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Das Schweigen über ein grässliches Germeter

»Regio Oratio«, das zeitkritische Informationsangebot von Konrad und Benedikt Schöller, lädt zur Ausstellung zum Reichsausbildungslager II Germeter in der Schmidter Pfarrkirche.
Regionalhistoriker Konrad Schöller öffnet die Türe zur Ausstellung über das Reichsausbildungslager II Germeter in der Schmidter Pfarrkirche. Foto: Privat

Regionalhistoriker Konrad Schöller öffnet die Türe zur Ausstellung über das Reichsausbildungslager II Germeter in der Schmidter Pfarrkirche. Foto: Privat

Wenn von der Rolle des Hürtgenwaldes in der Zeit des Nationalsozialismus die Rede ist, werden dies die meisten mit dem Schlachtengeschehen im Kriegswinter 1944/45 assoziieren. Weit weniger bekannt, aber genauso dürftig wissenschaftlich erforscht ist ein anderes Alleinstellungsmerkmal des Hürtgenwaldes, das Reichsausbildungslager II in Germeter. Benedikt und Konrad Schöller aus Simmerath bzw. Schmidt sind diesem Lager auf die Spur gekommen; es bleibt aber noch viel Forschungsarbeit zu leisten. Bei ihren regionalhistorischen Nachforschungen sehen sich die beiden Schöllers nicht selten massiven Anfeindungen ausgesetzt. Denn im Gegensatz zum Rest der Republik hält sich im Hürtgenwald der Mythos von der »sauberen Wehrmacht« nach wie vor hartnäckig, obwohl diese Legende seit Jahrzehnten wissenschaftlich widerlegt ist. »Der eigene Opa war ja kein Nazi. Nach der Lesart von Personen, die die örtliche Erinnerungskultur maßgeblich bestimmen, gab es im Hürtgenwald nur Opfer, aber keine Täter. Wagt man es, pauschale Behauptungen laut zu hinterfragen, gerät man unversehens in die Schusslinie der Geschichtsrevisionisten und wird als Nestbeschmutzer beschimpft«, beschreibt Konrad Schöller die unbequeme Rolle kritisch nachfragender Geister und ergänzt »In der Schlacht um Kommerscheidt Anfang November 1944 hämmerte der US-Gefreite Joseph R. Perll nicht ohne Grund das H (Hebrew) aus seiner Erkennungsmarke. Denn in deutscher Kriegsgefangenschaft hätte ihm seine jüdische Religionszugehörigkeit schnell zum Verhängnis werden können.« Gerade in Zeiten, in denen rechtsgesinnte Politiker die NS-Zeit als »Vogelschiss der Geschichte« verharmlosen und stolz auf vermeintliche »Leistungen« von Hitlers Wehrmacht sind, wollen die Schöllers nicht in Passivität verharren. Im Rahmen bescheidenster eigener Möglichkeiten versuchen sie, Aufklärungsarbeit zu leisten. Diesem Zweck dienen erstmals ausgestellte Fotos und Texte zum »Reichsausbildungslager II Germeter« im Schmidter Kirchengebäude.

Raum des Friedens

»Wir sind den Verantwortlichen der Kirchengemeinde sehr dankbar, dass sie uns im Raum des Friedens die Gelegenheit zur Dokumentation geben. Dort stehen aus Platzgründen zwar nur wenige Quadratmeter zur Verfügung, aber das ist allemal besser als gar keine Präsentation im öffentlichen Raum«, umreißt Geschichtslehrer Benedikt Schöller die Problematik unzureichender Ausstellungskapazitäten in Schmidt. Nach den Recherchen der Schöllers war der Hürtgenwald nicht nur monatelang ein Ort qualvollen Sterbens. Hier befand sich einstmals eine regelrechte braune Brutstätte zur rassenideologischen Indoktrination ausgewählter Jungvolkführer. Im »Reichsausbildungslager II Germeter« stand neben militärischen Übungen ganz besonders eine massive politisch-ideologische und extrem antikirchliche Schulung im Vordergrund, die ausschließlich von fronterfahrenen und hochdekorierten Angehörigen der Waffen-SS durchgeführt wurde. »Germeter war grässlich, wir wurden gnadenlos gedrillt und massiv weltanschaulich ausgerichtet, besonders antiklerikal«, fasst Günther Roos aus Brühl in seinen Tagebuchaufzeichnungen die für ihn so ungewohnten wie harten Wochen im Lager rückblickend zusammen. Seine entscheidend in Germeter intensivierte Indoktrination blieb nicht ohne Wirkung. Roos glaubte bis zuletzt an den »Endsieg«. Immerhin verlor sich bei ihm in der Nachkriegszeit das tiefsitzende Gedankengut der NS-Rassenideologie. Er habe nach und nach erkennen müssen, dass der Nationalsozialismus ein verbrecherisches System gewesen sei. Aber erst im Laufe eines langwierigen Prozesses sei ihm das volle Ausmaß der Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Zweiten Weltkriegs bewusst geworden.

Ausstellung täglich geöffnet

Ein Besuch der Ausstellung im »Raum des Friedens« in der Schmidter Pfarrkirche ist täglich zwischen 10 und 18 Uhr ohne Entgelt möglich.
Detaillierte Auskünfte bei Benedikt und Konrad Schöller, Nideggener Str. 110, in Schmidt unter Tel. 02474/99180 oder per E-Mail an schoeller110@t-online.de


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