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"Geben Sie die Hoffnung nicht auf. Sie sind nicht allein"

Der Kreis Euskirchen blickt auf die Flutnacht vom 14. auf den 15 Juli zurück. Bisher hat die Katastrophe im Kreisgebiet 26 Menschenleben gefordert. Drei Personen werden bis heute vermisst.
In einer Pressekonferenz informierten unter anderem Landrat Markus Ramers (re.), Kreisbrandmeister Peter Jonas (Mitte) und Martin Fehrmann, Abteilungsleiter Gefahrenabwehr (li.) über die Lage in der Hochwasserkatastr0phe. Foto: Scholl

In einer Pressekonferenz informierten unter anderem Landrat Markus Ramers (re.), Kreisbrandmeister Peter Jonas (Mitte) und Martin Fehrmann, Abteilungsleiter Gefahrenabwehr (li.) über die Lage in der Hochwasserkatastr0phe. Foto: Scholl

Gemeinsam gaben Landrat Markus Ramers, Kreisbrandmeister Peter Jonas, Bundeswehr-Brigadegeneral Peter Webert und Oberstleutnant Stefan Heydt und E-Regio-Geschäftsführer Markus Böhm einen Überblick über die Lage eine Woche nach der Flutkatastrophe.

Landrat appelliert an Bevölkerung

Landrat Markus Ramers bezeichnet die Lage im Kreis als »Jahrtausendkatastrophe« und führt aus: »Der Kreis Euskirchen wurde von dem Unwetter und den anschließenden Überflutungen ganzer Ortschaften und Landstriche schwer getroffen. Am Morgen des 15. Juli um 4.06 Uhr ist die Großeinsatzlage zum Katastrophenfall geworden. Wir trauern um 26 Tote und suchen immer noch nach drei Vermissten. Unsere Gedanken sind bei den Hinterbliebenen und Angehörigen, denen wir viel Kraft wünschen, diese Situation zu meistern. Dabei werden wir als Kreis nach Kräften helfen – und setzen darauf, dass Bund und Land ihre Zusagen für unbürokratische Soforthilfen für die Betroffenen als auch ihre Zusagen für den Wiederaufbau der Infrastruktur einhalten. Geben Sie die Hoffnung nicht auf. Sie sind nicht allein«, so der Appell des Landrats.
Die Sachschäden seien noch nicht komplett zu überschauen, so Ramers. »Menschen haben ihre Existenzen verloren, die Einsatzkräfte sind seit über einer Woche bis zur kompletten Erschöpfung im Einsatz und riskieren dabei auch ihr eigenes Leben– bei uns im Kreis glücklicherweise ohne Todesfälle. Und – auch das muss gesagt werden: Ich bin allen, die selbst verschont wurden oder die es nicht so schlimm getroffen hat, zutiefst dankbar, wenn sie selbstlos anderen helfen. Dieser Zusammenhalt macht Mut. Meine Dankbarkeit gilt selbstverständlich auch für die große Hilfs- und Spendenbereitschaft aus dem ganzen Bundesgebiet und sogar aus dem Ausland.«

Falschmeldungen "inakzeptabel"

Als inakzeptabel bezeichnete Ramers massive Falschmeldungen in den sozialen Medien, die die Kreisverwaltung aufgrund des Zusammenbruchs der Stromversorgung und des Mobilfunknetzes nicht unmittelbar richtigstellen konnte.
Vor dem drohenden Unwetter wurde bereits ab Montag, 19. Juli, über die Warn-Apps
»Nina« und »Katwarn« gewarnt, erste Einsätze gab es am Dienstag und Mittwoch, als auch über die Medien vor dem drohenden Unwetter gewarnt wurde. In der akuten Phase am Mittwochabend seien dann auch die Sirenen im Kreis Euskirchen ausgelöst worden.
Kreisbrandmeister Peter Jonas berichtete von flächendeckenden Stromausfällen, ebenso von Ausfällen im Mobil- und Digitalfunknetz. »Wir hatten Mühe, die Einsatzkräfte überhaupt zu erreichen, um ein Lagebild aus den einzelnen Kommunen und Ortslagen zu erhalten«, so Jonas.
Insgesamt seien die Wassermassen von überall her durch die Überflutungsgebiete geflossen, die Schäden an Gebäuden und Straßen seien durch die extrem starke Strömung und mitgerissene Autos und sonstiges Treibgut entstanden. »Die Strömung war so stark, dass sogar Boote der DLRG in den Fluten gekentert sind – die Einsatzkräfte konnten sich retten.«

