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Maibräuche aus der Eifel

Maibäume, Maifeuer, Mailehen - es gibt viele Bräuche zum Beginn des Wonnemonats. Doch längst nicht alle davon sind weit verbreitet und teilweise sind sie von Dorf zu Dorf unterschiedlich.

Wer sich über die Maibräuche der Eifel informieren will, der wird schnell bei Sophie Lange fündig. Für das Eifel-Jahrbuch hat die Autorin vor einigen Jahren die Geschichte der Eifeler Bräuche aufgearbeitet. Darin kann man einiges zum Wandel des Mai-Brauchtums erfahren. So war es früher beim Stellen der Maibäume üblich, dass die Junggesellen gemeinsam durch das Dorf zogen und den unverheirateten Damen einen Baum ans Haus stellten. Dabei wurden Birken nur für „unbescholtene“ Mädchen verwendet. Wer angeblich faul, leicht zu haben, kratzbürstig oder eine alte Jungfer war, dem wurde ein zum angenommenen Charakterzug passender Schandmai gestellt. Erst später ging der Brauch dazu über, dass jeder Junggeselle nur einem Mädchen einen Baum stellte.
Dabei war es - anders als heute - nicht erlaubt, dass jemand einfach seinem Schwarm einen Baum stellte. Die Damen mussten als Mailehen erworben werden. Alle unverheirateten Frauen wurden vor dem Mai versteigert und wer ein Mädchen ersteigerte, kaufte damit das Recht ein, mit ihr Zeit zu verbringen - unter der Aufsicht der Eltern natürlich. Die Mädchen hatten dabei kein Mitspracherecht und durften sich bis zum Ende der Lehenszeit nicht mit einem anderen jungen Mann treffen.
Gemeinschaft stärken
Zum Sinn des Brauches zitiert Lange einen Text aus dem Jahre 1926, in dem der Autor vermutet, der Brauch rühre daher, dass die Landbevölkerung so wortkarg und schüchtern sei. Die von den Alten angeleierte Versteigerung sei entstanden, um Jungen und Mädchen zueinander zu führen und sie dazu zu zwingen, Zeit miteinander zu verbringen. Lange selber schreibt: „Ziel des Mailehen-Heiratsmarktes war es, dass Ehen möglichst innerhalb des Dorfes geschlossen wurden.“ So wurde die Gemeinschaft gestärkt und zugleich dafür gesorgt, dass der Grundbesitz im Dorf blieb, folgert Lange. War dieser Brauch anfangs noch im Raum Köln, in Hessen, im Hunsrück, in der Eifel und im Saarland verbreitet, so überlebte er weiter in den heutigen Kreisen Ahrweiler, Bonn, Euskirchen und Rhein-Sieg.
Aktuell sind die Hintergründe der Bräuche nicht mehr - das Brauchtum ist deshalb längst nicht verschwunden. Maibäume sind im Kreis Euskirchen immer noch verbreitet und auch die Mailehenversteigerung gibt es in manchen Orten noch.
Dazu gehört Kirchheim, in dem einer der ältesten Junggesellenvereine Deutschlands aktiv ist: der Junggesellenverein Hockenbroich 1709 e.V. Kirchheim.  Hier wird, einer historischen Tradition folgend, das Maifest erst an Pfingsten gefeiert. Früher, so erklärt Präsident Christopher Pick,  habe es zwei Junggesellenverein gegeben und damit man sich mit den Maifesten nicht in die Quere kam, wich ein Verein auf das Pfingstwochenende aus. Der andere Verein existiert schon seit den 50er Jahren nicht mehr - ihre Tradition wollten die Hockenbroicher dann aber auch nicht mehr ändern, so dass in Kirchheim bis heute der Mai an Pfingsten gefeiert wird. Traditionell gehen die Feierlichkeiten vorher los mit der Versteigerung der Mädchen aus dem Ort. Mitsteigern dürfen dabei nur die Mitglieder des Vereins.  „Das Startgebot“, so erzählt Marco Steffes, der seit vielen Jahren im Verein aktiv ist, „liegt bei einem Euro.“
Preise werden hochgetrieben
Die Preise können dann bis zu 70 Euro hoch gehen. Hierbei ist es natürlich so, dass jemand, der seine eigene Freundin ersteigern möchte, gerne von den anderen Junggesellen hochgeboten wird. Schließlich bessern die Einnahmen der Versteigerung die Kasse des Vereins auf.
Am Ostersonntag zieht der Verein durch den Ort und besucht alle Damen, die ersteigert wurden. Hat ein Mädchen kein Interesse, so öffnet sie die Türe einfach nicht und wird dann in Ruhe gelassen. Öffnet sie die Türe, so tanzt das Paar gemeinsam zum Gesang der Junggesellen und die Gruppe wird zu einem Bier oder Schnaps eingeladen, bevor sie weiter zieht.
„Wenn jemand neu im Dorf ist und den Brauch noch nicht kennt, erklären wir dann, was es damit auf sich hat“, erzählt Steffes.  Die erste Skepsis weicht dann oft und im nächsten Jahr werden die Junggesellen schon freudig erwartet.
„Klar gibt es auch Frauen, die den Brauch nicht gut finden und uns vorwerfen, wir wären aus der Zeit gefallen“, sagt Steffes. Die meisten ersteigerten Mädchen aber machen bei der Aktion mit. Von 70 bis 80 ersteigerten, öffnen nur rund zehn Damen die Tür nicht.  
