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Klaus Desinger

Die traurigen Fischer vom Rio Doce

Umweltkatastrophe in Brasilien: WochenSpiegel sprach mit Eliane Morong aus Idar-Oberstein - sie kommt aus der Region und ihre Familie lebt dort

Der süße Fluss wurde er genannt, der Rio Doce in Brasilien. Doch nach dem Dammbruch in den Rückhaltebecken einer Eisenerzmine ist die fast 900 Kilometer lange Lebensader komplett verseucht mit 60 Millionen Kubikmeter Klärschlamm, voller Arsen, Quecksilber, Zink, Blei und anderer giftiger Substanzen. Umweltorganisationen warnten vor Gefahren Eliane Morong aus Idar-Oberstein stammt aus dieser Region, ihre Familie, ihre Schwester, ihr Vater, leben in Governador Valaderes, 350 Kilometer vom Unglücksort entfernt, direkt am verseuchten Fluss. Die Brasilianerin hat Informationen aus erster Hand, tauscht sich per Facebook mit Freunden und Verwandten aus, darunter auch einem Hörfunkjournalisten. Der Betreiber der Mine Samarco in Mariana erklärte, ein leichtes Erdbeben sei für die Katastrophe verantwortlich. Doch darüber können die Brasilianer nur den Kopf schütteln. Schon vor geraumer Zeit hätten Umweltorganisationen das Gelände des weltweit größten Bergwerkskonzerns Vale und des australisch-britischen Rohstoffkonzerns BHP Billiton vor den Gefahren gewarnt. »Diese Warnungen wurden ignoriert«, sagt Morong. Es geht ums nackte Überleben Radiojournalist Marcus Vinicius weiß, dass der Konzern politische Parteien mit Millionensummen sponsert. Zwar habe Präsidentin Dilma Rousseff Schadensersatzforderungen gestellt, doch die würden in der Regel selten beglichen. Und selbst wenn, nützt das dem kleinen Fischer in den Dörfern herzlich wenig. Es geht ums nackte Überleben. »Es leben in dieser Region viele arme Leute, man hilft sich gegenseitig. Wenn einer ein Brot hat, wird es mit den anderen geteilt«, sagt Morong, Von der Regierung sei keine Hilfe zu erwarten.
Das Unglück geschah nachts, die Bewohner der Dörfer Bento Rodrigues und Paracatu wurden im Schlaf von der gigantischen Schlammlawine überrascht. Von 50 Toten spricht Morong. »Es gibt dort keine Feuerwehr, die wie in Deutschland kommt. Einmal kreiste ein Hubschrauber über dem Katastrophengebiet«, wurde der Idar-Obersteinerin berichtet. "Ich dachte, das ist das Ende der Welt" Eine Überlebende habe berichtet: »Ich dachte, das ist das Ende der Welt, wie es in der Bibel beschrieben wird«. Am süßen Fluss, der den Namen wegen seiner Reinheit und Klarheit trägt und nun bestialisch stinkt, liegt das Krankenhaus von Governador Valaderes. Die Patienten sind auf Wasser angewiesen. Die Behörden erklären, dass es gereinigt wurde und zu verwenden sei. Daraufhin würden sich Allergien ausbreiten. Morongs Schwester Elienie (49) ist Lehrerin für Umweltschutz an der städtischen Schule. Dort bekamen Kinder nach dem Wasserkonsum Durchfall. Lebensmittel würden nun von Nicht-Regierungsorganisationen aus anderen Landesteilen in die Unglücksregion gebracht. »Meine Tochter Carolina wurde in diesem Krankenhaus geboren, lebte bis zu ihrem 7. Lebensjahr in der Stadt. Ich habe dort ein Haus, wo mein Vater, meine Schwester leben«, betont Morong. Gift-Strom breitet sich rasend schnell aus Nun fließt dieser giftige Strom durch die Stadt - fast 900 Kilometer schlängelt er sich durch zwei Bundesstaaten und die Gift-Kloake breitet sich rasend schnell im Atlantik aus. Der Rio Doce war die Lebensgrundlage für abertausende einfache Bauern, Fischer. Überall tote Fische, Vögel, Reptilien, Amphibien. Seltene Tierarten sind ausgestorben. Fischerei und Landwirtschaft wird womöglich auf Jahrzehnte nicht mehr möglich sein. Die, die konnten, sind bereits nach Amerika ausgewandert. Die anderen sind auf Unterstützung von Bekannten aus anderen Bundesländern angewiesen.
Das Versagen von Bergwerksbetreibern und Politik ärgert die 51-Jährige: »Die Natur hat das Wasser nicht gestaut und den Giftschlamm nicht verursacht. Wir sind sehr gläubige Menschen und passen auf die Natur auf«. Sie seien Opfer des Staates, bekämen keine Hilfe. Das sei schon bei der von vielen Brasilianern unerwünschten WM so gewesen und bei den Olympischen Sommerspielen im kommenden Jahr. Prestigeobjekte seien wichtiger, als die Armut zu bekämpfen. Das demokratische Brasilien steuere auf eine Diktatur hin.


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