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Ein Orden für den Hüter der Tradition

Als Wertschätzung seiner Erinnerungs-Arbeit hat der Wochenspiegel Joachim Schröder aus Pronsfeld den Ehrenorden für Brauchtumspflege verliehen.

Der WochenSpiegel hat am 13. Februar zum großen Prinzenempfang in die Trierer Europahalle eingeladen. Mehr als 40 Prinzenpaare und Dreigestirne aus der ganzen Region feierten die närrische Zeit. Tradition hat die Ehrenorden-Verleihung im Vorfeld der Gala: Eine der vier Auszeichnungen geht 2020 in den Eifelkreis: Für Brauchtum an Joachim Schröder aus Pronsfeld.
Der pensionierte Lehrer, der  bis 2008 unter anderem das Fach Geschichte an der Wandalbert Hauptschule in Prüm unterrichtet hat, bezeichnet sich selbst als »Hüter der Tradition«. Seit 1975 hat er 2500 Aufsätze zur Eifeler Kulturgeschichte verfasst. In seinem Arbeitszimmer biegen sich die Regalböden unter Archivmaterial, Dokumenten und Zehntausenden Fotos. In seinen Veröffentlichungen widmet sich Joachim Schröder der Kultur, der moselfränkischen Sprache, Bräuchen, Handwerk, Gewerbe, Landwirtschaft, religiösen Festen und Hauswirtschaft aus vergangenen Jahrhunderten. Unter den kostbaren Splittern der Eifeler Vergangenheit bewahrt er auch Hausmittelchen, die bei Krankheiten helfen sollten, und sprachliche Mosaiksteinchen wie typische Eifeler »Verzellcher«, also Geschichten, die über Jahrhunderte weitererzählt wurden sowie Witze, Sprüche, Reime, Zungenbrecher, alte Kinderspiele und Mythen.

Gehen Traditionen verloren, schadet das der Gemeinschaft


Mit Büchern, Vorträgen und Mundartlesungen hält Joachim Schröder die Traditionen der Eifel in den Köpfen wach - oder man kann es auch so sehen: Er führt den Menschen vor Augen, was sie bereits größtenteils verloren haben. Die Dorfkirmes stirbt, vielerorts gibt es keinen Dorfsaal mehr, keine Dorfkneipe und die Kirche ist fast leer. Joachim Schröder nennt die Folgen: Gemeinschaft wird nicht mehr gelebt, die heimatlichen Bezüge fehlen und die Traditionen werden nicht mehr weitervererbt.
Wie äußert sich das? Kinder ziehen zu Fastnacht, Ostern und Neujahr nicht mehr mit den so genannten »Heische-Liedchen« auf den Lippen von Haustür zu Haustür, um sich Naturalien wie Speck, Eier und Milch zu ersingen. Vom Erntedankfest ist nichts geblieben außer ein bisschen Deko. An Heiligenfeste, die als Namenstage früher mehr Bedeutung hatten als der Geburtstag, erinnert allenfalls noch die Kirmes zu Ehren des Kirchenpatrons. Und wer weiß noch, was Rauh-Nächte sind, in denen der Vater vom 1. Weihnachtstag bis zum Dreikönigstag einen glimmenden Krautwedel umherschwenkend böse Geister vertrieb? Totenriten und Hochzeitsbräuche sind ebenfalls in der Versenkung verschwunden.
Mit dem Verschwinden der Tradition geht ein anderer Verlust einher, weil sie eine wichtige Funktion nicht mehr erfüllen kann, sagt Joachim Schröder: »Bräuche stiften Gemeinschaft. Sie bringen die Menschen zusammen und schaffen Identität.« Schröder appelliert daher: »Wir dürfen nicht herschenken, was unsere Vorfahren Jahrhunderte gepflegt haben.« Aber er sieht auch, dass das Vergessen kaum aufzuhalten ist. »Das Erleben und Durchdringen der Bräuche ist nicht mehr gegeben«, stellt er fest. Als Hauptursache macht er den »religiösen und allgemeinen Werteverfall« verantwortlich.

Bräuche werden zum Konsumfaktor


»Aus Brauch wird Missbrauch«, kritisiert Joachim Schröder sogar den Wandel im Umgang mit den Riten. Früher wurden die Martins-Laternen selbst gebastelt, die Weihnachtskrippe in der Familie gebaut und das Fastnachts-Kostüm noch selbst genäht. Heute wird all das meist gekauft, der Brauch wird zum Konsumfaktor und man verliert den inneren Bezug, argumentiert Joachim Schröder.
Er stemmt sich dagegen und wird nicht müde, das Vergangene festzuhalten. So entsteht dank Joachim Schröder ein buntes Bild der Eifeler Kultur, illustriert durch historische Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Es erzählt vom Leben im Großraum zwischen Aachen, Köln, Trier und Luxemburg wie es einmal war vor Technisierung, Mobilität und Digitalisierung. Sybille Schönhofen


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