„Es werden ja nur die ersteigert, die auch eine Verbindung zum Fest haben“, erklärt Steffes. Wer also kein Interesse zeigt, wird im nächsten Jahr eher nicht ersteigert.
Erstaunlich ist dabei, dass das Interesse an dem Brauch bei den jungen Leuten eher zunimmt. „Wir haben einen richtigen Boom“, erzählt Steffes. Zum Tiefpunkt des Vereins habe man die Maifeierlichkeiten nur mit zwei Leuten organisieren müssen - heute hat der Verein annähernd 30 aktive Mitglieder und auch der Ball ist stets gut besucht. „Die jungen Leute putzen sich da richtig raus“, sagt Steffes. Die Junggesellen kommen im Anzug, die Mädchen im Kleid. Das liegt sicher auch daran, dass das Maifest eines der großen Feste ist, bei denen das ganze Dorf zusammen kommt. „Das ist ein Gemeinschaftsprojekt“, sagt Steffes. Alle Vereine unterstützen einander, damit das Fest weiter stattfindet.
„Hötjong“ ruft Paare aus Ein ganz eigenes Maibrauchtum wird im Südkreis in Kall gefeiert. Das Maigeloog - der Junggesellenverein - ruft hier vom Felsen über Kall die Maipaare - bestehend aus jungen Leuten aus dem Ort - aus. „Davon sind dann alle betroffen“, erzählt Mike Herr, der Vorsitzende, der im Verein „Hötjong“ genannt wird.  Zu den Aufgaben des „Hötjong“ gehört es, die Paare zusammenzustellen. Bevor die Datenschutz-Regelungen strenger wurden, bekamen die Junggesellen dafür von der Verwaltung eine Liste der Herren ab 18 und Damen ab 16/17 Jahren, die unverheiratet waren,  und stellten mit dieser Liste die Paare zusammen. Mittlerweile ist das deutlich schwieriger. „Wir müssen heute recherchieren, wo vielleicht passende Leute wohnen“, erzählt Lukas Müller, der stellvertretende Vorsitzende. Bis zum 30. April ist diese Liste geheim und nicht in Stein gemeißelt. Wenn jemand sicher gehen möchte, dass seine Freundin nicht einem anderen zugeordnet wird, darf er die Junggesellen „bestechen“, um derjenige zu sein, der den Baum stellen darf. Ebenso darf sich jemand von außerhalb mit einer „Bestechung“ das Recht erkaufen, seiner Kaller Freundin den Baum zu stellen.
Am 30. April schließlich ruft der Hötjung die 200 Paare aus.
Durchgemachte Nacht
Fast die gesamte Woche vor dem ersten Mai verbringen die Junggesellen auf dem ehemaligen Kirmesplatz. Dort nehmen sie die Bestechungen in Form von Bierkisten entgegen und kümmern sich darum, das Maifest zu organisieren.
Nach dem Ausrufen der Paare  findet auf dem Kirmesplatz ein Maifest statt, an dem die Junggesellen aber nicht teilnehmen. Die jungen Männer ziehen von Haus zu Haus, singen das Mailied und sammeln dabei Spenden ein, mit denen die Veranstaltungen finanziert werden. Im Anschluss werden bis in die Morgenstunden die Maibäume gestellt. Am nächsten Tag treffen sich die ausgerufenen Paare, um gemeinsam den Maiball zu feiern. „Die Junggesellen haben die Nacht dann meist durchgemacht“, erzählt Müller. 60 bis 70 der ausgerufenen Paare, so schätzen Herr und Müller, sind bei dem Ball dabei.
Ganz einfach ist es dabei nicht, den Brauch am Leben zu erhalten. „Das Interesse geht zurück“, sagt Lukas Müller. Junge Menschen zieht es in die Großstadt und die Junggesellen müssen sich um Nachwuchs bemühen. Doch das funktioniert: Aktuell sind 25 bis 30 Jugendliche im Verein aktiv. „Wir wollen das schließlich noch eine Weile weitermachen“, betont Müller.
Auch hier ist es das Engagement der jungen Menschen, das dafür sorgt, dass der Brauch bestehen bleibt. Während andere historische Bräuche aussterben, so scheint das Maifest doch eine Faszination auf die jüngere Generation auszuüben, sorgt die schließlich Jahr für Jahr dafür, dass Maibäume gestellt und Mailehen versteigert werden. Wie wird man Maipaar? In Kirchheim wird aus dem Meistbietenden und seinem ersteigerten Mädchen das Maikönigspaar. Hier allerdings, so erläutert Präsident Christopher Pick, wird oft ein symbolischer Preis bis zu 1000 Euro geboten. Zahlen muss der Maikönig dann nur einen Teil der Summe.
In Kall ist stets das letzte ausgerufene Paar das Maikönigspaar. Diese Beiden werden aber nicht von der Entscheidung überrascht. „Wir sind vorher im Ort unterwegs und fragen herum, wer vielleicht Interesse hat“, erklärt Luaks Müller. Früher sei man Maikönigspaar geworden in dem Jahr bevor man heiratet. Deshalb versuchen die Junggesellen auch heute noch Pärchen auszusuchen, die schon länger zusammen sind und bei denen eine Hochzeit anstehen könnte.


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