Seitenlogo
mn

Dä!

Dem in mehrfacher Hinsicht großen und vom Autor dieser Kolumne hochverehrten Werner Rosen, seinerzeit Amtsdirektor von Hellenthal, ist die Überlieferung der denkbar kürzesten Begründung für die Vorteile, ja die Notwendigkeit des Plattsprechens zu verdanken. Wer Platt kallt, spart Zitt, öss schnelle fäerdig, bringt die Dinge mit ungeheurer Präzision auf den Punkt.

Wie jene Großmutter, die in den Nachkriegsjahren zu Werner Rosen aufs Standesamt kam, um die Geburt eines unehelichen Enkelkindes anzuzeigen. Die Oma als mutigster Mensch im Haus erledigte diese Aufgabe der damals in dörfliche Schande geratenen ledigen Mutter mit großer Souveränität in Eifeler Mundart. Hätte sie den gleichen Umstand in der ihr nicht geläufigen Hochsprache artikuliert, hätte sie zur „Meldung“ des unehelichen Enkels nicht nur – gefühlt – Stunden gebraucht, sie hätte sich rhetorisch-dramaturgisch auch von der Erschaffung der Welt in Genesis 1,1 über die allgemeine Wetterlage und die Ernteaussichten, die Befindlichkeit der Kartoffeln im Garten und den Zustand der Dorfstraße bis zum eigentlichen Punkt mühsam vorarbeiten müssen. All diese Umständlichkeiten und am Ende dann doch die unvermeidliche Peinlichkeit ersparte ihr die Schilderung des Sachverhalts auf Platt innerhalb weniger Sekunden: „Oss Dröck, fuffzehnmohl op de Kirmes – nühs! Oss Änn, eehmohl Katholikentaach – dä!“ Es geht das Gerücht, dass zumindest Eifeler „Mannsleute“ (Mannslöck) – für „Fraulöck“ besteht eine etwas großzügigere Regelung, da sie mehr reden dürfen (müssen) – im Laufe eines, sagen wir, 83jährigen Lebens als Native-Speaker (Plattsprecher) gegenüber, wenn sie stattdessen die ganze Zeit Hochdeutsch gesprochen hätten, so viele Wörter sparen, wie in 15 komplette Brockhaus-Bände reingehen . . .


Meistgelesen