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»Ich bin den Dreck vor der Türe leid«

Wenn Friedhelm Kappenstein aus Euskirchen nicht gerade an seinem Schreibtisch bei der Bundestagsverwaltung in Berlin sitzt, betreibt er »Trash-Fishing«. Was sich anhört, wie ein hipper Freizeittrend aus den USA, ist in Wahrheit harte Knochenarbeit. »Ich bin den Dreck vor meiner Haustüre leid«, so der Euskirchener, der sich nun regelmäßig mit Zange, Müllsack, Handschuhen und Gummistiefeln ausrüstet, um aus dem Veybach die kuriosesten Dinge an Land zu ziehen.

»Am Anfang der Fahrradsaison findet man viele Fahrradschlösser im Veybach. Ich hatte alleine letzte Woche neun unterschiedliche Fabrikate«, erzählt Friedhelm Kappenstein schmunzelnd. Im Herbst und Winter seien es vermehrt Regenschirme und Kopfbedeckungen. Nach Silvester und Karneval unterschiedliche Flaschen, Alu-Dosen, abgebrannte Leuchtkörper, Plüschtiere. Kappenstein: »Man weiß beim Trash-Fishing - so habe ich die Freizeitbeschäftigung genannt - nie, was einen erwartet«. Und manchmal widerfährt ihm auch Unangenehmes, beispielsweise wenn die Schutzkleidung vollläuft, er im Sumpf stecken bleibt oder die kleinen grauen Plastiktüten noch voll Hundekot sind. »Man muss auch ein gutes Gleichgewichtsvermögen haben und sich vor glitschigen Felsen und Steinen, plötzlichen Löchern oder Spalten in Acht nehmen. Die Aus- und Aufstiege an den Steilhängen sind auch sehr fordernd«, erzählt er. Denn er fischt nicht nur Unrat aus dem Wasser sondern beseitigt auch Müll am Ufer.

Besondere Fänge

»Ich unterscheide den eigentlichen Hauptfang im oder auf dem Grund der Gewässer und den ‚Beifang‘ am Ufer. Im Gewässer sind es naturgemäß eher schwerere Objekte«, so Kappenstein. Klassiker und besondere Herausforderungen seien Einkaufswagen und Autoreifen. Sie seien oft schon im Untergrund verankert und sind mit Grünzeug umwickelt. »Besondere Fänge«, gesteht er, »lassen meine Gedanken auch schonmal schweifen. Wer hatte wohl die roten Pumps an? Wer vermisst seinen Rauchmelder? Wo sind die Fahrräder zu den gefundenen Schlössern und wer hat aus welchem Grund darauf verzichtet, seine Medikamente zu nehmen?«. Schwimmendes Pelzgetier, Enten und andere Vögel sind häufig seine Wegbegleiter durch das Revier von der Posthalterei bis zur Mündung in die Erft. Auch Passanten beobachten häufig das Trash-Fishing, bleiben immer wieder stehen und informieren sich über die neue Freizeitbeschäftigung, begutachten und kommentieren den Fang. »Interessenten, die selbst mit anpacken wollen, haben mich aber noch nicht angesprochen«, so der Müllsammler.

Patenschaft

Vor fast einem Jahr hat Friedhelm Kappenstein einen Brief an Euskirchens Bürgermeister Dr. Uwe Friedl adressiert, in dem er sich über den vielen Müll entlang der Euskirchener Gewässer und in nächster Nähe zu seiner Haustüre beschwerte. »Der Bürgermeister reagierte zügig und bot mir eine Bachpatenschaft auf ehrenamtlicher Basis an. Schließlich wollte ich nicht nur klagen sondern auch aus Liebe zur Natur selbst versuchen, den Zustand zu ändern. Also nahm ich mich der Sache an«, erzählt er. Seit Oktober vergangenen Jahres wird Kappenstein von der Stadtverwaltung mit Müllsäcken, Griffzange und Handschuhen ausgestattet. Entsorgt wird der Müll über seine Restmülltonne. Sperrige Gegenstände werden vom Abfallwirtschaftszentrum abgeholt.


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