

Hönningen (red). »Die Grenze des Machbaren im Ehrenamt ist erreicht beziehungsweise auch teilweise überschritten«, sagt Jürgen Schwarzmann, Bürgermeister der Ortsgemeinde Hönningen, rund 16 Monate nach der Flutkatastrophe. Hönningen und der Ortsteil Liers waren – und sind – von der Flut massiv betroffen. Die Entscheidungsträger bei Behörden und Ämtern, aber besonders bei den ehrenamtlichen Entscheidungsträgern vor Ort seien in einer Situation, die mit dem Ehrenamt eigentlich nicht mehr zu bewältigen sei, so Schwarzmann. Fast täglich müssten Entscheidungen zum Wiederaufbau getroffen werden. »Dies war am Anfang relativ einfach, da die Entscheidungsträger freie Handlungsfähigkeiten hatten. Nun ist aber der Bürokratismus wieder eingekehrt, dass viele Entscheidungen einfach zu lange dauern oder aber zu umfangreich sind«, moniert Schwarzmann.
Vieles sei schon passiert und in Bewegung, sagt er und zählt Beispiele auf. So seien in Hönningen und Liers Straßenbaumaßnahmen begonnen, teils schon abgeschlossen worden. Die Umgehungsstraße sei schnell wieder in Betrieb gewesen, die Hauptstraße in Hönningen, die unter dem Schwerlastverkehr stark gelitten hatte, wird saniert. Das Wiederherstellungskonzept der Ahr für die Verbandsgemeinde Altenahr liege vor und diene als Entscheidungsgrundlage für den Aufbau des Kindergartens und des Sportplatzes Hönningen. Ebenso sei das Konzept für den Liersbach kurz vor der Vollendung und drei Hochwasserschutzkonzepte für die Bergstraße in Liers, die Kapellenstraße in Hönningen und den Kindergarten seien beauftragt worden. Zwei Hangrutschmaßnahmen seien abgeschlossen und es gebe Gespräche zu weiteren Schutzmaßnahmen für die Waldstraße. Der Ortsgemeinderat hat kürzlich entschieden, das Gemeindehaus in Liers wieder in der ursprünglichen Größe zu errichten, es muss allerdings noch ein Grundstück gefunden werden. Bei solchen Baumaßnahmen sieht Schwarzmann den Beginn der größten Probleme im Ahrtal: »Wenn wir keine Erleichterungen im Baurecht bekommen durch die Schaffung einer ‚Sonderzone Ahrtal‘, werden viele Maßnahmen Jahre benötigen, bis sie umgesetzt sind.«
»Wir haben immer noch die Sätze im Ohr, wir werden euch nicht vergessen und wir lassen euch nicht allein«, mahnt Schwarzmann. Behörden und Verwaltungen hätten zwar schon viel bewirkt, doch es werde Zeit, den Druck zu erhöhen. »Zukunfts- oder Modellregion darf nicht nur ein Schlagwort für eine Pressemeldung im Wahlkampf sein und bleiben«, betont Schwarzmann. Die einmalige Chance, etwas zu verändern, sei nur möglich, wenn alle an einem Strang ziehen. »Zurzeit hat man aber das Gefühl, viele ziehen, aber nicht immer in die gleiche Richtung«, kritisiert er. Es nütze nichts, immer wieder Köpfe zu fordern, die durch Neue ersetzt werden, die sich erst wieder einarbeiten müssen. »Schuldzuweisungen können in Gerichtsprozessen und Untersuchungsausschüssen geklärt werden. Die Menschen im Ahrtal brauchen Perspektiven.«
»Über alle Parteigrenzen hinweg, müssen nun die Abgeordneten von Bund und Land uns hier unterstützen, um Erleichterungen zu bekommen«, fordert er von der Politik unisono mit den anderen Entscheidungsträger in der Ortsgemeinde: »Wir können nicht Jahre warten, bis eine Bauleitplanung nach normalem Maßstab durchgeführt wird.« Die Ortsgemeinde Hönningen hätte die Möglichkeit ein Grundstück für eine Weiterentwicklung in Liers zu kaufen. »Hier stoßen aber Hochwasserschutzlinien, Baurecht, Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie und so weiter aufeinander und würden eine Weiterentwicklung behindern«, erklärt der Ortsbürgermeister. Er fordert die Politik auf, neben der ‚Sonderzone Ahrtal‘ auch darauf zu drängen, dass die Frist für den Maßnahmenplan verlängert wird. Denn nach aktuellem Stand können die Kommunen nur noch bis zum 30. Juni 2023 Maßnahmen zur Infrastruktur angeben, um für diese Wiederaufbauhilfen zu erhalten.
Diese Verlängerung fordert auch die rheinland-pfälzische Landesregierung. In einem Schreiben an Bundeskanzler Olaf Scholz hat Ministerpräsidentin Malu Dreyer jetzt auf eine Verlängerung der Antragsfrist für Anträge aus dem Wiederaufbaufonds insbesondere für das besonders schwer getroffene Ahrtal gedrängt. Sie wies darauf hin, dass im Ahrtal sowohl hinsichtlich der Schadensintensität als auch der Großflächigkeit der Zerstörung eine ganz besondere Situation bestehe. »Ich habe den Bundeskanzler daher darum gebeten, von Seiten der Bundesregierung eine Verlängerung der Antragsfrist bis zum 30. Juni 2026 zu ermöglichen, um sicherzustellen, dass möglichst alle Betroffenen die notwendigen Hilfszahlungen erhalten können", sagte die Ministerpräsidentin. In der Folge sei auch eine Verlängerung der Bewilligungsfrist notwendig.
"Für die unzähligen schwer betroffenen Privatpersonen ist die bestehende Frist eine erhebliche Herausforderung, die besonders hart jene trifft, die mit am stärksten von der Flut getroffen sind", so die Ministerpräsidentin. Gerade diejenigen, die noch Ersatzgrundstücke beschaffen müssten, weil ein Wiederaufbau an alter Stelle nicht verantwortbar sei, sähen sich durch die Frist unter großen zeitlichen Druck gesetzt. Ebenso komme es beim Wiederaufbau von Unternehmen, aber auch bei Privathaushalten und Kommunen aufgrund fehlender Gutachterinnen und Gutachter, Baumaterialien und Handwerkerinnen und Handwerker zu erheblichen Verzögerungen. Dreyer betonte, dass insbesondere im Bereich des Wiederaufbaus der öffentlichen Infrastruktur mit zahlreichen komplexen sowie planungs- und kostenintensiven Wiederaufbaumaßnahmen große Herausforderungen bestünden. Innenminister Michael Ebling hat sich zu dieser Thematik parallel an Bundesfinanzminister Christian Lindner gewandt. Bereits im Frühjahr hatte der ehemalige Innenminister Roger Lewentz das Anliegen der Kommunen um Fristverlängerung bei Bundesbauministerin Klara Geywitz vorgebracht.