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Klaus Desinger

Jungem Ägypter droht Abschiebung

Mit Hass, Fremdenfeindlichkeit oder zumindest Vorbehalten müssen derzeit viele Flüchtlinge rechnen. Die sozialen Netzwerke quillen über mit rechtspopulistischen Ressentiments, dabei werden selten die positiven Seiten der Integration gesehen.

Ein positives Beispiel ist Shenouda Daynal. Vor drei Jahren floh er aus einer mittelgroßen ägyptischen Stadt nach Deutschland, nachdem sein Vater und eine seiner Schwestern ermordet wurden. Der 22-Jährige ist koptischer Christ. Koptische Christen müssen im Land am Nil mit Verfolgung rechnen. Seit anderthalb Jahren arbeitet Shenouda bei der Bäckerei Risch. "Lieber, fleißiger Kerl"
„Er ist so ein lieber, fleißiger Kerl“, attestiert sein Chef, der Bäckermeister und Betriebswirt des Handwerks, Patrick Risch (41). Er will seinem Schützling einen Ausbildungsvertrag zum 1. August anbieten. Die Freude war riesig bei dem jungen Flüchtling, doch prompt folgte die Ernüchterung: Sein Asylantrag wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)abgelehnt. Am morgigen Donnerstag soll es noch ein Gespräch bei der Ausländerbehörde geben. Nach WochenSpiegel-Informationen handelt es sich dabei um eine „Einladung zur freiwilligen Ausreise“. Doch Risch macht sich stark für seinen fleißigen Helfer in der Backstube: „Shenouda möchte sich integrieren, Steuern zahlen, niemandem zur Last fallen. Nach einem zweiwöchigen Praktikum habe ich ihn sofort in Vollzeit übernommen. Er lernt Deutsch und spricht schon sehr gut unsere Sprache, arbeitet von 23 bis 7 Uhr morgens und geht dann zum Deutschunterricht“, lobt der Chef. "Handwerk will heute keiner mehr machen"
„Ich sehe das auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht für die Region. Handwerk will doch heute keiner mehr machen, da ist es doch schön, wenn es junge Menschen gibt, die Freude und Spaß an dieser Arbeit haben. Wir finden doch keine Mitarbeiter mehr. Wer soll denn sonst später im Handwerk arbeiten“?, resümiert Risch. Für die Allgemeinheit sei es zudem gut, wenn Steuern gezahlt würden.
Risch beschäftigt in vier Filialen 41 Mitarbeiter, darunter elf in der Backstube. Shenoudas sei bei seinen Kollegen sehr beliebt. „Die Frauen im Verkauf waren so traurig und mitgenommen, als sie von dem abgelehnten Asylantrag erfuhren“, erinnert sich der Bäckermeister. Sie hätten ihn als Menschen kennengelernt und nicht als Flüchtling. Bäckermeister bietet Ausbldung an
Der Kontakt zu Risch kam über eine Flüchtlingshelferin zustande, die sich im Ort engagiert. Shenouda habe sofort gefragt, ob er bei dem Bäcker arbeiten dürfe. Der gläubige fährt oft nach Frankfurt oder Darmstadt zu den Gottesdiensten. Ein Pfarrer hatte schon gehofft, dass er sich für eine geistliche Karriere entscheidet. Er unterrichtete die Kinder und bringt sich in die Kirchenarbeit ein.
Risch möchte natürlich, dass der junge Ägypter seine Ausbildung bei ihm im Sommer starten kann. Daher wandte er sich zunächst an die Handwerkskammer in Koblenz, um um Hilfe zu ersuchen. Dort sagte man ihm, dass man über Anträge nichts machen könne, vielmehr soll der Arbeitgeber über den politischen Weg gehen. Den schlug er unverzüglich ein, schrieb Briefe an Landrat Dr. Matthias Schneider (CDU) und den Landtagsabgeordneten Hans-Jürgen Noss (SPD). Landrat will Fall prüfen
In dem Schreiben heißt es: „Vor drei Wochen kam die Hiobsbotschaft, sein Asylantrag wurde abgelehnt. Weil Ägypten ein ‚sicheres‘ Land ist. Aber das stimmt nicht. Vor kurzem war wieder ein Anschlag auf eine koptische Kirche verübt worden, dabei sind 25 Menschen gestorben“, schreibt Risch an die Politiker, nicht ohne auf das riesige Nachwuchsproblem des Handwerks im Kreis Birkenfeld hinzuweisen. „Wer verputzt uns in Zukunft die Häuser oder verlegt Stromleitungen? Das kann man nicht bei Amazon bestellen“, kritisiert Risch die Abschiebungspläne.
Eine Antwort kam bis dato noch nicht, unsere Zeitung fragte beim Landrat, der sich derzeit im Urlaub befindet, nach. „Die Entscheidung über ein Bleiberecht liegt ausschließlich beim BAMF. Die Kreisverwaltung ist als untere Ausländerbehörde daran gebunden. Herr Daynal hatte die Möglichkeit, gegen diesen Bescheid des BAMF zu klagen.“ Ungeachtet dessen habe der Landrat veranlasst, dass von Seiten der Verwaltung untersucht werde, ob und gegebenenfalls wie dem Anliegen der Bäckerei Risch und des Herrn Daynal noch auf anderem Wege zum Erfolg verholfen werden könne.


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