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Ein ökologischer Landschaftspfleger im Einsatz

Schäfchen zählen ist für zwei ehemalige Pädagogen mit viel praktischem Umweltbewusstsein nichts zum Einschlafen, sondern Teil des neuen Berufs. Nur noch wenige Wanderschäfer wie die Czerkus arbeiten als agrar-ökologische Dienstleister.

Der Blick über Pferdekoppeln und Schafweiden hinweg ins Ourtal ist für die Ferienwohnungsgäste der Wanderreitstation von Birgit und Günther Czerkus sicher Romantik pur. Doch das Paar, das früher pädagogische Berufe ausübte und vor mehr als dreißig Jahren für die ökologische Landwirtschaft aus Köln in die Eifel übersiedelte, sieht neben der Schönheit der Umgebung vor allem die handfesten Aufgaben, die mit den Tieren verbunden sind. Allein die 500 Mutterschafe mit ihren Lämmern, die in einem Radius von Trier-Saarburg bis zur belgischen Grenze von Weide zu Weide getrieben werden, sind ein Fulltime-Job. Das Umsetzen geschieht immer zu Fuß: eine Wanderung mit Hilfe von bis zu zwei Hütehunden und manchmal auch von interessierten Zweibeinern, die assistieren, weil sie eine Auszeit aus ihrem Alltag suchen.

Landschaft ist zu zersiedelt

"Früher waren Distanzen von zweihundert Kilometern für die Herden normal", schildert Günther Czerkus die gravierende Veränderung der Wanderschäferei, "doch dafür ist die Landschaft durch Straßen und Bebauung längst viel zu zersiedelt." Die Folge: Geeignete Beweidungsflächen sind knapp. Hinzu kommen sehr unterschiedliche Verordnungen für Wasserschutzgebiete, die teils eine Nutzung durch die Herden verbieten. "Dabei ist nachweisbar, dass Schafe nicht nur ideale ökologische Landschaftspfleger sind, welche die Artenvielfalt unterstützen, sondern dass sie die Nitratbelastung im Grundwasser deutlich senken helfen." Eine moderne Erscheinung ist auch die wachsende Bürokratie, die erledigt werden muss, um die Tiere nutzen zu können. "Wir erholen uns draußen bei den Schafen vom Schreibtisch und am Schreibtisch von den Schafen." Die Czerkus vermarkteten bis 2010 das Fleisch selbst und direkt, doch seit dem Verbot von so genannten Kleinschlachtstätten verkaufen sie die Schafe an Zwischenhändler. Auch die Wolle geht an Händler: "Das deckt aber gerade die Schurkosten". Die Milch bleibt reserviert für die Lämmer.

Keine Angst vor dem Wolf

Ganz und gar nicht neu, sondern eine von Mutter Natur vorgesehene Gefährdung gerade für die Lämmer ist der Wolf, der nach Expertenmeinung in absehbarer Zeit seine Rückkehr auch nach Rheinland-Pfalz in Angriff nimmt. Czerkus sieht das mit relativer Gelassenheit. "Wir haben hier ein gutes Wolfsmanagement mit einem vernünftigen Maßnahmenkatalog aufgelegt", lobt er die Vorbereitung. Mit 90 Zentimeter hohen und auf 2.500 Volt geschalteten Knotengitternetzen, die sorgfältig gepflegt werden, sei möglichen Problemen effektiv vorzubeugen. Die Hütehunde, die drei Jahre lang ausgebildet werden, sorgen zusätzlich für Distanz zwischen Schafen und Wölfen. Gelassenheit ist, wie die beiden Wanderschäfer immer wieder erfahren, sowieso eine wichtige Lektion, die Schafe erteilen können. Denn so ganz verabschiedet haben sich Birgit und Günther Czerkus nicht von ihren pädagogischen Kenntnissen. Sie bieten für Kinder und Jugendliche einzeln oder in Gruppen soziales Lernen in der Wanderschäferei an. "Die Tiere wirken ausgleichend auf die menschliche Seele und öffnen Zugänge auch bei Menschen, die sonst eher aggressiv sind", sagen sie. Sogar ungeduldige Autofahrer, die beim Umtrieb der Herde warten müssen, bis die Straße wieder frei von Schafen ist, werden befriedet. "Es ist nur ein einziges Mal vorgekommen, dass sich jemand wild hupend einen Weg durch die Herde gebahnt hat", erinnert sich der Schäfer. "Vielleicht hatte der Fahrer einen guten Grund dafür." ako

Fotos: A.Koch / B.Czerkus


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