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Reisen muss nachhaltiger werden

Wie fühlt es sich an, wenn einem der Boden unter den Füßen weggerissen wird? Und wie schafft man es, trotzdem positiv zu bleiben? Reisebloggerin Julia Lassner aus Mayen erzählt, was sie auch in der Krise zuversichtlich stimmt.
Dass man aus einer Krise gestärkt hervorgehen kann, beweist Julia Lassner. Statt auf das Negative, konzentriert sie sich – trotz Existenzängsten – auf das Positive. Foto: privat

Dass man aus einer Krise gestärkt hervorgehen kann, beweist Julia Lassner. Statt auf das Negative, konzentriert sie sich – trotz Existenzängsten – auf das Positive. Foto: privat

Als Reisebloggerin verdient Julia Lassner ihren Lebensunterhalt damit, an die schönsten Orte der Welt zu reisen und darüber zu berichten. Im Gespräch mit dem WochenSpiegel erzählt sie, was sich seit Corona  für sie geändert hat. Wie fühlt es sich für dich, jemand, der viel unterwegs ist und das Reisen zum Beruf gemacht hat, an, dass die Grenzen geschlossen sind und man nicht reisen darf? Eine Erfahrung, die für uns als junge Europäer völlig neu ist. Anfangs war die Coronakrise ein echter Schock für mich. Alle Aufträge für dieses Jahr wurden von einem auf den anderen Tag storniert oder auf unbestimmte Zeit verschoben, ein großes Herzensprojekt, an dem ich monatelang gearbeitet hatte, platzte und meine kompletten Einnahmen brachen weg. Ich fühlte mich zunächst völlig hilflos und durchlief sämtliche Gefühlswelten von Wut und Trauer über Verzweiflung bis hin zur Existenzangst. Mittlerweile geht es mir sehr viel besser. Das liegt zum Einen daran, dass ich in den letzten vier Wochen mit meinem Umzug von Berlin zurück in die Eifel beschäftigt war und dadurch so abgelenkt war, dass ich mich kaum noch mit Corona beschäftigte und zum Anderen liegt es daran, dass ich wieder positiv in die Zukunft blicke - auch wenn sich das Reisen und somit meine Arbeit in Zukunft stark verändern werden. Das Coronavirus trifft uns alle, aber die Reisebranche mit am härtesten. Du sprichst in deinem Blog offen darüber, wie viel Geld dich die Krise kostet und noch kosten wird. Wie hältst du dich jetzt finanziell über Wasser? Nicht reisen zu dürfen bedeutet für mich kein Geld zu verdienen. Der Großteil meiner Einnahmen fällt derzeit also weg. Kleinere Einnahmequellen, auf die ich mich zum Glück auch trotz des Reiseverbotes verlassen kann, sind zum Beispiel der Verkauf meiner beiden Bücher oder der Verkauf von Fotolizenzen. In den letzten Wochen kamen ein paar kleine Instagram- und Textaufträge rein, aber im Großen und Ganzen ist die finanzielle Lage aktuell eine Katastrophe. Was war eigentlich für 2020 geplant? Für 2020 waren viele Aufträge in Deutschland geplant, zum Beispiel eine Fernsehproduktion mit dem ZDF auf Sylt, aber auch Produktionen in Österreich und der Schweiz. Meine beiden Highlights in diesem Jahr sollten zwei Camper Roadtrips werden - einer durch Tschechien, der andere durch Slowenien. Privat hatte ich für 2020 eine Wanderung mit drei Freundinnen in der Sächsischen Schweiz sowie eine 3-wöchige Schottland Reise geplant. Zum Glück hatten wir die Zugfahrt dorthin noch nicht gebucht. Die Reisebranche wird sich vermutlich nachhaltig verändern. Denkst du, es wird möglich sein, deinen Beruf nach der Corona-Krise in der Art noch auszuüben? Ja, absolut. Ich merke schon jetzt, dass die Reisebranche langsam nervös wird, auf baldige Lockerungen hofft und die ersten Kampagnen für die Zukunft geplant werden. Noch ist alles sehr unsicher, aber die Hoffnung ist da. Ich denke, dass wir in diesem Jahr ausschließlich im eigenen Land reisen werden und bin froh, dass Reiseziele in Deutschland mittlerweile ein großes Schwerpunktthema des Blogs sind. Auf globusliebe.com gibt es eine eigene Kategorie mit vielen Tipps für kleine und große Abenteuer vor der Haustür. Auch privat hat sich für dich viel verändert, bist zurück aus Berlin. Wärst du diesen Schritt auch ohne Corona gegangen? Da ich hauptsächlich wegen eines beruflichen Projektes nach Berlin gezogen bin, wäre ich auch ohne Corona zurückgekommen, nur eben ein paar Monate später. Durch die Krise kam zwar alles anders als geplant, aber im Moment bin ich sehr, sehr glücklich wieder in der Heimat zu sein. Welche positiven Aspekte hat die Krise für dich? Wo siehst du Chancen? Ich finde es gut, dass die Natur sich aktuell ein wenig erholen kann und dass durch den Rückgang von Industrie, Wirtschaftsleistung und Verkehr weniger CO2 ausgestossen wird. Allerdings fürchte ich, dass dieser positive Nebeneffekt nur von kurzer Dauer sein wird, denn sobald wir zur Normalität zurückkehren, leidet auch die Umwelt wieder unter unserem Verhalten. Ich wünsche mir deshalb von ganzem Herzen, dass in Zukunft ein Umdenken stattfindet. Für die Tourismusindustrie wünsche ich mir, dass das Reisen nachhaltiger und verantwortungsbewusster wird und zwar von beiden Seiden - den Unternehmen und den Reisenden. Es wäre zum Beispiel toll, wenn Unterkünfte schonender mit Ressourcen umgehen würden, wenn das Nachtzugfahren erschwinglicher werden würde und wenn Einwegplastik im Flugzeug verboten werden würde. In deinem Blog sprichst du auch über deine Ängste und Sorgen. Du wirkst aber dennoch sehr positiv. Wie schaffst du das und wie verbringst du die Zeit zu Hause? Dass ich im Moment so positiv wirke, liegt vermutlich daran, dass ich aus tiefstem Herzen glücklich bin. Lasse ich die finanziellen Sorgen und Zukunftsängste mal außen vor, dann habe ich aktuell so viel Zeit und so wenig Stress wie noch nie. In den letzten Wochen konnte ich mich deshalb voll und ganz auf den Umzug konzentrieren, das neue Haus einrichten, viel Zeit in der Natur verbringen und jede Menge kreative Projekte, wie das Bauen und Bepflanzen unserer Hochbeete, angehen.


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