Seitenlogo
kb

Überfüllte Bürgerversammlung zur Notunterkunft

Das Thema Flüchtlinge brennt den Bürgern unter den Nägeln: Das zeigte sich bei der Bürgerversammlung am vergangenen Montag in Langenlonsheim, bei der das Land über die geplante Einrichtung einer Notunterkunft für bis zu 1 000 Flüchtlinge informierten.

Dicht an dicht und bis hinaus auf den Platz vor der Gemeindehalle drängten sich die Bürgerinnen und Bürger, um mit Integrationsministerin Irene Alt und Vertretern der Kommune über die Flüchtlingsunterkunft zu diskutieren. Der Andrang war kein Wunder, denn der Klärungsbedarf war angesichts der sehr holprigen Informationspolitik des Landes hoch. Anfang Oktober hatten Ortsbürgermeister Wolf und Verbandsgemeindebürgermeister Michael Cyfka über Gerüchte erfahren, dass auf dem ehemaligen Delphi-Werksgelände eine Notunterkunft für bis zu 2500 Personen geplant ist. Erst nach einer weiteren Ortsbegehung mit Flüchtlingskoordinator Detlef Placek entschied das Land, in der Einrichtung nicht mehr als rund 1000 Personen unter zu bringen. "Bei bestimmten Informationen hat das Integrationsministerium noch Luft nach oben", kritisierte Landrat Franz-Josef Diel die missglückte Informationspolitik des Landes.

600 Flüchtlinge pro Tag kommen ins Land

Die Flüchtlingswelle rollt: Aktuell kommen jeden Tag rund 600 Personen nach Rheinland-Pfalz. Das angesichts dieser Zahlen das Land in der Klemme steckt und händeringend nach Platz für Erstaufnahmeeinrichtungen sucht, war auch den Teilnehmern der Bürgerversammlung klar. "Die Einrichtung", so Ministerin Alt, ist notwendig. Es kommen immer mehr Flüchtlinge zu uns, und diese in Obdachlosigkeit stranden zu lassen, ist keine Option". Ebenfalls fast durchweg geteilt wurde die Ansicht, dass es Bürgerpflicht ist, Flüchtlinge zunächst mit Essen und einem Dach über dem Kopf zu versorgen. Aber: Zum Mitgefühl mit den notleidenden Menschen auf der Flucht gesellt sich mehr und mehr ein Gefühl der Ohnmacht gegenüber der rasant ansteigenden Zuwanderungszahl. Damit verbunden sind Ängste, dass die gesellschaftlichen Kräfte und das ehrenamtliche Engagement auf Dauer mit der hohen Flüchtlingszahl überfordert sind. So äußerten Bürger bei der Versammlung Bedenken hinsichtlich der Gesundheitsvorsorge für die Flüchtlinge, der persönlichen Sicherheit und der Integration in das Gemeindeleben. "Für so viele junge Flüchtlinge unter 25 Jahren gibt es doch in Langenlonsheim gar nicht genug Freizeitmöglichkeiten", gab eine Bürgerin zu bedenken.

Bürger äußerten Bedenken zur Sicherheit und Gesundheitsvorsorge

Was sind die Fakten: Laut Astrid Becker, Referatsleiterin im Integrationsministerium, wird die Unterkunft voraussichtlich noch in dieser Woche unter Leitung des DRK in Betrieb gehen. Vorgesehen ist ein zeitlich befristeter Betrieb, aber "wie lange die Unterkunft bestehen bleibt, ist momentan nicht zu sagen", so Ministerin Alt. Becker zufolge wird die Notunterkunft einen eigenen Wachdienst sowie eine eigene hausärztliche Versorgung haben. Sichergestellt sei auch eine ärztliche Untersuchung bei der Erstaufnahme jedes Flüchtlings. Zu Fragen der Sicherheit nahm Polizeidirektor Achim Hannes Stellung. "Sie müssen keine Angst haben", verwies der Leiter der Polizeidirektion unter anderem darauf, dass es in den Flüchtlingsunterkünften im Bezirk bislang nur zu einem einzigen Vorfall gekommen sei, der einen Polizeieinsatz erfordert habe. (Siehe dazu Seite 3 in dieser Ausgabe.) Um den Bürgern auch ein Sicherheitsgefühl zu geben, plane die Polizei unter anderem eine deutlich verstärkte Streifentätigkeit in Langenlonsheim. Diese werde so organisiert, dass für den Fall der Fälle in maximal 15 Minuten ein Einsatzwagen an der Unterkunft sei.

Ängste nicht auf dem Rücken der Geflüchteten auslassen

Astrid Becker zufolge wird die Unterkunft auch über eine Kinderspielstube und einen Sozialdienst inklusive Dolmetscher verfügen. "In der Einrichtung wird es auch eigene Freizeit-, Sport- und Bildungsangebote inklusive Sprachunterricht geben", so Becker, die zugleich die Hoffnung äußerte, dass diese Angebote "von Außen" durch ehrenamtliche Initiativen ergänzt werden. Diese Bereitschaft signalisiert hat bereits die "Initiative Willkommenskultur Langenlonsheim", in der sich momentan rund 40 Ehrenamtliche engagieren. Die Initiative (Kontakt: E-Mail willkommenskultur@gmx.net) sieht eine Unterkunft dieser Größe zwar auch als "Herausforderung", doch dieser müsse man sich zum Wohle der Geflüchteten stellen. "Diese Menschen tragen keine Schuld, sie sind die Leidtragenden, auch und besonders in einer solch großen Unterkunft", bittet die Initiative alle Bürger darum, Ängste nicht auf dem Rücken der Geflüchteten auszulassen und mitzuhelfen, wo immer es möglich sei. Einige grundsätzliche Kritikpunkte äußerte Landrat Diel in der Bürgerversammlung. So könne es nicht angehen, dass es bis zu einer Registrierung der Flüchtlinge bis zu drei Wochen dauere. Dies müsse zügiger gehen. Zudem blickte er kritisch auf das aktuelle Asylgesetz. "Dieses ist für eine Völkerwanderung nicht ausgelegt - aber genau diese erleben wir zur Zeit", mahnte er eine Anpassung des Gesetzes an. Text & Fotos: Kai Brückner


Meistgelesen