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Najem Wali nimmt Zuhörer mit in "sein" Bagdad

Vollbesetztes Haus am vergangenen Freitag Abend in der Stadtbibliothek. Der in Berlin lebende irakische Schriftsteller Najem Wali nahm auf Einladung von Amnesty International und der Stadtbibliothek Bad Kreuznach das Publikum mit auf die Reise in sein Bagdad der 60er und 70er Jahre.

Der 1956 geborene Schriftsteller träumte schon als Kind von Bagdad, als er in den 60er-Jahren im südirakischen Provinzstädtchen Amara aufwuchs. Sein Vater pendelte als Taxifahrer regelmäßig in die Hauptstadt und brachte die Geschichten von unterwegs mit nach Hause. Die erste Reise in seine Traumstadt wurde für den Jungen zum bleibenden Erlebnis. An der Hand des Vaters ging Najem durch die Raschîd-Straße, besuchte legendäre Orte wie die Mackenzie-Buchhandlung. Zu den glücklichen Augenblicken der Kindheit gehörte es, dass sein Vater regelmäßig ein deutsches Magazin aus Bagdad mit nach Amara brachte. Das Publikum in der Stadtbibliothek durfte raten. Stern oder Spiegel waren es nicht, es war das Burda-Moden-Heft. Nachdem es beider örtlichen Schneiderin Umm Badîi abgeliefert wurde, gab es dort immer legendäre Frauentreffen. Najem begleitete seine Mutter dorthin und nutzte dies, um von Bagdad zu erzählen. Die Schneiderin wagte die Prophezeiung, dass Najem einmal Journalist werde, ohne dass er mit diesem Wort etwas anzufangen wusste. Die Neigung zu Deutschland begann im Jugendalter mit der Entdeckung der Duineser Elegien vonRilke. Nach der Oberschule nahm Najem Wali 1974 das Studium der deutschen Literatur in Bagdad auf. Als Student wurde er vollends in die Geheimnisse der Stadt eingeweiht. Die Geschichte endet abrupt Ende 1980 mit der Flucht vor Krieg und Verfolgung. Die anschließende Diskussion mit dem Publikum brachte das Thema Bagdad zurück in die heutige Zeit. Najem Wali äußerte Sympathie mit der jungen Protestbewegung, die nicht religiös motiviert ist und gegen Korruption und Fremdherrschaft auf die Straße geht. Allerdings gibt es auch seit Oktober 2019 ein brutales Vorgehen der Sicherheitskräfte mit über 600 Toten und bis zu 30000 Verletzten zu beklagen, was an diesem Abend den Bogen zu Amnesty International spannte.  Die Bad Kreuznacher Amnesty-Gruppe hatte Appellbriefe an die irakischen Behörden zu zwei aktuellen Fällen vorbereitet. In beiden Fällen geht es um Verschwindenlassen. Der Anwalt Ali Jaseb Hattab al-Heliji wurde am 8. Oktober 2019 von bewaffneten Männern verschleppt. Seitdem ist nichts über sein Schicksal bekannt. Der 22-jährige irakische Fotograf Zaid Mohammed Abid al-Khafaji wurde am frühen Morgen des 6.Dezember von vier Männern in Zivil in ein Fahrzeug gezerrt und ist seitdem verschwunden. Das Publikum hat die Aktion in beiden Fällen tatkräftig unterstützt.


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