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Respektlosigkeit nimmt zu

Die Arbeit des Rettungsdienstes hat sich verändert. Die Retter werden mit Gewalt, Respektlosigkeit und überzogenem Anspruchsdenken konfrontiert.
Udo Crespin (v.l.), Martin Duske, Heiner Brück und Martin Fehrmann berichteten aus ihrem Alltag. Foto:TN

Udo Crespin (v.l.), Martin Duske, Heiner Brück und Martin Fehrmann berichteten aus ihrem Alltag. Foto:TN

 »Wir sind nicht im Krieg«, betont Udo Crespin, der Abteilungsleiter Gefahrenabwehr im Kreis Euskirchen. Bei 30.000 Einsätzen im Jahr kam es im vergangenen Jahr bei vier Einsätzen zu tätlicher Gewalt gegen die Helfer. In allen Fällen nutzen die Angreifer Hände und Füße - zum Glück keine Gegenstände oder gar Waffen. Ein Fall zog eine längere Arbeitsunfähigkeit nach sich.
So schlimm diese Fälle sind, so handelt es sich doch in Relation zu den Einsatzzahlen um Ausnahmen. Probleme gibt es dennoch.
Zum einen beklagen die Retter eine wachsende Respektlosigkeit gegenüber ihrer Arbeit und zum anderen einen explosionsartigen Anstieg an Einsätzen.
Mittlerweile müssen die Rettungsassistenten damit rechnen,  dass ihre Einsätze von Gaffern gefilmt werden, dass Leute die Tür zum Rettungswagen aufreißen oder dass jemand sich beklagt, wenn sie während der Rettungsarbeit vor einer Einfahrt parken.
»Es gibt die intuitive gezogene Grenze nicht mehr«, beklagt Udo Crespin. »Jeder lebt in seiner Komfortzone und wehrt sich sofort, wenn die eingeschränkt wird«, so Martin Duske, der für den Arbeitsschutz  bei den Rettungsassistenten im Kreis zuständig ist. Früher sei es üblich gewesen, dass Leute Platz machen bei einem Einsatz - das sei heute weniger der Fall.
Auch gehören Beleidigungen und Anfeindungen zum täglichen Geschäft. Dabei muss man natürlich herausfiltern, dass die Betroffenen oft in einer Notsituation sind und dementsprechend das Stresslevel hoch ist. Schimpft jemand, weil der Rettungswagen nicht schnell genug da war oder es ihm nicht schnell genug geht, dann liegt das oft an der Stresssituation oder der Sorge um einen Angehörigen. Aber die verbale Gewalt rührt nicht nur daher.
Mittlerweile, so haben Crespin und seine Mitarbeiter festgestellt, gibt es ein sehr großes Anspruchsdenken gepaart mit der Unfähigkeit, seine eigenen Probleme zu lösen.
Der Rettungsdienst wird schon bei Fieber gerufen und die Retter müssen sich anhören, dass sie nur gerufen wurden, damit die Patienten in der Notaufnahme schneller dran kommen. Wenn Patienten von diesem Schlag bei der Rettungsleitstelle anrufen, kann es auch mitunter unangenehm werden. »Die wollen nicht hören, dass wir dafür eigentlich nicht zuständig sind«, erklärt Martin Fehrmann aus der Leitstelle.
Für die Retter ist diese Situation eine schwierige. »Wir wollen nicht, dass jemand nicht anruft«, betont Crespin. Würde nur eine Person aus falscher Scham nicht rechtzeitig den Rettungsdienst rufen, so sei das eine Katastrophe. Doch aktuell ist der Rettungsdienst sehr belastet, weil er massenhaft Einsätze fährt, die eigentlich keine Fälle für den Rettungsdienst sind. Dabei sind es eher jüngere Bürger, die so schnell den Rettungsdienst rufen. »Die Leute entwickeln keine Bewältigungsstrategien mehr. Statt die eigenen Ressourcen zu nutzen, wird sofort jemand angerufen«, erklärt Rainer Brück, der für die psychosoziale Betreuung der Einsatzkräfte übernimmt.
Falls Sie Probleme haben, mit denen Sie sonst zum Hausarzt gehen würden, wählen Sie den kassenärztlichen Notdienst unter 116117 statt dem Notruf 112.


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