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Klaus Desinger

Ein Engel für die Obdachlosen

Idar-Oberstein. Im Winter die lange Pudelmütze, im Sommer ein Strohhut – Klaus Engel fällt auf in Idar-Oberstein. Seit 20 Jahren ist der Streetworker der Wohnungslosenhilfe der Stiftung Kreuznacher Diakonie auf Straßen und Plätzen unterwegs.
Streeworker Klaus Engel macht Idar-Obersteins Straßen sicherer.

Streeworker Klaus Engel macht Idar-Obersteins Straßen sicherer.

Sommers wie winters immer dabei: eine Weste mit reichlich Taschen und Täschchen. „Das ist mein Büro“, grinst er mit Blick auf seine zahlreichen „Schubladen“. Seit dem Startschuss im Frühjahr 2002 hat sich einiges geändert im Bild der Edelsteinstadt an der Oberen Nahe. Anfangs war Engel häufiger draußen, es gab viele Brennpunkte in Idar-Oberstein, wo sich Menschen tagsüber aufhielten und häufig Alkohol konsumierten. Immer wieder kam es am Rondell, am Christusplatz oder am Alexanderplatz in Idar zu Gewalt. Viele Männer waren zudem in einer städtischen Obdachlosenunterkunft untergebracht, wo Gewalt und Brandstiftung vorkamen. Bei einem „Runden Tisch“ suchte die Stadt mit anderen Akteuren nach Lösungen. „Als Wohnungslosenhilfe haben wir vorgeschlagen, einen Straßensozialarbeiter zu etablieren“, erinnert sich Dieter Groh-Woike, Leiter der Wohnungslosenhilfe in Idar-Oberstein. Im selben Jahr richteten er und seine Kolleginnen und Kollegen in Zusammenarbeit mit der Kreisverwaltung Birkenfeld auch den Tagesaufenthalt „Horizont“ ein. Dort können sich Menschen tagsüber aufhalten, bekommen etwas Warmes zu essen und zu trinken und haben die Möglichkeit, Wäsche zu waschen und zu duschen. Dass sich beide Maßnahmen gelohnt haben, darüber sind sich Groh-Woike und Engel einig. An den bekannten Plätzen halten sich inzwischen weniger Menschen permanent auf, beobachtet Engel bei seinen Runden an zentrumsnahen Plätzen. Wenn Menschen ohne Wohnung in Idar-Oberstein auffallen, wird der Streetworker in der Regel umgehend informiert. Ordnungs- und Sozialamt der Stadt, die in den vergangenen Jahren 80 Prozent der Streetworker-Stelle finanziert hat, und die Wohnungslosenhilfe haben in den vergangenen Jahren gut zusammengearbeitet: „Es ist gelungen, viele Betroffene in Wohnungen unterzubringen oder dort zu halten“, erzählt der Straßensozialarbeiter. Für Klaus Engel selbst ist ein neuer Arbeitsschwerpunkt hinzugekommen, bei dem er eng mit der neuen Fachberatungsstelle für Wohnraumsicherung der Stiftung Kreuznacher Diakonie zusammenarbeitet. Von geplanten Wohnungsräumungen erfährt er meist im Vorfeld vom Ordnungsamt. Das gibt die Chance, einen drohenden Wohnungsverlust zu vermeiden – was die beste aller Lösungen ist. „Meist sind es vielfältige Problemlagen, da geht es um Jobverlust, langfristige Erkrankungen oder die Drohung vom Gerichtsvollzieher, die Strom- und Wasserzähler auszubauen“, berichtet Engel.

Viele Tiefpunkte im Leben überwunden

In diesem Rahmen ist die Fachberatungsstelle für Wohnraumsicherung ein wichtiger Baustein, um die Hilfen für Menschen in Not zu koordinieren. Sie aktiviert ein Netzwerk von Hilfeträgern, um gemeinsam Lösungen zu finden. Besonders schwierig ist die Situation häufig für Menschen mit sogenannten Doppeldiagnosen, einer Kombination aus Sucht und psychischer Erkrankung. Gerade für diese Menschen setzt sich Klaus Engel intensiv ein, hat er doch als nun schon mehr als drei Jahrzehnte trockener Alkoholiker selbst viele Tiefpunkte in seinem Leben überwunden. So ist es ihm ein besonderes Anliegen, Alkohol- oder Drogensüchtige zum Entzug in geeigneten Kliniken zu motivieren. Nach 20 Jahren auf Straßen und Plätzen hat Klaus Engel viele unterschiedliche Menschen kennengelernt. „Mit den meisten Menschen komme ich gut zurecht – ich beherrsche deren Sprache und die verstehen mich“, erzählt er. Ihm gelingt es häufig, das Eis zu brechen und ins Gespräch zu kommen. Das ist wichtig, denn ohne Kommunikation lässt niemand Hilfe und Unterstützung an sich ran. Auch viel Leid ist dem Streetworker in seiner aktiven Zeit begegnet. „Was heißt da schon Normalität?“ fragt er sich. Wenn er auch in manches Schicksal nicht eingreifen kann, so lohnt sich für ihn doch jeder einzelne Einsatz – unterwegs mit Pudelmütze und Weste.


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