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Sybille Schönhofen

Lebenshilfe Prüm: Wegbereiter für Vielfalt

Wer sich nicht selber vertreten kann, braucht Menschen, die für ihn da sind. Deshalb engagiert sich die Lebenshilfe Prüm seit 1968 für die Belange geistig und psychisch behinderter Menschen.
Für Karl-Heinz Thommes (l.) und Guido Kirsch steht bei der Lebenshilfe Prüm der Mensch im Mittelpunkt.   Foto: Sybille Schönhofen

Für Karl-Heinz Thommes (l.) und Guido Kirsch steht bei der Lebenshilfe Prüm der Mensch im Mittelpunkt. Foto: Sybille Schönhofen

Kaum vorstellbar, aber bevor die Lebenshilfe Kreisvereinigung Prüm vor 49 Jahren den integrativen Kindergarten gründete, gab es in ganz Rheinland-Pfalz noch keine Einrichtung dieser Art. Heute kümmern sich hier Logopäden, Ergo- sowie Physiotherapeuten, eine Reittherapeutin und 14 Erzieherinnen mit unterschiedlichen Zusatzausbildungen um 50 Kinder. Dass Prüm hier Vorreiter war, ist auch dem Mitbegründer der Lebenshilfe in Prüm, Karl-Heinz Thommes, zu verdanken. Der heute 80-Jährige, der selbst einen behinderten Sohn hat, und andere Eltern behinderter Kinder sorgten damals dafür, dass 1968 die Lebenshilfe in Prüm entstand. Thommes: "Ich bin als kommunaler Behindertenbeauftragter für den Kreis, als Präsident von Special Olympics Rheinland-Pfalz und als Vizepräsident von Special Olympics Deutschland viel herumgekommen, aber ich finde keine Gegend, in der die Inklusion so selbstverständlich geworden ist wie im Eifelbereich. Hier wurde sie betrieben, noch bevor es eine UN-Behindertenkonvention gab." Hauptgeschäftsfelder der Prümer Lebenshilfe sind die Beratung von Menschen mit geistiger und psychischer Behinderung, Kinderfrühförderung und die integrative Kindertagesstätte.

Reittherapie

Die Besonderheit ist das sportliche Angebot. In drei Sportgruppen können Behinderte schwimmen, bowlen und sogar reiten. "Wir sehen den Menschen als Ganzheit und schauen darauf, was er kann und bauen darauf auf", sagt Guido Kirsch, der im Frühjahr die Geschäftsführung von Karl-Heinz Thommes als Ehrenamt übernahm. Mit dem Angebot des therapeutischen Reitens setzte die Prümer Lebenshilfe 1970 nach der Gründung der integrativen Kita einen zweiten Meilenstein. Auf dem Reiterhof "Halbe Meile" profitieren auch die Kinder der Astrid Lindgren Schule und der Kita von der Möglichkeit, unter Anleitung einer Therapeutin Muskulatur, Gleichgewicht und Körpergefühl zu stärken.

Verbindung mit Special Olympics

Alle Sportgruppen stehen in enger Verbindung mit Special Olympics, deren rheinland-pfälzische Gründung wiederum Karl-Heinz Thommes zu verdanken ist. Darüber hinaus begleitet die Lebenshilfe behinderte Menschen auf dem Arbeitsmarkt und hilft ihnen, den Alltag drum herum zu gestalten. Damit das gelingt, betreibt die Lebenshilfe in Prüm vier Wohnheime mit je 25 Plätzen und betreut zusätzlich zehn Behinderte, die außerhalb leben. "Wir kämpfen für Menschen, die sonst keine Lobby haben, damit sie angemessene Unterstützung haben", so Kirsch. Die Lebenshilfe finanziert sich über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Die Finanzierung von Einrichtungen wie Kitas, Werkstätten und Wohnheimen läuft zwar hauptsächlich über staatliche Fördermittel, aber die Lebenshilfe muss zehn Prozent aus Eigenmitteln aufbringen. Für die Kita sind das allein 40.000 Euro im Jahr.

Hohe Spendenfreude

In Prüm sei das kein Problem, erzählt Guido Kirsch, weil Stadt, Verbandsgemeinde, Kreisverwaltung, Arbeitgeber und Verbände eine hohe Bereitschaft zeigen, den Verein zu unterstützen. "Ich spüre in Prüm, dass Menschen mit Behinderung selbstverständlich dazugehören. Da wird nicht viel über Inklusion geredet, da wird gemacht", sagt Kirsch, der es wissen muss. Schließlich war er bis zu seiner Pensionierung 20 Jahre lang Schulleiter der Astrid Lindgren Förderschule. Nach insgesamt 40 Jahren an Förderschulen hat er auch das Ehrenamt an der Spitze der Lebenshilfe Prüm gerne übernommen. "Wenn ich den Kindern in die Augen schaue ist das Motivation und ich weiß, es ist richtig, was ich tue, weil ich Menschen helfen kann", schwärmt Kirsch von seiner Arbeit mit Behinderten. Er betrachtet die Lebenshilfe als "moralische Verpflichtung". Seine Begründung: "Diese Menschen brauchen Menschen, die sich mit Herzblut um sie kümmern." Es gehe darum, behinderte Menschen zu unterstützen, damit sie ihr Leben meistern und ein wertgeschätztes Mitglied in der Gesellschaft sein können. In den letzten Jahren beobachten Kirsch und Thommes allerdings eine beunruhigende Entwicklung. "Es wird mehr gehetzt gegen Behinderte", sagt Kirsch und Thommes ergänzt: "Wir sind an einem Punkt wie vor 50 Jahren angekommen. Schwermehrfachgeistigbehinderte werden vergessen."Eins der nächsten Projekte ist die Erweiterung der integrativen Kita. "Die Pläne sind auch schon genehmigungsreif, aber es scheitert im Moment noch an der Finanzierung", erklärt Guido Kirsch. Das wiederum läge am neuen Teilhabegesetz, das im Januar in Kraft tritt und noch für Unklarheiten sorge.

Info: Prümer Lebenshilfe

  • Mit den Lebenshilfe Kreisvereinigungen Bitburg und Daun betreibt die Prümer Lebenshilfe die Westeifel Werke GmbH.
  • Zu den Westeifel Werken gehören Wohngemeinschaften, die WEW Integrationsgesellschaft, das euvea Hotel und die Europäische Werkstätten Cooperation. 
  • Gemeinsam sind die drei Lebenshilfe-Kreisvereinigungen einer der größten Arbeitgeber in der Eifel (mehr als 1200 Beschäftigte).
von Sybille Schönhofen (bil)


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