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Landwirtschaft ist keine romantische Geschichte

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner stellt sich in Sinspelt verärgerten Landwirten. Sie beklagen die Düngeverordnung, fehlende Wertschätzung und niedrige Preise.
Die Atmosphäre war aufgeladen: In Sinspelt sprachen Julia Klöckner und junge Landwirte Tacheles miteinander. Foto: S. Schönhofen

Die Atmosphäre war aufgeladen: In Sinspelt sprachen Julia Klöckner und junge Landwirte Tacheles miteinander. Foto: S. Schönhofen

Die  Bundesministerin für Landwirtschaft und Ernährung diskutierte in der Südeifel mit rund drei Dutzend Landwirten, die der Einladung der Jungen Union und des Jungzüchterclubs Eifel gefolgt waren. Auf die Kritik der Landwirte reagierte Klöckner »temperiert«, wie sie sich selbst beschrieb. 

Kritik an Düngeverordnung, fehlender Wertschätzung und niedrigen Preisen

Bei dem Treffen standen für die Bauern die Düngeverordnung, die fehlende Wertschätzung und die niedrigen Preise für ihre Erzeugnisse im Vordergrund. »Wir sind die einzige Branche, die ein Produkt liefert, aber den Preis nicht bestimmen kann«, verdeutlichte der Vorsitzende des Jungzüchterclubs Eifel Stefan Bormann die prekäre Situation. Für den Preis, den Molkereien für einen Liter Milch zahlen, könnten Landwirte nicht kostendeckend produzieren. Dazu kämen die Forderungen. »Wir müssen tagtäglich mehr Auflagen erfüllen. Die Molkereien legen fast monatlich neue Qualitätsprogramme auf, die wir erfüllen müssen, damit sie uns die Milch überhaupt abnehmen«, so Bormann.
Von Klöckner forderte er eine differenziertere Sicht auf die Landwirtschaft:  »Sie müssen aufhören zu verallgemeinern.« Die Probleme in der klein strukturierten Eifel seien andere als im Osten Deutschlands. 
Auf die Forderung der Bauern nach stabilen und fairen Preisen versprach Klöckner gesetzliche Änderungen vorzunehmen gegen unlautere Handelsbedingungen. Langfristig rechnet sie auch mit einer Steigerung der Lebensmittelpreise. »Wir zahlen mit die niedrigsten in ganz Europa. Wir geben nicht mal zehn Prozent für Lebensmittel aus«, kritisierte sie die aktuelle Preisgestaltung. Sie fände das Verhalten des Handels »mitunter unanständig«.  Klöckner stellte klar, dass die Politik keine Preise machen könne. 
Weiteres Streitpotenzial bietet die Düngeverordnung.  »Wir reden hier Tacheles miteinander«, meinte Klöckner. »Es gibt ein paar Spezialisten, die sagen Rücken gerade und aus der EU austreten, dann müssen wir die Düngeverordnung nicht umsetzen. Das ist dummes Zeug.« Deutschland exportiere ein Drittel der agrarischen Produktion und profitiere am meisten vom EU-Binnenmarkt.

Mit mehr Mess-Stationen Verursacher finden


Zur Einhaltung der Düngeverordnung, sagte sie,  gebe es keine Alternative.  (2016 hatte die EU-Kommission Klage gegen Deutschland eingereicht wegen zu hoher Nitratwerte, der EU-Gerichtshof hat ihr 2018 Recht gegeben). »Wir werden nichts wegmessen können, was da ist. Aber das, was gemessen wird, muss transparent sein, muss richtig sein, plausibel sein und die Messorte müssen so gewählt sein, dass sie repräsentativ sind«, so Klöckner. Sie sprach sich für eine Aufstockung der Messstellen aus, um die Verursacher erhöhter Nitratwerte feststellen zu können. Dann müsse das Düngen nur dort reduziert werden, wo zu viel gedüngt wurde.
Was die Bauern zudem belastet, ist die fehlende Wertschätzung der Landwirtschaft in der Gesellschaft. Klöckner gab ihnen Recht: Jeder sei gegen Pflanzenschutzmittel, aber kaum einer wäre bereit, einen Salatkopf mit Schädlingen zu kaufen. Für eine Veränderung des Verhaltens schlug sie vor, die Landwirtschaft in Schulbüchern realitätsnäher darzustellen. »Landwirtschaft ist keine nostalgische, romantische Geschichte. Es ist Hightech, ein Wirtschaftsunternehmen und die Leute müssen davon leben können.« Sybille Schönhofen


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