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Robert Syska

Tödlicher Schuss in der Tankstelle: Verteidigung plädiert auf Totschlag

Idar-Oberstein. Im Prozess um den gewaltsamen Tod des Tankstellenmitarbeiters Alex W. hat die Verteidigung eine Verurteilung wegen Totschlags gefordert.

Die Verteidiger des 50-jährigen Angeklagten sehen weder Hinweise auf niedere Beweggründe noch auf besondere Schwere der Schuld. Sie plädieren auf Totschlag.

Die Verteidiger des 50-jährigen Angeklagten sehen weder Hinweise auf niedere Beweggründe noch auf besondere Schwere der Schuld. Sie plädieren auf Totschlag.

Bild: Kurt Knaudt

Zu Beginn seines fast zweistündigen Plädoyers sprach Strafverteidiger Alexander Klein zunächst der Nebenklägerin, Alex' Mutter, seine Hochachtung und Bewunderung für die Stärke aus, mit der sie die Belastungen des Prozesses ertrage. Auch zeigte er Verständnis für den Standpunkt von Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die in ihren Plädoyers am vergangenen Montag eine lebenslange Haft wegen Mordes bei Feststellung der besonderen Schwere der Schuld gefordert hatten. Das sei aufgrund des öffentlichen Drucks zwar nachvollziehbar, juristisch aber nicht gerechtfertigt.

Insbesondere das Mordmerkmal der niederen Beweggründe zog Klein stark in Zweifel: Die Auswahl des Opfers sei, anders als von der Anklage dargestellt, weder wahllos noch willkürlich gewesen - da es ja durch den Streit um die Maske eine Interaktion zwischen dem 50-Jährigen und Alex W. gegeben habe. Dass ein krasses Missverhältnis zwischen Anlass und Tat bestehe, stellte Klein nicht in Abrede. "Das ist aber der Regelfall bei jeder vorsätzlichen Tötung", betonte der Strafverteidiger.

Tatmotiv "irrational aber subjektiv ansatzweise nachvollziehbar"

Bei der Bewertung der Tat gehe es nicht darum "wie wir von außen darauf schauen", so Klein, sondern um die subjektive Sicht des Angeklagten zum Tatzeitpunkt. Wenn Beweggründe vorliegen, die auch nur ansatzweise nachvollziehbar seien, könne nach Lesart des Bundesgerichtshofs weder von niederen Beweggründen noch von besonderer Schwere der Schuld die Rede sein - und eben diese im Ansatz nachvollziehbaren Beweggründe nahm Klein für seinen Mandanten in Anspruch. Er sei durch den Disput um die Maskenpflicht in Wut geraten und stand aufgrund der anderthalbjährigen Belastungen durch die Corona-Pandemie und den Verlust seiner Eltern unter enormer psychischer Belastung. "Das mag für Außenstehende irrational sein", so Klein, sei aber vor dem Hintergrund der Person des Angeklagten eben ansatzweise nachvollziehbar.

Auch die Tatsache, dass sein Mandant seine Tat im vollen Bewusstsein über die Konsequenzen verübt habe, sei Indiz für das Maß seiner subjektiv empfundenen Verzweiflung. "Ihm war völlig klar, dass sein Leben nun beendet ist", so Klein.

Auch Verteidiger-Kollege Axel Küster betonte, dass die besondere Schwere der Schuld fachlich nicht zu rechtfertigen sei, "auch wenn die Öffentlichkeit danach verlangt." Der Angeklagte sei "keine eiskalte Täterpersönlichkeit, in dem die Gewalt geschlummert hat." Sonst, so Küster, wäre er nicht 50 Jahre lang unbescholten durchs Leben gekommen. Er sei vor der Tat völlig unbescholten gewesen, sozial integriert, hatte einen Job und eine Lebensgefährtin. Zudem sei er von Anfang an geständig und kooperativ gewesen. "Natürlich kann man ihn einfach als eiskalten Killer abtun", sagte Küster, "man kann aber auch versuchen, sich mit dem Menschen auseinanderzusetzen." Es sei schade, so der Verteidiger, dass es sich die Staatsanwaltschaft in ihrer Bewertung so einfach gemacht habe.

Aufgrund des psychischen Zustands des Angeklagten und der erheblichen Alkoholisierung plädierten Klein und Küster daher auf Totschlag unter der Berücksichtigung von nicht auszuschließender erheblicher Schuldunfähigkeit. Die genaue Bezifferung des Strafmaßes überließen die Verteidiger indes dem Gericht.

Das letzte Wort hatte der Angeklagte selbst. Er wandte sich mit dünner Stimme an die Mutter von Alex W. und betonte erneut, dass ihm "die Sache wirklich leidtut." Daran habe sich nichts geändert, auch wenn er selbst oftmals das Gefühl gehabt habe, dass "das in der kalten, juristischen Sachlichkeit des Verfahrens manchmal untergegangen" sei. Der Prozess wird am kommenden Dienstag, ab 9 Uhr, fortgesetzt. Dann wird mit einem Urteilsspruch gerechnet.


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