fasziniert Jugendliche und birgt hohes Suchtpotential. Foto: Imago

Chatten, posten, Fotos tauschen, Videos schauen oder vernetzt spielen wie hier bei der Games Convention in Leipzig. Die Cyberwelt fasziniert Jugendliche und birgt hohes Suchtpotential. Foto: Imago

Internetabhängigkeit, Onlinesucht, Mediensucht, Spielsucht. . . Seit zehn Jahren wird dieses gesellschaftliche Phänomen beschrieben, doch noch immer gibt es kein standardisiertes Wort für die Sucht, von der rund 300.000 junge Menschen in Deutschland betroffen sind. Ein Symptom dafür, dass sie noch nicht ernst genug genommen wird? Dabei meinen Experten, dass es höchste Zeit dafür sei, die Internetabhängigkeit als Krankheit anzuerkennen. Franz Urfels ist sich sicher, dass wir kurz davor stehen. Der 50-jährige Diplompsychologe und Vater von fünf Kindern ist seit 2008 im Auftrag des Landes an der Fachstelle für Spielsucht des Caritasverbandes Westeifel  zuständig für Prävention in den Bereichen Glücksspielsucht und Mediennutzung. Er erkennt eine deutliche Entwicklung des Problems. »Die Mediensucht dringt zurzeit massiv in den Vordergrund«, stellt er fest.

Projekt Net-Piloten

Standen früher stoffgebundene Drogen wie Alkohol im Mittelpunkt, ginge es heute um Medien, wenn Schulen bei der Fachstelle für Suchtprävention anfragten. »Schulen haben die Notwendigkeit erkannt, über Mediensucht zu reden.« Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat daher ein Projekt ins Leben gerufen: Die Net-Piloten. Franz Urfels hat kürzlich die Ausbildung zum Net-Pilotentrainer abgeschlossen. Schulen können ihn anfordern (Caritas in Prüm: 06551/ 971090). Das Konzept sieht vor, dass er Achtklässler schult, die wiederum Jüngere über Internet und Computerspiele informieren und Tipps gegen übermäßigen Gebrauch der digitalen Medien geben.

Ein junges Phänomen

Studien bestätigen, dass eine Lawine auf die Gesellschaft zurollt: In der aktuellen Studie »Prävalenz der Internetabhängigkeit (PINTA)« und dem jüngsten Drogenbericht der Bundesregierung ist nachzulesen, dass vor allem junge Menschen zwischen zwölf und 17 Jahren von der Onlinesucht betroffen sind. Und es ist zu beobachten, dass der Schwerpunkt bei den Zwölf- bis 14-Jährigen liegt. Internetabhängigkeit ist also nicht nur in ihrer Entstehung ein junges Phänomen.

"Dringender Handlungsbedarf"

Die Studien zeigen, dass sich das Problem ausbreitet. 2011  legten drei Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen ein behandlungsbedürftiges Verhalten an den Tag. 2015 waren es schon sechs Prozent. In vier Jahren hat sich die Anzahl der Internetabhängigen verdoppelt. »Hier ist dringender Handlungsbedarf«, warnt Franz Urfels. Bemerkenswert: Die Zahl der verhaltensauffälligen Mädchen ist höher als die der Jungen. Während Jungs die digitalen Medien eher zum Spielen nutzen, sind Mädchen in permanentem Kontakt über soziale Medien wie Instagram, Snapchat oder Whatsapp.

Medien sind wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung

Urfels sieht allerdings in den neuen Medien auch Chancen und verdammt sie keineswegs. Sie zu nutzen sei wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung der Heranwachsenden. »Der Mensch ist ein spielender Mensch. Wir lernen dadurch. Unsere Kinder  brauchen das Spielen. Sie spielen nur anders als wir damals«, sagt der 50-Jährige. Zum Schutz haben sich die Länder verpflichtet, Fachstellen zur Suchtprävention zu unterhalten. Für die Kreise Bitburg-Prüm und Vulkaneifel finanziert das Land gerade mal eine Stelle in der Suchtprävention. Viel zu wenig, meint Franz Urfels.

 Autorin: Sybille Schönhofen Mehr zum Thema und Tipps für Eltern SELBSTTEST
 
Merkst du, wenn du abhängig bist? Es gibt klare Anzeichen, ob du  es nicht mehr im Griff hast:
  •  Du bist über einen längeren Zeitraum ständig mit dem PC online oder spielst digitale Spiele. Das kann natürlich auch über das Smartphone sein. Hobbys, Freunde und Familie sind dann abgemeldet.
  • Weniger online klappt nicht. Das Internet wird immer wichtiger.
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