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Grabsteine erhitzen Gemüter

Herbert Jung ist nicht der erste, der den Hinweis »Unfallgefahr« auf dem Grab seiner Eltern für einen Streich hielt. »Das Denkmal bewegte sich nicht«. Doch die Stadt belehrte ihn eines besseren.
Herbert Jung ist über die Vorgehensweise der Friedhofsverwaltung verärgert. Foto: Breuer

Herbert Jung ist über die Vorgehensweise der Friedhofsverwaltung verärgert. Foto: Breuer

Bereits seit Mai diesen Jahres überprüfen Mitarbeiter der Euskirchener Friedhofsverwaltung auf allen 19 städtischen Friedhöfen die Grabmäler auf Standfestigkeit. »Mehrere Dutzend gelbe und rote Zettel wurden seitdem verteilt«, weiß Klaus Schmitz, Kämmerer der Stadt Euskirchen und Fachbereichsleiter für Finanzen und Liegenschaften. Sie sollen auf eine Unfallgefahr durch lose Grabsteine und extrem baufällige Denkmäler hinweisen. »Sie dienen dem persönlichen Schutz aber auch dem der anderen Friedhofsbesucher«, ergänzt Schmitz.

Von Hinweis überrascht

Herbert Jung sieht das allerdings anders: »Ich finde es ungeheuerlich, wie die Stadt auf einem Friedhof, einer Ruhestätte, vorgeht«, beschwert er sich. Der Euskirchener bringt regelmäßig das Grab seiner Eltern auf dem Wißkirchener Friedhof auf Vordermann. Umso erstaunter war er deshalb, als er eines Tages ein gelbes Klebeschild auf dem Grabstein vorfand. »Ich war zwar nicht der einzige Friedhofsbesucher, der von einem Hinweis überrascht wurde, aber ich habe mich bloßgestellt gefühlt«, erzählt Herbert Jung. Zu allem Ärgernis habe der Zettel auch noch Kleberückstände hinterlassen. »Diese Klage hören wir jährlich des Öfteren«, so der Kämmerer. Eine andere Alternative zu den Klebeschildern sehe er aber nicht. Schließlich sollen diese eine Weile halte. »Nicht jeder schafft es, eine Grabstätte regelmäßig zu pflegen«, rechtfertigt Schmitz.

Keine Waage dabei

Genau wie die Familie Breidbach aus Kuchenheim (wir berichteten in der Ausgabe am 13. September im Artikel »Ewige Ruhe auf wackeligem Fundament«) hielt Herbert Jung diese auffällige Markierung zunächst für einen geschmacklosen Scherz. Als er dann einen Tag später das passende Schreiben der Stadt Euskirchen in seinem Briefkasten vorfand war ihm klar, dass es sich um eine ernstzunehmende Aufforderung handelt, den Grabstein neu befestigen zu lassen. »Nach eigener Überprüfung hat sich der Grabstein allerdings nicht bewegt«, erzählt Herbert Jung, der daraufhin Kontakt zur Friedhofsverwaltung und auch dieser Zeitung aufgenommen hat. Wie die Familie Breidbach hat auch er eine Ortsbegehung gefordert. Die Stadt kam dieser Bitte nach und siehe da - der Grabstein wackelte. Das verwunderte Herbert Jung allerdings nicht, denn laut seiner Aussage habe sich der Mitarbeiter mit voller Wucht gegen den Grabstein gestemmt. Kämmerer Klaus Schmitz erklärt: »Die Prüfung der Standsicherheit wird händisch mit einer Horizontallast von 50 Kilogramm aufgebracht«. Die Versuchsdurchführung entspreche daher der Vorschrift des Bundesverbandes Deutscher Steinmetze. Herbert Jung bemängelt, dass die Mitarbeiter weder eine Waage noch ein Prüfgerät mit sich führten. Schmitz: »Die Mitarbeiter, die diese Standsicherheitsüberprüfung durchführen, sind geschult und können bestens einschätzen, wie viel Kraft sie ausüben müssen«.

Hermann Rudolph, Leiter des Arbeitskreises Friedhof und Grabmal im Bundesverband Deutscher Steinmetze sagt: »50 Kilogramm händisch aufzubringen, ist nicht wenig. Die Überprüfung muss ein groß gewachsener, kräftiger Mann durchführen«. In zweifelhaften Fällen, das heißt bei Grabmälern, an denen mit dem Auge keine Mängel festzustellen sind, rät er deshalb eine Waage dabei zu haben. Sowohl bei den Breidbachs als auch bei Herbert Jung sei das nicht der Fall gewesen. Dennoch, so Rudolph, sei die Stadt korrekt vorgegangen. Allen Bürgern, die sich beim WochenSpiegel aufgrund bereits im September erschienenen Artikels gemeldet haben, bleibt daher nichts anderes übrig, als den Steinmetz ihres Vertrauens aufzusuchen und die im Durchschnitt 250 Euro für die Grabsteinbefestigung auszugeben.


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