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Das Gaspedal ist nur angetippt

Mit Termin dürfen Kunden seit März wieder einzeln Geschäfte betreten. Für die Kunden ein Schritt in Richtung Freiheit, für die Einzelhändler, die durchstarten wollen, kaum mehr als ein leichtes Aufwärmen.
Christine Kausen und ihre Händler-Kollegen warten darauf, dass sie wieder Vollgas geben können. Foto: privat

Christine Kausen und ihre Händler-Kollegen warten darauf, dass sie wieder Vollgas geben können. Foto: privat

Ministerpräsidentin Malu Dreyer nannte den Beschluss der Landesregierung am 23. Februar, der das Termin-Shopping zulässt, »eine Perspektive zum Beispiel für Bekleidungsgeschäfte und Brautmodenläden«. Händler sehen es als einen ersten kleinen Schritt, der aber nicht mehr sein dürfe als eine kurze Übergangslösung, nachdem im vergangenen Jahr bereits das Ostergeschäft verlorenging und das Wintergeschäft ebenfalls eine wirtschaftliche Katastrophe war. Nun müsse wenigstens die aktuelle Frühjahrsware verkauft werden können.
Die Kunden freuen sich, endlich mal wieder shoppen zu können, wenn auch mit gravierenden Einschränkungen. Spontane Einkaufslust zu genießen und beim Bummeln in der Fußgängerzone mal hier, mal dort einzutreten und zu stöbern, ist nach wie vor nicht drin. Aber immerhin hat das Termin-Shopping gegenüber dem bisherigen Click and Collect (bestellen und abholen) den entscheidenden Vorteil, dass die Ware vor Ort anprobiert werden kann. Viele Kauflustige nehmen die Möglichkeit in der Eintönigkeit des Lockdowns nur zu gerne wahr.

»Spätestens Mitte März müssen wir durchstarten können«


Gleich nach der Ankündigung der Ministerpräsidentin hatte Christine Kausen von Kausen Mode in Prüm zahlreiche Termin- anfragen. Aber mehr als sieben Kunden am Tag sind wegen der strengen Auflagen kaum zu bedienen. »Wir haben alle Angst, dass der Frühjahrsverkauf eine Katastrophe werden könnte wie das Wintergeschäft«, sagt Kausen und fügt hinzu »das können wir uns nicht erlauben«. Spätestens Mitte März müssten sie durchstarten können.   
Yvonne Fuchs, die seit Montag wieder Kunden in ihrem Blumengeschäft Weyandt in Niederprüm  empfangen darf, erlebt die große Freude über den ersten kleinen Schritt in Richtung Normalität.  »Ich freue mich, die Kunden wieder im Laden zu sehen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen.« Die Lust auf bunte Frühlings-Blumen und Pflanzen ist groß, weil die Menschen der Lebens-Tristesse unter Pandemiebedingungen müde sind, merkt Yvonne Fuchs. Das Termin-Shopping bringt aus ihrer Sicht einen entscheidenden Vorteil: »Wer Blumen kaufen will, der möchte sie auch anschauen.« Daher, und weil nicht jeder Kunde allzu vertraut mit Blumennamen ist,  war der Verkauf über telefonische Bestellungen im harten Lockdown für die Floristin besonders schwierig.  Hinter ihr liege ein emotionales Auf und Ab, erzählt sie. »Die Tage, an denen null los war, waren sehr anstrengend.« Sie hofft, dass es soweit nicht wieder kommt. Auch so sei es schwer: »Aus dem letzten Jahr fehlt das Geschäft zu Ostern, Weihnachten und Valentinstag. Das kann man nicht aufholen.«
Für Manfred Rett von Sport Rett in Niederprüm steht fest: »Bevor das Geschäft nicht richtig offen ist, wird das kein ordentlicher Umsatz werden.« Die Kunden seien zurückhaltend. »Ich nehme an, es ist den Menschen zu unkomfortabel. Man muss den Einkauf planen. Das ist nicht das gewohnte Einkaufserlebnis.«

Wie ein Tropfen auf dem heißen Stein


Die Vermeidung von Spontaneität durchs Termin-Shopping führt auch wieder zu neuen Herausforderungen für die Einzelhändler: Sie müssen kalkulieren, wie viele Termine gebucht werden, sie müssen voraussehen, wieviel Zeit ein Kunde benötigt und zwischen den Terminen muss 15 Minuten lang gelüftet und desinfiziert werden. Eine exakte Vorausplanung ist beinahe unmöglich und der Druck wächst, weil die Händler ihrem Anspruch gerecht werden wollen, dass sich ihre Kunden wohlfühlen. Hinzu kommt die Ungewissheit bei der Frage,  ob und wieviel Personal aus der Kurzarbeit gerufen werden soll. Händler von verderblicher Ware, wie Floristen, haben ein weiteres Problem, weil der Einkauf für sie noch ein zusätzliches Risiko in der Mengenbestellung birgt.
Die Unternehmer sind weiter angespannt, weil niemand weiß, in welche Richtung sich die Situation entwickelt. Und sie sind unruhig, weil sie nach der Vollbremsung endlich wieder durchstarten wollen. Manfred Rett vergleicht die leichte Lockerung mit einer Aufwärmübung. Ein bisschen Licht ist am Ende des Tunnels erkennbar: Die Lockerung sei zwar nur wie ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber sie habe den Vorteil, dass die Geschäfte bei den Kunden nochmal Aufmerksamkeit erlangen, meint Rett.  Wie Bitburger Einzelhändler die Situation erleben, lesen Sie in unserem E-Paper. Folgen Sie dazu  diesem Link:
http://www1.wi-paper.de/book/read/id/000302A96DC68AF8 Sybille Schönhofen


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