Bis zu 600 Notrufe pro Stunde

Große Bereiche des Kreises mit insgesamt 194.000 Einwohnern sind von der Katastrophe betroffen. Die Schwerpunkte der Zerstörung liegen unter anderem in Bad Münstereifel, Schleiden, Gemünd, Weilerswist und Euskirchen.  Seit Beginn der Unwetterlage verzeichnete die Kreisleitstelle mehr als 17.300 Notrufe (Stand: 22. Juli), in Spitzenzeiten waren es 600 Notrufe pro Stunde – wobei auch der Notruf aufgrund des Netzausfalls zwischenzeitlich nicht erreichbar war. 3.500 Einsätze wurden gefahren. 2.750 Einsatzkräfte der Feuerwehren und zusätzlich 1.000 ehrenamtliche Helfer des THW, der DLRG, der Malteser, des DRK und weiterer Organisationen arbeiten rund um die Uhr. »Die Katastrophe und ihre Folgen sind für die Bevölkerung, vor allem für die unmittelbar Betroffenen, aber auch für die Einsatzkräfte eine hohe psychische Belastung«, erläutert Peter Jonas.
Wie schnell und massiv die Fluten über den Kreis hereinbrachen, ist auch daran zu erkennen, dass 27 Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr nicht mehr einsatzbereit sind – bei manchen könne nur noch »Totalschaden« festgestellt werden, so der Kreisbrandmeister.
Die Bundeswehr ist in der Städteregion Aachen und in den Kreisen Rhein-Erft, Rhein-Sieg und Euskirchen mit insgesamt rund 1.400 Soldaten im Einsatz, allein 170 in Bad Münstereifel. Außerdem würden Messungen zu Erdrutschungen und Geländeverschiebungen durchgeführt, um weitere Risiken zu identifizieren. »Wir stehen an der Seite der Menschen, die von der Katastrophe betroffen sind – und wir bleiben so lange, wie wir gebraucht werden«, betonten Brigadegeneral Peter Webert und Oberstleutnant Stefan Heydt unisono.
Markus Böhm vom regionalen Versorger »e-regio« gab einen Überblick über die aktuelle Lage der Strom-, Gas- und Wasserversorgung im Kreis. Für alle Einwohner gilt nach wie vor das Gebot, Wasser vor der Nutzung abzukochen. Der Wiederaufbau der Versorgungsinfrastruktur werde an vielen Stellen Wochen, wenn nicht Monate dauern – gleichwohl konnte auch einiges wieder ans Netz gehen, etwa durch Leitungsumleitungen.

Infrastruktur und Soforthilfen

Auch die Verkehrsinfrastruktur mit Straßen und Brücken wurde vielerorts zerstört. Aktuelle Sperrungen und Umleitungen können hier abgerufen werden: https://maps.viakoeln.de/de/map/euskirchen-schadensmelder-infrastruktur_64. Es wird noch eine Weile dauern, bis alle Schäden und die daraus resultierenden Sperrungen ermittelt und eingepflegt sind, da in den stark betroffenen Kommunen die Schadensaufnahme gerade erst beginnt. Die Steinbachtalsperre ist inzwischen komplett leergepumpt und wird weiter überwacht. Ein neues Überlaufventil soll im Lauf der kommenden Wochen an tieferer Stelle des Damms eingebaut werden, um bei zukünftigen Starkregenereignissen den Druck auf den Damm zu reduzieren. Die Landesregierung stellt unbürokratische und schnelle Soforthilfe für von der Unwetterkatastrophe vom 14./15. Juli 2021 betroffene Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Angehörige freier Berufe, Landwirte und Kommunen in Höhe von 200 Millionen Euro bereit. Nähere Informationen und den Antrag gibt es hier: https://www.land.nrw/de/soforthilfe
Aktuelle Entwicklungen: www.wochenspiegellive.de


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