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Mehr Fälle von häuslicher Gewalt befürchtet

Die Einschränkungen durch das Coronavirus machen sich auch im Arbeitsalltag der Frauenberatungsstelle Euskirchen bemerkbar. Vor allem befürchten die Mitarbeiterinnen im Lockdown einen Anstieg der Fälle von häuslicher Gewalt.
Pandemiebedingt ist derzeit nie das gesamte Team der Frauenberatungsstelle vor Ort. Stellvertretend stellten sich Ursula Kurten (v.li.), Elena Fastabend und Ellen Mende für ein Foto zur Verfügung. Foto: Scholl

Pandemiebedingt ist derzeit nie das gesamte Team der Frauenberatungsstelle vor Ort. Stellvertretend stellten sich Ursula Kurten (v.li.), Elena Fastabend und Ellen Mende für ein Foto zur Verfügung. Foto: Scholl

Seit 30 Jahren ist der Verein »Frauen helfen Frauen« in Euskirchen aktiv. Durch die Corona-Pandemie hat sich im vergangenen Jahr vieles verändert, auch in der Arbeit der Frauenberatungsstelle, die durch den Verein betrieben wird. »Wir haben zwar 2020 ähnlich viele Beratungsgespräche wie in den letzten Jahren geführt, aber  die Auswirkungen der Pandemie machen sich in unserer Arbeit sehr stark bemerkbar. Vor allem müssen wir davon ausgehen, dass es in der heutigen Zeit vermehrt zu Fällen von häuslicher Gewalt kommt«, sagt Mitarbeiterin Ursula Kurten. »Wir vermuten, dass die Dunkelziffer stark angestiegen ist, weil die Chance, dass es jemand mitbekommt aktuell niedriger ist.«, so Kurten. Die Gründe dafür seien vielfältig. »Wenn etwas in einer Familie nicht stimmt, dann können Kinder ein Indikator dafür sein. Kinderärztinnen- und ärzten, Lehrkräften, oder  Erziehenden fällt nicht selten auf, wenn es häusliche Konflikte gibt. Oder man vertraut sich als Frau bei einen Tür-und-Angel-Gespräch der Freundin oder Nachbarin an«, erklärt Frauenberaterin Elena Fastabend. »Durch Schulschließungen, Kontaktbeschränkungen oder andere coronabedingte Veränderungen bleiben viele Fälle von häuslicher Gewalt einfach hinter verschlossener Tür verborgen«, vermutet Fastabend. Aber auch das Eskalationspotenzial sei aktuell viel höher. »Die Kinder können nicht zu Freunden zum Spielen, möglicherweise arbeiten die Betroffene und der Partner pandemiebedingt im Home-Office. Man hängt sich sprichwörtlich einfach viel mehr auf der Pelle. Dass da der Stressfaktor steigen kann, ist klar«, sagt Elena Fastabend.

Mehr Frauen melden sich aus eigenem Antrieb

Früher seien Fälle von häuslicher Gewalt meistens von der Polizei an das Team der Frauenberatungsstelle herangetragen worden. »Mittlerweile melden sich aber auch immer mehr Frauen von sich aus bei uns«, sagt Kurten.  
Nicht weniger wichtig sei es, dass vor allem die Nachbarn aufmerksam sind. »Wenn in der Nebenwohnung lautstark die Worte und die Möbel ‚fliegen‘ sollte man sich nicht scheuen die Polizei oder uns anzurufen. Es ist besser man meldet sich einmal zuviel, als zu wenig«, sagt Ursula Kurten.
»Für viele Frauen, die sich trennen wollen, ist die Hemmschwelle während des Lockdowns höher denn je.  ‚Ich finde doch ohnehin keine Wohnung und wenn ich eine finde, woher bekomme ich Tapete, wenn die Baumärkte momentan geschlossen sind?‘ Das sind Fragen, die Frauen aktuell beschäftigen«, sagt Mitarbeiterin Ellen Mende.  
Auch mit dem Thema Einsamkeit wird das Team der Frauenberatungsstelle derzeit häufig konfrontiert. »Gerade für alleinlebende Frauen ist es wirklich schwierig, da sich die persönlichen Kontakte auf ein Minimum beschränken. Da kann man schon mal verzweifeln«, sagt Ellen Mende mitfühlend.
Einen weiteren Anstieg verzeichnet die Frauenberatungsstelle bei den Fällen von sexualisierter Gewalt an jungen Frauen.  »Junge Menschen haben aufgrund der Einschränkungen durch die Pandemie wenig bis keine Möglichkeiten sich öffentlich zu treffen. Viele Treffen finden dann im Privaten statt. Durch unterschiedliche Erwartungshaltungen kam es dann in vielen uns bekannten Fällen zu sexuellen Grenzüberschreitungen bis hin zu Vergewaltigungen«, berichtet Elena Fastabend aus ihrem Arbeitsalltag. Aber auch verbale sexualisierte Gewalt in sozialen Medien habe im vergangenen Jahr zugenommen.
Mit zunehmendem Beratungsaufkommen ist das Team der Frauenberatungsstelle in den letzten Jahren stetig gewachsen. Das hat dazu geführt, dass die aktuellen Räumlichkeiten nicht mehr groß genug sind und das Team auf der Suche nach einer neuen Bleibe ist.
 

Neue Bleibe für Beratungsstelle gesucht

»Die Suche gestaltet sich gar nicht so einfach, schließlich müssen die neuen Räume einigen Anforderungen entsprechen«, sagt Ursula Kurten. Damit nicht offensichtlich ist, dass Frauen die Beratungsstelle aufsuchen, sollten mehrere Parteien, die ebenfalls Publikumsverkehr haben, im Haus untergebracht sein.  Zwar ist die Beratungsstelle für den gesamten Kreis Euskirchen zuständig, ansässig muss sie jedoch im Bereich der Euskirchener Innenstadt sein. Auch Barrierefreiheit und Schallschutz seien laut Ursula Kurten wichtige Kriterien.

Kontakt:

Erreichbar ist die Frauenberatungsstelle Euskirchen unter der Telefonnummer 0 22 51/75 140,  oder per E-Mail: fbst@frauen-helfen-frauen.eu Montag, Dienstag und Donnerstag  von 9 bis 12 Uhr, Mittwoch von 16 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung. Termine bitte vorher telefonisch vereinbaren. Beratung rund um die Uhr in 17 Sprachen bietet das Hilfetelefon »Gewalt gegen Frauen« unter Tel.: 08000 116 016 an.
Neben der Frauenberatungstelle betreibt der Verein »Frauen helfen Frauen« ein Frauenhaus und die Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte und Familienplanung.


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